Neu-Ulmer Zeitung

„Heute ist ein bitterer Tag“

- VON ULI BACHMEIER

Analyse CSU-Chef Markus Söder zeigt sich „erschütter­t“über angebliche Drohungen seines zurückgetr­etenen Generalsek­retärs gegenüber einem Journalist­en. Nun braucht er einen neuen. Aber die Personalde­cke der Partei ist dünn.

München Die schlechte Laune steht Markus Söder ins Gesicht geschriebe­n, als er am Mittwoch in der CSUParteiz­entrale vor die Presse tritt. Sorgenfalt­en auf der Stirn, kein freundlich­es Lächeln zur Begrüßung, angespannt, ohne jede Leichtigke­it. „Heute ist ein bitterer Tag“, sagt Söder. Keine vier Minuten dauert es, dann hat der CSU-Vorsitzend­e gesagt, was aus seiner Sicht zum überrasche­nden Rücktritt seines erst vor rund zwei Monaten frisch bestellten Generalsek­retärs Stephan Mayer zu sagen war. Für Nachfragen steht Söder in diesem Moment nicht zur Verfügung. Der CSU-Chef leidet – und mit ihm seine Partei, die diesen Frühling eigentlich dazu nutzen wollte, um im Jahr vor der Landtagswa­hl wieder Tritt zu fassen. Der neue Generalsek­retär hätte dabei die Schlüsselr­olle spielen sollen. Jetzt ist der Posten vakant und auf den ersten Blick drängt sich weit und breit niemand auf, der die Anforderun­gen für diese Rolle erfüllt.

Söders kurze Botschaft an diesem Vormittag ist zweigeteil­t. Da ist zum einen die menschlich­e Seite der Affäre, die die CSU am Tag zuvor wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf. Er sei, so sagt Söder, „persönlich sehr betroffen“. Er berichtet über „ein sehr langes und auch ein sehr menschlich­es Gespräch“, das er am Vortag gemeinsam mit CSULandesg­ruppenchef Alexander Dobrindt mit Mayer geführt habe. Dabei habe Mayer ihn „eindringli­ch gebeten“, ihn aus gesundheit­lichen Gründen von seinem Amt als Generalsek­retär zu entbinden. „Es geht ihm tatsächlic­h nicht gut“, sagt Söder. Später fügt er noch an: „Es ist ein Stück weit eine menschlich­e Tragödie, die da dahinterst­eht.“

Zum anderen versucht Söder, den politische­n Schaden zu begrenzen, der durch Mayers mutmaßlich­e Drohung gegen einen Journalist­en der Zeitschrif­t Bunte entstanden ist. Der Reporter Manfred Otzelberge­r hatte über ein uneheliche­s Kind des

Altöttinge­r Bundestags­abgeordnet­en berichtet, das von Mayer verheimlic­ht werde. Die Reaktion des Generalsek­retärs soll, wie berichtet, über alle Maßen heftig ausgefalle­n sein. Der Anwalt des Burda-Verlags, in dem die Bunte erscheint, warf Mayer vor, er habe den Journalist­en in einem Telefonat massiv bedrängt und ihn mehrfach mit dem Satz bedroht: „Ich werde Sie vernichten.“

Von einer derartigen Redeweise distanzier­t sich Söder in seiner Erklärung am Mittwochvo­rmittag mit eindeutige­n Worten. „Ich sage es ausdrückli­ch und ganz klar: Die dabei wohl gefallenen Worte sind in keinster Weise zu akzeptiere­n, sind völlig unangemess­en und auch ein indiskutab­ler Stil.“Er sei über das, was er gehört habe, „erschütter­t“gewesen. So etwas sei „nicht Stil der CSU und meiner sowieso nicht“, sagt Söder. Das Presse-Statement ist damit beendet. Söder tritt ab.

Für den CSU-Vorsitzend­en ist es mit diesen Klarstellu­ngen allerdings nicht getan. Nach einem aufwendige­n Umbau des Kabinetts zu Jahresbegi­nn, in dessen Zusammenha­ng auch das Amt des Generalsek­retärs neu besetzt wurde, beginnt die schwierige Suche nach dem richtigen Mann oder der richtigen Frau wieder von vorne.

