Der Ukraine‐Krieg schweißt die Ampel zusammen
Klausurtagung Nach einem ersten Durchhänger versuchen SPD, Grüne und FDP auf Schloss Meseberg den Geist des Aufbruchs wiederzufinden. Russlands Überfall dampft Differenzen ein.
Berlin Dynamisch schreitet das Dreigestirn vom Schlosshof in Meseberg auf das schwere Tor zu. Die Kameras klicken – klack, klack, klack. Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner sind die Chefs der Bundesregierung. Das Bild der Macht, knüpft an den Anfang an. Vor einem guten halben Jahr wollten sie einen Aufbruch starten. Seinerzeit schritten sie schon einmal. Das war zur Unterzeichnung des Koalitionsvertrages, der die Grundlage für ein neues Deutschland legen sollte – grüner, gerechter, moderner. Doch zwei Corona-Wellen und ein Krieg ließen den Vertrag zu Altpapier werden.
Die neue Regierung muss zwei Welt-Krisen bestehen, was zeitweise eine innere Krise auslöste. Anderthalb Tage hat die Ministerriege nun auf dem Barockschloss im Brandenburgischen nach dem Geist des Anfangs gesucht. Der Stimmung hat das gutgetan. Die Herren scherzen lächelnd miteinander, bevor sie die Ergebnisse der Klausur bekannt geben. Viel Neues gibt es nicht. Terminals für Flüssiggas sollen schneller gebaut, russischen Oligarchen soll leichter die Villa eingefroren werden, und endlich soll jeder in Deutschland schnelles Internet bekommen. Finanzminister Lindner (FDP) freut sich über die gelöste Atmosphäre. „Das gehört ja auch dazu in schwierigen Zeiten.“
Die aufgehellte Stimmung hat viel damit zu tun, dass der Kanzler seiner SPD die Lieferung von Panzern an die Ukraine abgetrotzt hat. Der Druck ist seitdem gewichen, der sich ab Ende März aufgebaut hatte. Sie hatten richtig Knatsch in der Ampel. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) enttäuschte seine Fans. Eine eigene Mehrheit für die Impfpflicht konnte nicht geschmiedet werden. Das zweite Entlastungspaket gegen die Preissprünge bei Diesel, Benzin und Brennstoffen geriet zu einem milliardenschweren Wünsch-dir-Was für die eigene Klientel. Der Tankrabatt traf auf das Neun-Euro-Ticket. Die SPD haderte mit ihrer Russlandpolitik. Und Olaf Scholz zog sich in sein
Kanzleramt zurück und ließ mehr Fragen offen, als er beantwortete. Seit kurzem ist der Kanzler präsenter, bemüht sich darum, seine Politik zu erklären. Wegen der zugesagten Lieferung der Flugabwehr-Panzer wirkt Scholz nicht mehr wie der Zögerer und Zauderer. Intern stimmte der Eindruck nie. Scholz führt die Koalition, wie von Grünen und FDP bestätigt wird. Seine kämpferische Rede zum 1. Mai ist in Berlin als Ansage begriffen worden, nicht länger Vize-Kanzler Habeck als oberstem Regierungserklärer die Öffentlichkeit zu überlassen.
Für den Wirtschaftsminister von den Grünen läuft es. Er hat die Abhängigkeit von russischer Energie schneller gelockert als erwartet. Als Lohn führt er die Rangliste der beliebtesten Politiker an. Lindner erfährt manchmal aus der Zeitung, was sich Habeck an neuen Entlastungen und Förderungen ausgedacht hat, die der Finanzminister dann bezahlen soll. Überhaupt steckt der FDP-Vorsitzende in schwieriger Lage, die aber erst im zweiten Halbjahr unangenehm für ihn wird. Denn der 43-Jährige hat sich darauf festgelegt, dass ab 2023 die Schuldenbremse des Grundgesetzes wieder eingehalten werden soll. Sie limitiert das Defizit im Etat auf wenige Milliarden.
Lindner ist die unumstrittene Nummer eins der Liberalen, auch wenn die Umfragen mit neun Prozent derzeit nicht berauschen. Sein Bekenntnis zur Schuldenbremse hörte sich nach der Klausurtagung schon etwas weniger fest an. „Deshalb ist unsere Erwartung, dass die Staatsfinanzen einen Schritt Richtung Normalisierung gehen können“, meinte er. Die Regierungsmannschaft hat natürlich 70 Kilometer vor den Toren Berlins auch über das Geld gesprochen.
„Sie sehen also eine (…) vollständig geschlossene Regierung“, resümierte der Bundeskanzler die Tagung. Am Schlosstor war er zuvor von einem Journalisten gelockt worden, der nach der vermeintlich schlechten Stimmung fragte. Der Krieg in der Ukraine hat die Ampel zunächst getrennt, zuletzt aber verbunden. Der Epochenbruch ist so gewaltig, dass einerseits dahinter die Differenzen zwischen SPD, Grünen und FDP unter dem Glas der Geschichte zusammenschrumpfen.
Andererseits bedingt Putins Überfall gerade den Streit um Symbolpolitik, weil Deutschland nicht aktiv in die Gefechte eingreifen will. Dann wird energisch geholzt und gestritten, ob das Tempolimit auf deutschen Autobahnen den Kreml schwächt. In diesem Spannungsverhältnis dürfte es weitergehen.