Neu-Ulmer Zeitung

So kämpft die Region gegen Verschwend­ung

- VON JONAS KLIMM

Lebensmitt­el Mit der App „Too Good To Go“können Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r nun etwas für die Umwelt tun. Zahlreiche Bäckereien, Supermärkt­e und Restaurant­s in der Region machen mit. Wie das funktionie­rt.

Landkreis Neu‐Ulm Die Zahlen sind bedenklich: In Deutschlan­d werden rund ein Drittel aller Lebensmitt­el weggeworfe­n. Laut der Umweltorga­nisation WWF sind es jährlich rund 18 Millionen Tonnen an Versorgung­sgütern, die ungenutzt den Weg in den Müll finden. Die Gründe hierfür sind vielfältig, definitiv zu verorten im Überangebo­t in den Industriel­ändern, häufig auch schlichtwe­g im fehlenden Bewusstsei­n vieler Menschen für den Wert von Lebensmitt­eln. Die App „Too Good To Go“versucht, dieser Negativent­wicklung mit einem einfachen Konzept entgegenzu­wirken, das auch viele Bäckereien, Supermärkt­e und Restaurant­s aus Ulm und dem Landkreis Neu-Ulm nutzen – und somit einen Beitrag zur Vermeidung von Lebensmitt­elverschwe­ndung leisten.

Die Idee dahinter ist simpel: Die Betriebe melden sich bei der App „Too Good To Go“an. Mithilfe dieser kann dann beispielsw­eise die Bäckerei ihre übrig gebliebene­n Backwaren oder der Supermarkt seine kurz vor dem Ablauf des Mindesthal­tbarkeitsd­atums stehenden Lebensmitt­el an den Mann oder die Frau bringen. Können die Ladenbesit­zer abschätzen, wie viele Lebensmitt­el oder Gerichte übrig bleiben werden, geben sie die Informatio­n an die App weiter und stellen einen „Magic Bag“zusammen, also eine Überraschu­ngstüte. Der Verbrauche­r kann anschließe­nd über die App die überschüss­igen Lebensmitt­el zu stark vergünstig­ten Preis kaufen und seine Tüte vor Ort zu einer festgelegt­en Uhrzeit abholen.

In Ulm und im Landkreis NeuUlm machen bereits rund 100 Betriebe mit – viele von ihnen sind erst vor Kurzem eingestieg­en. So auch der Hofladen Fink aus Ludwigsfel­d. „Wir haben jeden Freitag geöffnet. Häufig bleibt von den frischen Backwaren und der Milch am Ende des Verkaufsta­ges aber noch etwas übrig“, sagt Inhaber Helmut Fink. „Deshalb haben wir uns entschiede­n, bei ‘Too Good To Go’ mitzumache­n.“

Meist könne er am späten Freitagnac­hmittag bereits abschätzen, ob und wie viel Ware am Ende des Tages übrig bleiben werde. Diese wird dann in einer Überraschu­ngstüte zusammenge­stellt und für 2,50 Euro über die App verkauft. Der normale Verkaufswe­rt der überschüss­igen Waren läge bei rund 7,50 Euro. Zwischen 18.45 Uhr und 19.15 Uhr holt der Käufer dann seine Lebensmitt­el im Hofladen ab. „Wir haben bisher zwar erst eine Probetüte eingestell­t, die war aber innerhalb kürzester Zeit verkauft“, so Finks positives Fazit nach der ersten Woche.

Dilek Bozdam von der „WunschBäck­erei“aus Vöhringen hat auch früher keine überschüss­igen Backwaren weggeworfe­n: „Das bekamen die Hühner – und die Familie“, sagt sie. Nun ist sie seit einer guten Woche bei „Too Good To Go“dabei und stellt täglich zwei bis drei Tüten übrig gebliebene­r Brezen und Semmeln zusammen. Der normale Verkaufswe­rt liege bei rund sechs Euro, über die App können Kunden die Backwaren für zwei Euro bekommen. Eine Stunde vor Ladenschlu­ss mache sie das, das reiche locker, die Tüten gingen sofort weg. Müssen die hauseigene­n Hühner nun darben? „Nein“, sagt Bozdam und lacht. „Für die lasse ich trotzdem noch etwas übrig.“

Auf Nachhaltig­keit achtet Larbi Hatim seit vielen Jahren. Er ist Chef des gegenüber der Glacis-Galerie gelegenen orientalis­chen Restaurant­s „Smalah“, welches im vergangene­n Herbst eröffnete. Zuvor betrieb Hatim am selben Standort für fünf Jahre das „Chez Sara“, ein Restaurant mit gehobener französisc­her Küche. „Wir haben schon seit fünf, sechs Jahren keine Plastik-Strohhalme mehr“, sagt er. „Außerdem geben wir den Kundinnen und Kunden ihr Essen ausschließ­lich in wiederverw­ertbaren Vytal-Schalen mit, die sie kostenlos innerhalb von zehn Tagen zurückbrin­gen können. So wollen wir unnötigen Müll vermeiden.“Hatim betont: „Wir machen das nicht für Werbung, sondern weil wir davon überzeugt sind.“

Somit sei es logisch, dass sie kürzlich auch bei „Too Good To Go“eingestieg­en seien. Für sechs, neun oder zwölf Euro können Kundinnen und Kunden nun über die App die überschüss­igen Gerichte bestellen, ein Drittel des Preises, der im Restaurant fällig wäre. „Wir kaufen täglich ein, beispielsw­eise zehn Bund frische Minze, ein wichtiger Bestandtei­l orientalis­cher Küche“, sagt Hatim. Im Laufe des Tages sehe er dann, wie viele Gerichte übrig bleiben könnten und gibt die Informatio­n weiter. „Anschließe­nd können die Kunden ihr Essen bei uns abholen.“

Der Imbiss „Grüne Insel“aus Ulm ist schon etwas länger dabei, knapp zwei Monate sind es mittlerwei­le. Geschäftsf­ührer Gerard Connor ist von dem Müllvermei­dungskonze­pt begeistert: „Ich wollte kein Essen wegwerfen und mit der App bleibt nun gar nichts mehr übrig.“Auch wenn es sich meist nur um eine Mahlzeit handelt: Übrig gebliebene Mittagesse­n, die er sonst für 7,50 Euro anbietet, können nach Ladenschli­eßung zwischen 14.45 Uhr und 15 Uhr für 2,50 Euro abgeholt werden. Einzige Voraussetz­ung: Kundinnen und Kunden müssen ihr Mahl am Abend zuvor über „Too Good To Go“reserviert haben.

Neben Bäckereien und Restaurant­s wollen Supermärkt­e und Hotels etwas gegen Lebensmitt­elverschwe­ndung tun; so auch das Hotel Schiefes Haus in Ulm. „Wir bieten unseren Hotelgäste­n ein Frühstücks­buffet an“, sagt Geschäftsf­ührer Harald Altstetter. Hin und wieder komme es natürlich vor, dass Lebensmitt­el übrig blieben.

Das wiederum werde dann den Verantwort­lichen der App gemeldet, die es dann den Nutzerinne­n und Nutzern weitergebe­n. „Der Pauschalpr­eis bei uns liegt bei vier Euro“, fügt Altstetter hinzu. Der eigentlich­e Wert läge indes um einiges höher.

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Foto: Silvio Wyszengrad (Symbolbild) Was tun mit überschüss­igen Backwaren? Mit der App „Too Good To Go“soll die Lebensmitt­elverschwe­ndung eingedämmt werden.

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