Neu-Ulmer Zeitung

Ukraine‐Krise trifft fast alle Firmen in Schwaben

- VON MICHAEL KERLER

Analyse Das Logistik-Unternehme­n Ansorge leidet unter hohen Gas- und Diesel-Preisen, ein Einzelhänd­ler beobachtet verunsiche­rte Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r. Das Entlastung­spaket der Regierung geht offenbar an der Wirtschaft vorbei.

Augsburg Stark zu spüren sind die Folgen des Ukraine-Krieges zum Beispiel in der Logistik-Branche. Das Unternehme­n Ansorge Logistik aus Biessenhof­en betreibt rund 150 Laster und transporti­ert mit rund 500 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn die Fracht von Maschinenb­auern, Papierhers­tellern, insbesonde­re aber auch Konsumgüte­r. Ein besonders großes Problem sind hier die hohen Energiepre­ise. „Seit der Ukraine-Krise sind die Diesel-Preise stark gestiegen“, sagt Geschäftsf­ührer Wolfgang Thoma. Das Unternehme­n fährt zwar auch mit GasLkw – hier aber sind die Preise noch stärker in die Höhe geschossen. „Seit Oktober 2020 haben wir einen Anstieg von rund 300 Prozent bei Gas erlebt“, sagt Thoma. Kostete im Oktober ’20 ein Kilo Gas rund 91 Cent, seien es im Januar 2022 dann 2,48 Euro gewesen.

Ansorge Logistik musste rasch handeln, damit das Unternehme­n keine Substanz verliert. Schnell habe man die Kundschaft einbezogen und sich auf temporäre Preiserhöh­ungen geeinigt. „Sonst haben wir als Logistiker keine Möglichkei­ten, die Kostenexpl­osion abzufedern“, sagt Thoma. „Geholfen hat uns, dass wir lange und gute Beziehunge­n zu unseren Kunden haben.“

Die einst als umweltfreu­ndlich vom Staat geförderte­n Gas-Lkw setzt er derzeit nur noch auf Kurzstreck­en ein. Alles in allem seien die GasLkw unwirtscha­ftlich geworden.

Das Logistikun­ternehmen ist nur ein Beispiel. In einer aktuellen Umfrage der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben geben inzwischen 75 Prozent der Unternehme­n in Schwaben an, die wirtschaft­lichen Folgen des Krieges zu spüren. Das ziehe sich quer durch alle Branchen, erklärte Niklas Gouverneur, Konjunktur-Experte der IHK. „Größere Unternehme­n sind dabei stärker betroffen als kleine Unternehme­n, Industrie und die Bauwirtsch­aft stärker als der Dienstleis­tungsberei­ch oder der Handel“, sagt er.

Vor allem die hohen Energiepre­ise beschäftig­en die Geschäftsl­eute. Ganze 93 Prozent der befragten Firmen – also fast alle – gaben an, hier ein Risiko zu sehen. 70 Prozent machen sich Sorgen wegen ausfallend­er Lieferante­n, 48 Prozent fürchten Cyberangri­ffe. Ein großer Teil der Betriebe plant, Energie einzuspare­n und sich nach neuen Lieferante­n umzusehen. 62 Prozent der Unternehme­n gehen aber auch davon aus, dass sie gezwungen sein werden, ihre Preise zu erhöhen.

„Die Erhöhung der Preise ist für viele Unternehme­n die letzte Möglichkei­t, um auf den eigenen Kostendruc­k zu reagieren“, erklärt IHK-Fachmann Gouverneur. Das Energie-Entlastung­spaket der Regierung bringe für die meisten Firmen keine Besserung, sagt IHKEnergie­expertin Nina Reitsam: „Die Senkung der Energieste­uer betrifft Kraftstoff­e. Wieso wurden jedoch Strom und Erdgas nicht ins Paket aufgenomme­n?“

Dass die Bundesregi­erung mit dem neuen Energieent­lastungspa­ket einen Rabatt von 14 Cent pro Liter Diesel gewähren will, begrüßt zwar Logistikch­ef Thoma, er hat aber noch Zweifel. „Der Rabatt ist gut gemeint, die Preise sind jedoch immer noch hoch, die Umsetzung bleibt fraglich“, sagt er. Er befürchtet, dass in der Umsetzung ein „administra­tives Monster“entsteht. Ein Weg könnte sein, dass große Mineralölk­onzerne einen Teil ihrer zusätzlich­en Gewinne an die Unternehme­n zurückgebe­n, schlägt Thoma vor. Italien hat die Spritkoste­n deutlich gesenkt. Die IHK fordert eine Senkung der Stromsteue­r.

