Eine Frage des Alters
Brauerei verzichtet auf Titel „Älteste Familienbrauerei“
Rettenberg Brauereien mit jahrhundertelanger Tradition gibt es viele in Bayern – die „älteste Familienbrauerei der Welt“jedoch ist einmalig. Sie sitzt in Rettenberg und geht auf das Jahr 1447 zurück. So lautet die Firmenhistorie der Brauerei Zötler – besser gesagt: So lautete sie. Denn das Oberallgäuer Unternehmen verzichtet ab sofort auf den werbewirksamen Superlativ. „Wir haben die Unternehmensgeschichte erforschen lassen und sind darauf gestoßen, dass sich eine kontinuierliche Brautätigkeit durch unsere Vorfahren nicht lückenlos belegen lässt“, sagt Niklas Zötler, der geschäftsführende Gesellschafter. Daher habe sich die Brauerei dazu entschieden, auf Nummer sicher zu gehen, das Prädikat aufzugeben und die 2022 geplante Jubiläumsfeier zum 575-Jährigen abzusagen.
Just wegen dieses Jubiläums hatte die Unternehmerfamilie Historiker Quellen wissenschaftlich durchleuchten und wichtige Urkunden akribisch übersetzen lassen. Dabei wurde laut Niklas Zötler – nach bisheriger Zählweise Bräu in der 21. Generation – deutlich: Die lückenlose Brautätigkeit in der eigenen Familie sei zwar trotz mehrerer Namenswechsel durch Heiraten und Erbfälle wahrscheinlich – stichhaltig belegen lasse sie sich aber nicht. Zudem habe die erste Erwähnung der Brauerei 1447 nicht die erforderliche Beweiskraft. Denn die zugehörige Urkunde belege den Landkauf in Rettenberg durch einen Wirt namens Konrad Bach – „wir wissen aber nicht sicher, ob dieser tatsächlich Bier gebraut hat“. Für die Familie Zötler gebe es in Rettenberg für mehr als sechs Generationen „Brief und Siegel“, sagt Zötler.
Der Internetauftritt des Unternehmens wurde bereits angepasst. Nach den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern werde nun die Kundschaft über die Korrektur der Firmengeschichte informiert. Etiketten, Briefpapier und Werbeträger sollen Zug um Zug verändert werden. Für das eigene Selbstverständnis bedeuteten die neuen Erkenntnisse der Historiker einen „schmerzhaften Einschnitt“.