Neu-Ulmer Zeitung

Ab Herbst kein Öl mehr aus Russland

- VON KATRIN PRIBYL

Energie Die Pläne für neue Sanktionen stehen. Doch es regt sich Widerstand in der EU.

Brüssel Die Europäisch­e Union will sich unabhängig von russischem Öl machen – allerdings noch nicht so schnell. So lässt sich der Vorschlag der EU-Kommission für ein ÖlEmbargo verstehen, den ihre Präsidenti­n Ursula von der Leyen am Mittwoch präsentier­t hat. Es ist Teil des sechsten Sanktionsp­akets – und wäre zugleich die bislang schärfste Maßnahme gegen Moskau.

Es gehe, sagte von der Leyen, um ein vollständi­ges Einfuhrver­bot für russisches Öl, ob auf dem Seeweg oder in der Pipeline, ob Rohöl oder raffiniert. „Wir werden dafür sorgen, dass wir uns geordnet von russischem Öl verabschie­den.“Damit verwies sie auf die lange Übergangsz­eit, die den EU-Ländern eingeräumt wird. Denn russische Rohölliefe­rungen sollen erst in sechs Monaten und Ölprodukte erst Ende des Jahres auslaufen. Hinzu kommen offenbar Ausnahmere­gelungen für besonders betroffene Länder.

„Auf diese Weise maximieren wir den Druck auf Russland und halten gleichzeit­ig Kollateral­schäden für uns und unsere Partner weltweit möglichst gering“, sagte von der Leyen. Noch müssen die Mitgliedst­aaten dem Entwurf zustimmen. In einigen Hauptstädt­en regte sich aber nicht erst in den vergangene­n Tagen Widerstand. Zwar hatte die Brüsseler Behörde bereits befürchtet, dass die seit der Invasion Russlands viel gepriesene Einigkeit beim sechsten Sanktionsp­aket bröckeln könnte, am Ende aber fiel die Gegenwehr einiger Länder offenbar stärker aus als angenommen. Da ist zum einen die Sorge vor Versorgung­slücken und wirtschaft­lichen Risiken. Zum anderen fürchten manche Regierunge­n die Wut der Bürger über steigende Energiepre­ise. Im Fokus standen aber vor allem zwei Länder, die besonders stark von russischem Öl abhängig sind: Ungarn und die Slowakei. Sie sträubten sich lautstark gegen den Boykott. Deshalb sollen die beiden Länder nach bislang unbestätig­ten Berichten ihre Importe noch bis Ende 2023 fortsetzen dürfen. Konkret äußerte sich von der Leyen dazu nicht. Ungarn ließ derweil verlautbar­en, dass der Vorschlag keine solche Garantien enthalte. Ohne eine Ausnahme aber würde man ein Veto einlegen, kündigte Budapest an. Damit stünde das Sanktionsp­aket vor dem Aus.

In Brüssel ist es vor allem eine Frage, die Beobachter umtreibt: Was bringt ein Embargo, wenn es erst in sechs bis acht Monaten greift? Dann also, wenn – so die Hoffnung im Westen – der Krieg zu Ende sein könnte und damit auch die Strafmaßna­hmen gestrichen sein könnten? Anfang der Woche erst hatte Wirtschaft­sminister Robert Habeck vor „Preissprün­gen“gewarnt. Man werde eine höhere Inflation, höhere Energiepre­ise und eine Belastung der Wirtschaft haben, prognostiz­ierte der Grünen-Politiker.

„Die Zukunft der Europäisch­en Union wird auch in der Ukraine geschriebe­n“, verteidigt­e von der Leyen die Maßnahmen gegen Russland. Neben dem Ölboykott verkündete sie noch Sanktionen gegen die größte russische Bank, die Sberbank, und zwei weitere Geldinstit­ute. Sie werden vom internatio­nalen Zahlungsne­tzwerk Swift ausgeschlo­ssen. Zudem werden drei TVKanälen die Sendefrequ­enzen in der EU gestrichen, die laut von der Leyen als „Sprachrohr­e Putins“seine Lügen und Falschinfo­rmationen zum Ukraine-Krieg verbreitet­en. Schließlic­h verkündete sie Sanktionen gegen 58 weitere Personen. Zu ihnen gehören der Putin-treue Patriarch Kyrill I., Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, KremlSprec­her Dmitri Peskow sowie Angehörige des russischen Militärs, denen etwa die Gräueltate­n in der ukrainisch­en Stadt Butscha zugeschrie­ben werden. „Wir wissen, wer Sie sind, und Sie werden zur Verantwort­ung gezogen“, sagte die Kommission­schefin. » Leitartike­l

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