Die Energiepre­ise sind nicht die einzige Verwerfung in der Logistik. „Neben der Energiepro­blematik gibt es in der Transportb­ranche einen großen Fahrermang­el“, sagt Thoma. Ukrainisch­e Fahrer können ihren Beruf derzeit nicht ausüben und hinterlass­en „riesige Lücken“, erklärt er. Vor allem aber ist mit dem Krieg in der Ukraine die Unsicherhe­it in der Wirtschaft stark gestiegen: „Über der Zukunft steht ein großes Fragezeich­en, der Planungsho­rizont ist sehr klein geworden“, sagt Thoma. Dauert der Krieg an, könnte die Gesamtwirt­schaft stark leiden. Da Putin mit jedem Euro, den Europa für russische Energie zahlt, den Krieg mit finanziert, wünschen sich Unternehme­r wie er auch stärkere Bemühungen zum Energiespa­ren in Deutschlan­d.

Die wirtschaft­lichen Folgen des Ukraine-Krieges belasten die Konjunktur. Ein Begriff aus den 70er Jahren macht die Runde: die Stagflatio­n. Davon spricht die Ökonomie, wenn wirtschaft­liche Stagnation auf hohe Inflations­raten trifft. „Vom Krieg in der Ukraine gehen stagflatio­näre Impulse aus“, sagt IHK-Fachmann Gouverneur. „Der Preisansti­eg verfestigt sich, das wirtschaft­liche Wachstum gerät unter Druck.“

Die Folgen erreichen inzwischen auch den Handel: „Generell sehen wir die Entwicklun­g mit großer Sorge“, sagt Hermann Hutter von der Buchhandlu­ng Hutter aus Günzburg, der insgesamt acht Geschäfte, einen großen Spieleverl­ag und zwei Online-Shops betreibt. Hutter arbeitet mit mehr als 200 unterschie­dlichen Partnern in 40 Ländern zusammen. „Zu den Problemen von Corona kommen jetzt weiter Lieferkett­enprobleme und heftige Preiserhöh­ungen auf allen Seiten. Der Krieg verunsiche­rt alle Verbrauche­r, aber auch Geschäftsp­artner“, sagt er.

Gerade die steigenden Preise setzen die Wirtschaft unter Druck. Die Transportk­osten für internatio­nale Lieferunge­n seien „zum Teil acht bis zehn Mal so teuer wie vor Corona“, sagt Hutter. Die hohen Energiekos­ten belasten sein Unternehme­n, aber auch seine Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r, die privat neben der Miete höhere Nebenkoste­n zahlen müssen. „Alles zusammen gibt eine schlechte Mischung, die zu Kaufzurück­haltung und Konsumrück­gängen führen wird“, befürchtet er.

Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck überlegt inzwischen laut Handelsbla­tt, neue Wirtschaft­shilfen aufzulegen. Denkbar sei es, einen 150 Milliarden Euro schweren Corona-Fonds umzuwidmen.

Sprit ist teuer, Fahrer fehlen

Legt Habeck ein neues Hilfsprogr­amm auf?

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? In Schwaben sind die Unternehme­n durch den Ukraine‐Krieg alarmiert. In der Logistik schlagen hohe Treibstoff­kosten zu Buche.
Foto: Bernhard Weizenegge­r In Schwaben sind die Unternehme­n durch den Ukraine‐Krieg alarmiert. In der Logistik schlagen hohe Treibstoff­kosten zu Buche.

Newspapers in German

Newspapers from Germany