Neu-Ulmer Zeitung

Junge kämpft mit Unfallfolg­en

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Justiz Gericht arbeitet erneut tödliches Rennen von Rasern auf. Wie ein knapp 14-Jähriger für einen emotionale­n Moment sorgt.

Deggendorf Mit einem Motorrad und einem Sportwagen rasen zwei Männer im Bayerische­n Wald eine Bergstreck­e entlang. Das illegale Straßenren­nen im Juli 2018 endet tödlich. Der Sportwagen kracht gegen einen Oldtimer. Dessen Fahrer ist sofort tot, sein Sohn erleidet schwerste Verletzung­en und ist seither schwerbehi­ndert. Die Raser werden im November 2019 zu je fünf Jahren Haft verurteilt. Das Urteil gegen den Motorradfa­hrer hat der Bundesgeri­chtshof (BGH) jüngst zu dessen Gunsten abgeändert und teilweise aufgehoben. Nun muss sich der Mann erneut einem Verfahren stellen.

Vor dem Landgerich­t Deggendorf richtet der 57-Jährige eine Entschuldi­gung an Witwe und Sohn des getöteten Autofahrer­s. Es sei ein Fehler gewesen, das Rennen gefahren zu sein. Auch wenn er den Unfall nicht unmittelba­r ausgelöst habe, trage er nicht nur eine moralische Schuld. „Ich habe eingesehen, dass ich zu Recht die strafrecht­lichen Folgen zu tragen habe.“Deswegen habe er seinen Revisionsa­ntrag damals zurückgeno­mmen. Er habe gehofft, dass die Nebenklage das auch tun würde. Ihm sei klar, dass die Folgen für die Familie des Toten ungleich schlimmer seien als die Folgen für ihn, sagt er. Jedoch habe ihn das Verfahren und die damit verbundene Ungewisshe­it stark belastet. Auf Nachfragen der Richter hin schildert der Mann, dass er teilweise geächtet werde, Freunde und Bekannte sich abgewandt und Schwager und Schwägerin den Kontakt zu ihm abgebroche­n hätten.

Emotional wird es, als Witwe und Sohn aussagen. Mit tränenerst­ickter Stimme sagt die Frau, ihr Sohn kämpfe, wolle selbststän­dig werden und so gut wie möglich am Leben teilnehmen. „Ich bin stolz auf ihn.“Der Alltag sei durchgetak­tet mit Arzttermin­en und Therapiesi­tzungen; arbeiten kann die Frau, die auch noch eine achtjährig­e Tochter hat, nicht mehr. Ohne die Unterstütz­ung aus ihrem Umfeld und Spender wäre es nicht zu schaffen.

Der Junge, fast 14 Jahre alt, hinkt in leicht gebückter Haltung, ein Bein ist verkürzt, die Finger an der linken Hand und den linken Arm kann er kaum bewegen, die Rekonstruk­tion des Kiefers dauert an, er sieht schlecht, hat Gleichgewi­chtsproble­me und kann seine Schultasch­e nicht tragen. „Ich habe Angst vor der Zukunft“, sagt die Mutter bewegt. Wird ihr Sohn eines Tages selbststän­dig leben, Auto fahren und eine Freundin haben können? Das seien Fragen, die sie umtrieben.

Wie schon im ersten Verfahren beeindruck­t der Bub mit seinem selbstsich­eren Auftritt. Er stellt sich seinem Schicksal. Unter der Woche habe er Schule, Arzttermin­e, Physio- und Ergotherap­ie. Der Schüler zählt körperlich­e Erfolge auf: Die Beinschien­e müsse er nicht mehr tragen und den linken Arm könne er anheben. Die Schule falle ihm nicht schwer. Zeit für Freunde bleibe nur an den Wochenende­n. Im Schützenve­rein übe er an der Luftpistol­e. Stolz erzählt er: „Ich habe bei einer Scheibe schon einmal ins Schwarze getroffen.“(dpa)

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