Ukraine‐Krise trifft fast alle Firmen in Schwaben
Analyse Das Logistik-Unternehmen Ansorge leidet unter hohen Gas- und Diesel-Preisen, ein Einzelhändler beobachtet verunsicherte Verbraucherinnen und Verbraucher. Das Entlastungspaket der Regierung geht offenbar an der Wirtschaft vorbei.
Augsburg Stark zu spüren sind die Folgen des Ukraine-Krieges zum Beispiel in der Logistik-Branche. Das Unternehmen Ansorge Logistik aus Biessenhofen betreibt rund 150 Laster und transportiert mit rund 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Fracht von Maschinenbauern, Papierherstellern, insbesondere aber auch Konsumgüter. Ein besonders großes Problem sind hier die hohen Energiepreise. „Seit der Ukraine-Krise sind die Diesel-Preise stark gestiegen“, sagt Geschäftsführer Wolfgang Thoma. Das Unternehmen fährt zwar auch mit GasLkw – hier aber sind die Preise noch stärker in die Höhe geschossen. „Seit Oktober 2020 haben wir einen Anstieg von rund 300 Prozent bei Gas erlebt“, sagt Thoma. Kostete im Oktober ’20 ein Kilo Gas rund 91 Cent, seien es im Januar 2022 dann 2,48 Euro gewesen.
Ansorge Logistik musste rasch handeln, damit das Unternehmen keine Substanz verliert. Schnell habe man die Kundschaft einbezogen und sich auf temporäre Preiserhöhungen geeinigt. „Sonst haben wir als Logistiker keine Möglichkeiten, die Kostenexplosion abzufedern“, sagt Thoma. „Geholfen hat uns, dass wir lange und gute Beziehungen zu unseren Kunden haben.“
Die einst als umweltfreundlich vom Staat geförderten Gas-Lkw setzt er derzeit nur noch auf Kurzstrecken ein. Alles in allem seien die GasLkw unwirtschaftlich geworden.
Das Logistikunternehmen ist nur ein Beispiel. In einer aktuellen Umfrage der Industrie- und Handelskammer Schwaben geben inzwischen 75 Prozent der Unternehmen in Schwaben an, die wirtschaftlichen Folgen des Krieges zu spüren. Das ziehe sich quer durch alle Branchen, erklärte Niklas Gouverneur, Konjunktur-Experte der IHK. „Größere Unternehmen sind dabei stärker betroffen als kleine Unternehmen, Industrie und die Bauwirtschaft stärker als der Dienstleistungsbereich oder der Handel“, sagt er.
Vor allem die hohen Energiepreise beschäftigen die Geschäftsleute. Ganze 93 Prozent der befragten Firmen – also fast alle – gaben an, hier ein Risiko zu sehen. 70 Prozent machen sich Sorgen wegen ausfallender Lieferanten, 48 Prozent fürchten Cyberangriffe. Ein großer Teil der Betriebe plant, Energie einzusparen und sich nach neuen Lieferanten umzusehen. 62 Prozent der Unternehmen gehen aber auch davon aus, dass sie gezwungen sein werden, ihre Preise zu erhöhen.
„Die Erhöhung der Preise ist für viele Unternehmen die letzte Möglichkeit, um auf den eigenen Kostendruck zu reagieren“, erklärt IHK-Fachmann Gouverneur. Das Energie-Entlastungspaket der Regierung bringe für die meisten Firmen keine Besserung, sagt IHKEnergieexpertin Nina Reitsam: „Die Senkung der Energiesteuer betrifft Kraftstoffe. Wieso wurden jedoch Strom und Erdgas nicht ins Paket aufgenommen?“
Dass die Bundesregierung mit dem neuen Energieentlastungspaket einen Rabatt von 14 Cent pro Liter Diesel gewähren will, begrüßt zwar Logistikchef Thoma, er hat aber noch Zweifel. „Der Rabatt ist gut gemeint, die Preise sind jedoch immer noch hoch, die Umsetzung bleibt fraglich“, sagt er. Er befürchtet, dass in der Umsetzung ein „administratives Monster“entsteht. Ein Weg könnte sein, dass große Mineralölkonzerne einen Teil ihrer zusätzlichen Gewinne an die Unternehmen zurückgeben, schlägt Thoma vor. Italien hat die Spritkosten deutlich gesenkt. Die IHK fordert eine Senkung der Stromsteuer.
Die Energiepreise sind nicht die einzige Verwerfung in der Logistik. „Neben der Energieproblematik gibt es in der Transportbranche einen großen Fahrermangel“, sagt Thoma. Ukrainische Fahrer können ihren Beruf derzeit nicht ausüben und hinterlassen „riesige Lücken“, erklärt er. Vor allem aber ist mit dem Krieg in der Ukraine die Unsicherheit in der Wirtschaft stark gestiegen: „Über der Zukunft steht ein großes Fragezeichen, der Planungshorizont ist sehr klein geworden“, sagt Thoma. Dauert der Krieg an, könnte die Gesamtwirtschaft stark leiden. Da Putin mit jedem Euro, den Europa für russische Energie zahlt, den Krieg mit finanziert, wünschen sich Unternehmer wie er auch stärkere Bemühungen zum Energiesparen in Deutschland.
Die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Krieges belasten die Konjunktur. Ein Begriff aus den 70er Jahren macht die Runde: die Stagflation. Davon spricht die Ökonomie, wenn wirtschaftliche Stagnation auf hohe Inflationsraten trifft. „Vom Krieg in der Ukraine gehen stagflationäre Impulse aus“, sagt IHK-Fachmann Gouverneur. „Der Preisanstieg verfestigt sich, das wirtschaftliche Wachstum gerät unter Druck.“
Die Folgen erreichen inzwischen auch den Handel: „Generell sehen wir die Entwicklung mit großer Sorge“, sagt Hermann Hutter von der Buchhandlung Hutter aus Günzburg, der insgesamt acht Geschäfte, einen großen Spieleverlag und zwei Online-Shops betreibt. Hutter arbeitet mit mehr als 200 unterschiedlichen Partnern in 40 Ländern zusammen. „Zu den Problemen von Corona kommen jetzt weiter Lieferkettenprobleme und heftige Preiserhöhungen auf allen Seiten. Der Krieg verunsichert alle Verbraucher, aber auch Geschäftspartner“, sagt er.
Gerade die steigenden Preise setzen die Wirtschaft unter Druck. Die Transportkosten für internationale Lieferungen seien „zum Teil acht bis zehn Mal so teuer wie vor Corona“, sagt Hutter. Die hohen Energiekosten belasten sein Unternehmen, aber auch seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die privat neben der Miete höhere Nebenkosten zahlen müssen. „Alles zusammen gibt eine schlechte Mischung, die zu Kaufzurückhaltung und Konsumrückgängen führen wird“, befürchtet er.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck überlegt inzwischen laut Handelsblatt, neue Wirtschaftshilfen aufzulegen. Denkbar sei es, einen 150 Milliarden Euro schweren Corona-Fonds umzuwidmen.
Sprit ist teuer, Fahrer fehlen
Legt Habeck ein neues Hilfsprogramm auf?