Welche Bedeutung das Amt in der CSU hat, zeigt schon ein Blick in die Historie der Partei. Fünf ehemalige Generalsek­retäre wurden später Parteichef oder Ministerpr­äsident: Franz Josef Strauß, Max Streibl, Edmund Stoiber, Erwin Huber und Markus Söder. Die meisten anderen stiegen in bedeutende Ministeräm­ter im Bund oder in Bayern auf – zum Beispiel Friedrich Zimmermann, Anton Jaumann, Gerold

Tandler, Otto Wiesheu, Thomas Goppel, Christine Haderthaue­r, Karl-Theodor zu Guttenberg, Alexander Dobrindt, Andreas Scheuer und zuletzt Mayers Vorgänger Markus Blume, den Söder im Frühjahr zum bayerische­n Wissenscha­ftsministe­r machte.

Über freies politische­s Personal dieses Kalibers aber verfügt die CSU aktuell offenbar nicht. Das räumen in Hintergrun­dgespräche­n führende Männer und Frauen in der Partei mehr oder weniger offen ein. Wen man auch anruft, überall heißt es, dass kein Kandidat oder keine Kandidatin in Sicht sei, der oder die auch nur annähernd alle Anforderun­gen dieses „komplexen Amtes“erfüllen könne. Die bewährten Kräfte in der Landespoli­tik säßen allesamt in München im Kabinett. Würde Söder eine Ministerin oder einen Minister von dort abziehen, zum Beispiel Florian Herrmann (Staatskanz­lei), Klaus Holetschek (Gesundheit), Michaela Kaniber (Landwirtsc­haft) oder Ulrike Scharf (Soziales), käme das dem Eingeständ­nis gleich, dass sonst niemand mehr da ist, der ausreichen­d Standfesti­gkeit, Erfahrung und Durchsetzu­ngskraft mitbringt. Gleichzeit­ig verbiete es sich, „ein junges Talent“zu holen, wie das früher, als die Zeiten für die CSU noch besser waren, manchmal praktizier­t wurde. „Eineinhalb Jahre vor einer so wichtigen Landtagswa­hl“, so sagt ein Mitglied des Parteivors­tands, „können wir es uns nicht leisten, jemanden in die Lehre zu schicken.“

Die Spekulatio­nen innerhalb der CSU richten sich am Mittwoch deshalb in erster Linie auf die Mitglieder der Landesgrup­pe im Bundestag. An erster Stelle werden dort Unions-Fraktionsv­ize Dorothee Bär (zuletzt Staatsmini­sterin für Digitales) aus Unterfrank­en und der Münchner Abgeordnet­e Florian Hahn (aktuell „internatio­naler Sekretär der CSU“) genannt. Beide dienten der Partei bereits als stellvertr­etende Generalsek­retäre. „Die wüssten zumindest schon mal, wo der Schreibtis­ch steht“, sagt ein CSU-Vorstand. Hoffnungen macht sich angeblich auch der oberfränki­sche Abgeordnet­e Thomas Silberhorn, der bereits in zwei Bundesmini­sterien (Entwicklun­g und Verteidigu­ng) Parlamenta­rischer Staatssekr­etär war. Mit dem Brustton der Überzeugun­g aber wird in den Reihen des CSU-Vorstands für keinen dieser drei möglichen Kandidaten geworben. Auch eine Besetzung „von außen“wird für möglich gehalten. Zuletzt hatte Söder den Deggendorf­er Landrat Christian Bernreiter zum Bauministe­r gemacht.

Ob ein CSU-Generalsek­retär so wie früher ein „politische­r Haudrauf“sein muss, ist in der Partei durchaus umstritten. Gedankenst­ark und Talkshow-tauglich müsse er aber auf jeden Fall sein. Er dürfe sich auch nicht davor scheuen, mal „die Narrenkapp­e aufzusetze­n“. Und im besten Fall müsste er in der Lage sein, Inhalte zu bestimmen, eine Strategie zu formuliere­n und eine Kampagne zu entwerfen. „Im Moment“, so sagt ein Vorstand, „haben wir all das noch nicht.“

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Foto: Peter Kneffel, dpa Sorgenfalt­en auf der Stirn, kein Lächeln zur Begrüßung – Markus Söder sah man die schlechte Laune an, als er am Mittwoch vor die Presse trat, um sich zum Rücktritt seines Generalsek­retärs Stephan Mayer zu äußern.
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Stephan Mayer

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