Warnung vor dem Priester
Eine gute Tarnung ist alles. Das wussten schon die Griechen, die sich vor Troja in einem hölzernen Pferd versteckten, um einen Krieg zu gewinnen. Das wusste Jesus, der vor falschen Propheten warnte, die sich als Schafe verkleideten, obwohl sie doch reißende Wölfe seien. Am Grundsatz des Tarnens und Täuschens hat sich seither nicht viel verändert – nur die Gründe dafür sind heute deutlich profaner, geht es eigentlich fast immer schlichtweg um das Ergaunern von Geld.
Der moderne Vertreter der Verkleidungskünstler – strafrechtlich: Betrüger – braucht dafür kein Pferd aus Holz oder einen Pelzmantel, meistens genügt ihm eine abenteuerliche Geschichte, die so unglaublich klingt, dass sie schon wieder glaubhaft ist, obwohl sie schon zigfach erzählt wurde. Jedenfalls machen falsche Polizisten, lange verschollene Enkel oder vermeintliche Handwerker seit Jahren fette Beute. Da war es fast schon erfreulich ungewöhnlich, die Geschichte des Engländers zu lesen, der sich als Priester ausgab, um sich in die Kaserne der königlichen Leibgarde einzuschleichen, um mit den Soldaten zu speisen, zu trinken, zu plaudern und bei ihnen zu nächtigen – bis der Schwindel aufflog.
Hierzulande ist demnächst wieder mit plumperen Lügnern zu rechnen. Hintergrund ist die Volkszählung, offiziell Zensus 2022 genannt, für die ab Mitte Mai rund 20.000 Interviewer durch den Freistaat tingeln, an mehr als einer halben Million Türen klingeln und überall dieselben unverfänglichen Fragen stellen. Schon im Vorfeld warnt das Landesamt für Statistik vor betrügerischen Trittbrettfahrern. Wenn Sie also demnächst ein vermeintlicher Zensus-Beauftragter nach Kontodaten, Bargeld oder Kunstwerken im Haus fragt, rufen Sie die Polizei. Statt eines staatlichen Statistik-Abgesandten steht vermutlich eine Art Geschichten erzählender Priester im trojanischen Wolfsmantel vor der Tür.