Der Herr über die Netze
Porträt Strom, Gas, Glasfaser: Klaus Müllers Behörde ist eine der mächtigsten im Lande. Im Zweifel muss sie entscheiden, wer noch warm duschen darf.
Bundesnetzagentur, das klingt so aufregend wie der Name Klaus Müller. Der 51-Jährige ist neuerdings Chef der Behörde, deren Macht jedoch nicht unterschätzt werden sollte. Müller, so war der Plan, sollte den Weg für die Energiewende mit ausgebauten Strom- und Bahnnetzen ebnen und die Digitalisierung mit neuen Glasfasern und gestopften Funklöchern voranbringen. Nun aber ist sein Fokus ein anderer. Denn die Netzagentur reguliert auch das Gasnetz. Wegen Deutschlands Erdgas-Abhängigkeit von Russland gilt seit Ende März die Frühwarnstufe eines Notfallplanes. Im „Notfall“würde Müllers Behörde die Gasverteilung übernehmen. Und damit entscheiden, welche Firmen ihre Produktion einstellen oder drosseln müssen.
Aktuell wäre das „unendlich schwer“, so sagte es Müller im
April. Deshalb sammelt seine Behörde nun Daten: Wer produziert was mit wie viel Gas? Wie sind die Lieferketten, was ist zwingend nötig? Spätestens im Herbst, so sagt Müller, sei seine Behörde in der Lage, „die am wenigsten schädlichen Entscheidungen zu treffen“.
Viel Zeit hat Müller, der verheiratet ist und zwei Töchter hat, auch zu Beginn seiner Karriere nicht verloren. Aus Wuppertal zog er 1992 für das Studium der Volkswirtschaft nach Kiel und 1998, mit 27 Jahren und frisch erworbenem Diplom, für die Grünen in den Bundestag ein. Zwei Jahre später ging er als Umweltminister zurück nach Kiel, als Deutschlands jüngster Minister.
Der steile Aufstieg nahm nach dem Ende der rotgrünen Regierung in SchleswigHolstein eine Wendung: 2006 legte Müller sein Landtagsmandat nieder und wechselte zur Verbraucherzentrale NRW. Dort arbeitete er sich hoch, von 2014 bis Februar 2022 war er Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes und brachte wegen des DieselSkandals eine Musterfeststellungsklage gegen Volkswagen auf den Weg – das Handelsblatt nannte ihn gar „VWs Albtraum“.
Die Schlagzeilen nach einem Zeit-Interview im April klangen jedoch nicht so, als ob Müller in der Gaskrise in erster Linie Verbraucher schützen wolle. „Sauna-Verbot möglich!“fasste die Bild zusammen. Im Podcast „Lage der Nation“erklärte Müller, dass er von einer Situation gesprochen habe, in der es bereits Einschränkungen in der Industrie gäbe. Private Verbraucher wären vor Kürzungen erst einmal ohnehin gesetzlich geschützt. Doch in der Notsituation müsse man die Frage stellen: „Ist es uns wichtiger, nach wie vor Gas für Saunas, große Single-Wohnungen oder zehn Mal die Woche warm duschen zu verwenden, wenn ich dann nicht mehr Dinge produzieren kann, die womöglich für unser tagtägliches Leben wichtig sind?“
Noch fließt Gas aus Russland. Und wenn Deutschlands Speicher rechtzeitig gefüllt sind und Putins Gas ersetzt ist, muss Klaus Müller die Frage vielleicht gar nicht mehr beantworten. Jakob Stadler