Ein Herrscher räumt auf
Sparkurs Bislang lebten die rund 15.000 Mitglieder des saudischen Königshauses in Saus und Braus. Doch der umstrittene Kronprinz Mohammed bin Salman nimmt sie nun an die kurze Leine.
Riad Villen in Südfrankreich, Luxusjachten, ein Heer von Hausangestellten: Ein Leben in Saus und Braus genießen tausende Angehörige des saudischen Königshauses dank vieler Vergünstigungen und großzügiger Überweisungen aus der Staatskasse. Jetzt nimmt Kronprinz Mohammed bin Salman, der starke Mann des Golfstaates, die Verwandtschaft an eine kürzere Leine. Er streicht Privilegien und führt neue Steuern ein. Etliche Superreiche müssen deshalb Besitz abstoßen: Immobilien und Luxusgüter im Wert von einer halben Milliarde Euro sollen bereits verkauft worden sein.
Die Königsfamilie ist weit verzweigt. Der Gründer des modernen Saudi-Arabien, Abdulaziz Ibn Saud, hatte schätzungsweise tausend Enkel. Heute zählen rund 15.000 Menschen zur Familie. Vielen von ihnen garantiert die verwandtschaftliche Nähe zu den Herrschern in Riad großen Wohlstand. Ölexporte bringen dem Land mehr als 300 Milliarden Euro im Jahr ein.
Mitglieder des Königshauses erhalten je nach ihrer Stellung in der Hierarchie staatliche Zahlungen, die umgerechnet hunderttausende Euro im Monat erreichen können, wie US-Diplomaten in Saudi-Arabien laut Wikileaks beobachteten. Allein dieser Geldsegen koste den Staat jährlich Milliardensummen, berichtet das Wall Street Journal. Außerdem profitieren manche Prinzen von millionenschweren ExtraÜberweisungen, etwa als Hochzeitsgeschenk oder als Zuschuss für den Bau eines Palastes. Lukrative Jobs bei Staatsunternehmen und Vergünstigungen wie eigene Krankenhausflügel mit Fünf-Sterne-Service gehören ebenfalls dazu.
Der Reichtum der Royals ärgert saudische Normalbürger außerhalb des Königshauses. Mehrmals in der Vergangenheit wurden deshalb Privilegien wie Gratis-Tickets für die staatliche Fluggesellschaft gestrichen. Trotzdem ist noch genug Geld da. Vor einigen Jahren geriet ein saudischer Prinz in die Schlagzeilen, weil er auf einem Linienflug 80 Sitzplätze für seine Jagdfalken kaufte. In Paris und London legten sich saudische Prinzen und Prinzessinnen luxuriöse Eigentumswohnungen in bester Lage zu.
Dieses sorgenfreie Leben ist in Gefahr, seit Mohammed bin Salman, ein Sohn des 86-jährigen Königs Salman, im Jahr 2017 zum Thronfolger aufrückte. Kurz nach seiner Ernennung zum Kronprinzen ließ MBS, wie der heute 36-Jährige genannt wird, rund 400 Mitglieder der Königsfamilie und Geschäftsleute in einem Luxushotel in Riad internieren. Sie mussten sich mit hohen Summen freikaufen, einige wurden misshandelt.
Offiziell diente die Aktion der Korruptionsbekämpfung, doch mindestens ebenso wichtig war die Entschlossenheit von MBS, potenzielle Rivalen aus dem Weg zu räumen. Der Kronprinz ist in Teilen der Königsfamilie unbeliebt, weil er Saudi-Arabien auf die Zeit nach dem Ende der Ölförderung vorbereiten will und dafür einen teuren Umbau des Staates anstrebt. Der von MBS begonnene Krieg im Jemen verschlingt ebenfalls Milliarden. Kurz nach den Internierungen in Riad protestierten elf Prinzen gegen die
Entscheidung des Thronfolgers, Strom- und Wasserrechnungen in den Palästen der Königsfamilie nicht mehr aus der Staatskasse zu bezahlen. Sie wurden festgenommen.
Indem er Privilegien streicht, steigert MBS seine Popularität in der saudischen Bevölkerung, deren Rückhalt er für seine Reformen braucht. Vor kurzem führte er eine Sondersteuer für Arbeitgeber von Hausangestellten ein: Wenn ein Privathaushalt mehr als vier Angestellte hat, müssen die Hausherren für jeden Bediensteten ab dieser Schwelle 2400 Euro im Jahr an den Staat abführen. Weil einige Prinzen mehrere Dutzend Dienstmädchen, Gärtner, Köche und Fahrer beschäftigen, kann das ins Geld gehen.
Die steigenden Ausgaben zwingen immer mehr Prinzen dazu, sich von Luxusgütern zu trennen. Auffällig viele Wohnungen, Gemälde und Jachten saudischer Besitzer würden in letzter Zeit verkauft, meldete das Wall Street Journal. Die Gesamtsumme betrage bisher knapp 570 Millionen Euro. Die Verkäufer besorgen sich damit nicht nur Bares. Sie hoffen auch, dass sie mit ihrer relativen Bescheidenheit dem nächsten Feldzug von MBS gegen mutmaßliche Konkurrenten um die Macht entgehen können: „Diese Leute arbeiten nicht, sie haben viele Angestellte – und sie haben Angst vor dem Kronprinzen“, zitierte das Blatt einen Gewährsmann.
Bei sich selbst spart MBS offenbar nicht. Zum persönlichen Besitz des Thronfolgers gehören ein Bild von Leonardo da Vinci, das er für 430 Millionen Euro ersteigerte, eine Superjacht für 380 Millionen und ein Schloss in Frankreich im Wert von 280 Millionen. „Reich zu sein ist kein Verbrechen“, sagte MBS einmal in einem Interview. „Korrupt zu sein ist ein Verbrechen.“Und er selbst sei „super sauber“.