So kämpft die Region gegen Verschwendung
Lebensmittel Mit der App „Too Good To Go“können Verbraucherinnen und Verbraucher nun etwas für die Umwelt tun. Zahlreiche Bäckereien, Supermärkte und Restaurants in der Region machen mit. Wie das funktioniert.
Landkreis Neu‐Ulm Die Zahlen sind bedenklich: In Deutschland werden rund ein Drittel aller Lebensmittel weggeworfen. Laut der Umweltorganisation WWF sind es jährlich rund 18 Millionen Tonnen an Versorgungsgütern, die ungenutzt den Weg in den Müll finden. Die Gründe hierfür sind vielfältig, definitiv zu verorten im Überangebot in den Industrieländern, häufig auch schlichtweg im fehlenden Bewusstsein vieler Menschen für den Wert von Lebensmitteln. Die App „Too Good To Go“versucht, dieser Negativentwicklung mit einem einfachen Konzept entgegenzuwirken, das auch viele Bäckereien, Supermärkte und Restaurants aus Ulm und dem Landkreis Neu-Ulm nutzen – und somit einen Beitrag zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung leisten.
Die Idee dahinter ist simpel: Die Betriebe melden sich bei der App „Too Good To Go“an. Mithilfe dieser kann dann beispielsweise die Bäckerei ihre übrig gebliebenen Backwaren oder der Supermarkt seine kurz vor dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums stehenden Lebensmittel an den Mann oder die Frau bringen. Können die Ladenbesitzer abschätzen, wie viele Lebensmittel oder Gerichte übrig bleiben werden, geben sie die Information an die App weiter und stellen einen „Magic Bag“zusammen, also eine Überraschungstüte. Der Verbraucher kann anschließend über die App die überschüssigen Lebensmittel zu stark vergünstigten Preis kaufen und seine Tüte vor Ort zu einer festgelegten Uhrzeit abholen.
In Ulm und im Landkreis NeuUlm machen bereits rund 100 Betriebe mit – viele von ihnen sind erst vor Kurzem eingestiegen. So auch der Hofladen Fink aus Ludwigsfeld. „Wir haben jeden Freitag geöffnet. Häufig bleibt von den frischen Backwaren und der Milch am Ende des Verkaufstages aber noch etwas übrig“, sagt Inhaber Helmut Fink. „Deshalb haben wir uns entschieden, bei ‘Too Good To Go’ mitzumachen.“
Meist könne er am späten Freitagnachmittag bereits abschätzen, ob und wie viel Ware am Ende des Tages übrig bleiben werde. Diese wird dann in einer Überraschungstüte zusammengestellt und für 2,50 Euro über die App verkauft. Der normale Verkaufswert der überschüssigen Waren läge bei rund 7,50 Euro. Zwischen 18.45 Uhr und 19.15 Uhr holt der Käufer dann seine Lebensmittel im Hofladen ab. „Wir haben bisher zwar erst eine Probetüte eingestellt, die war aber innerhalb kürzester Zeit verkauft“, so Finks positives Fazit nach der ersten Woche.
Dilek Bozdam von der „WunschBäckerei“aus Vöhringen hat auch früher keine überschüssigen Backwaren weggeworfen: „Das bekamen die Hühner – und die Familie“, sagt sie. Nun ist sie seit einer guten Woche bei „Too Good To Go“dabei und stellt täglich zwei bis drei Tüten übrig gebliebener Brezen und Semmeln zusammen. Der normale Verkaufswert liege bei rund sechs Euro, über die App können Kunden die Backwaren für zwei Euro bekommen. Eine Stunde vor Ladenschluss mache sie das, das reiche locker, die Tüten gingen sofort weg. Müssen die hauseigenen Hühner nun darben? „Nein“, sagt Bozdam und lacht. „Für die lasse ich trotzdem noch etwas übrig.“
Auf Nachhaltigkeit achtet Larbi Hatim seit vielen Jahren. Er ist Chef des gegenüber der Glacis-Galerie gelegenen orientalischen Restaurants „Smalah“, welches im vergangenen Herbst eröffnete. Zuvor betrieb Hatim am selben Standort für fünf Jahre das „Chez Sara“, ein Restaurant mit gehobener französischer Küche. „Wir haben schon seit fünf, sechs Jahren keine Plastik-Strohhalme mehr“, sagt er. „Außerdem geben wir den Kundinnen und Kunden ihr Essen ausschließlich in wiederverwertbaren Vytal-Schalen mit, die sie kostenlos innerhalb von zehn Tagen zurückbringen können. So wollen wir unnötigen Müll vermeiden.“Hatim betont: „Wir machen das nicht für Werbung, sondern weil wir davon überzeugt sind.“
Somit sei es logisch, dass sie kürzlich auch bei „Too Good To Go“eingestiegen seien. Für sechs, neun oder zwölf Euro können Kundinnen und Kunden nun über die App die überschüssigen Gerichte bestellen, ein Drittel des Preises, der im Restaurant fällig wäre. „Wir kaufen täglich ein, beispielsweise zehn Bund frische Minze, ein wichtiger Bestandteil orientalischer Küche“, sagt Hatim. Im Laufe des Tages sehe er dann, wie viele Gerichte übrig bleiben könnten und gibt die Information weiter. „Anschließend können die Kunden ihr Essen bei uns abholen.“
Der Imbiss „Grüne Insel“aus Ulm ist schon etwas länger dabei, knapp zwei Monate sind es mittlerweile. Geschäftsführer Gerard Connor ist von dem Müllvermeidungskonzept begeistert: „Ich wollte kein Essen wegwerfen und mit der App bleibt nun gar nichts mehr übrig.“Auch wenn es sich meist nur um eine Mahlzeit handelt: Übrig gebliebene Mittagessen, die er sonst für 7,50 Euro anbietet, können nach Ladenschließung zwischen 14.45 Uhr und 15 Uhr für 2,50 Euro abgeholt werden. Einzige Voraussetzung: Kundinnen und Kunden müssen ihr Mahl am Abend zuvor über „Too Good To Go“reserviert haben.
Neben Bäckereien und Restaurants wollen Supermärkte und Hotels etwas gegen Lebensmittelverschwendung tun; so auch das Hotel Schiefes Haus in Ulm. „Wir bieten unseren Hotelgästen ein Frühstücksbuffet an“, sagt Geschäftsführer Harald Altstetter. Hin und wieder komme es natürlich vor, dass Lebensmittel übrig blieben.
Das wiederum werde dann den Verantwortlichen der App gemeldet, die es dann den Nutzerinnen und Nutzern weitergeben. „Der Pauschalpreis bei uns liegt bei vier Euro“, fügt Altstetter hinzu. Der eigentliche Wert läge indes um einiges höher.