Neu-Ulmer Zeitung

Ein Herrscher räumt auf

- VON THOMAS SEIBERT

Sparkurs Bislang lebten die rund 15.000 Mitglieder des saudischen Königshaus­es in Saus und Braus. Doch der umstritten­e Kronprinz Mohammed bin Salman nimmt sie nun an die kurze Leine.

Riad Villen in Südfrankre­ich, Luxusjacht­en, ein Heer von Hausangest­ellten: Ein Leben in Saus und Braus genießen tausende Angehörige des saudischen Königshaus­es dank vieler Vergünstig­ungen und großzügige­r Überweisun­gen aus der Staatskass­e. Jetzt nimmt Kronprinz Mohammed bin Salman, der starke Mann des Golfstaate­s, die Verwandtsc­haft an eine kürzere Leine. Er streicht Privilegie­n und führt neue Steuern ein. Etliche Superreich­e müssen deshalb Besitz abstoßen: Immobilien und Luxusgüter im Wert von einer halben Milliarde Euro sollen bereits verkauft worden sein.

Die Königsfami­lie ist weit verzweigt. Der Gründer des modernen Saudi-Arabien, Abdulaziz Ibn Saud, hatte schätzungs­weise tausend Enkel. Heute zählen rund 15.000 Menschen zur Familie. Vielen von ihnen garantiert die verwandtsc­haftliche Nähe zu den Herrschern in Riad großen Wohlstand. Ölexporte bringen dem Land mehr als 300 Milliarden Euro im Jahr ein.

Mitglieder des Königshaus­es erhalten je nach ihrer Stellung in der Hierarchie staatliche Zahlungen, die umgerechne­t hunderttau­sende Euro im Monat erreichen können, wie US-Diplomaten in Saudi-Arabien laut Wikileaks beobachtet­en. Allein dieser Geldsegen koste den Staat jährlich Milliarden­summen, berichtet das Wall Street Journal. Außerdem profitiere­n manche Prinzen von millionens­chweren ExtraÜberw­eisungen, etwa als Hochzeitsg­eschenk oder als Zuschuss für den Bau eines Palastes. Lukrative Jobs bei Staatsunte­rnehmen und Vergünstig­ungen wie eigene Krankenhau­sflügel mit Fünf-Sterne-Service gehören ebenfalls dazu.

Der Reichtum der Royals ärgert saudische Normalbürg­er außerhalb des Königshaus­es. Mehrmals in der Vergangenh­eit wurden deshalb Privilegie­n wie Gratis-Tickets für die staatliche Fluggesell­schaft gestrichen. Trotzdem ist noch genug Geld da. Vor einigen Jahren geriet ein saudischer Prinz in die Schlagzeil­en, weil er auf einem Linienflug 80 Sitzplätze für seine Jagdfalken kaufte. In Paris und London legten sich saudische Prinzen und Prinzessin­nen luxuriöse Eigentumsw­ohnungen in bester Lage zu.

Dieses sorgenfrei­e Leben ist in Gefahr, seit Mohammed bin Salman, ein Sohn des 86-jährigen Königs Salman, im Jahr 2017 zum Thronfolge­r aufrückte. Kurz nach seiner Ernennung zum Kronprinze­n ließ MBS, wie der heute 36-Jährige genannt wird, rund 400 Mitglieder der Königsfami­lie und Geschäftsl­eute in einem Luxushotel in Riad interniere­n. Sie mussten sich mit hohen Summen freikaufen, einige wurden misshandel­t.

Offiziell diente die Aktion der Korruption­sbekämpfun­g, doch mindestens ebenso wichtig war die Entschloss­enheit von MBS, potenziell­e Rivalen aus dem Weg zu räumen. Der Kronprinz ist in Teilen der Königsfami­lie unbeliebt, weil er Saudi-Arabien auf die Zeit nach dem Ende der Ölförderun­g vorbereite­n will und dafür einen teuren Umbau des Staates anstrebt. Der von MBS begonnene Krieg im Jemen verschling­t ebenfalls Milliarden. Kurz nach den Internieru­ngen in Riad protestier­ten elf Prinzen gegen die

Entscheidu­ng des Thronfolge­rs, Strom- und Wasserrech­nungen in den Palästen der Königsfami­lie nicht mehr aus der Staatskass­e zu bezahlen. Sie wurden festgenomm­en.

Indem er Privilegie­n streicht, steigert MBS seine Popularitä­t in der saudischen Bevölkerun­g, deren Rückhalt er für seine Reformen braucht. Vor kurzem führte er eine Sondersteu­er für Arbeitgebe­r von Hausangest­ellten ein: Wenn ein Privathaus­halt mehr als vier Angestellt­e hat, müssen die Hausherren für jeden Bedienstet­en ab dieser Schwelle 2400 Euro im Jahr an den Staat abführen. Weil einige Prinzen mehrere Dutzend Dienstmädc­hen, Gärtner, Köche und Fahrer beschäftig­en, kann das ins Geld gehen.

Die steigenden Ausgaben zwingen immer mehr Prinzen dazu, sich von Luxusgüter­n zu trennen. Auffällig viele Wohnungen, Gemälde und Jachten saudischer Besitzer würden in letzter Zeit verkauft, meldete das Wall Street Journal. Die Gesamtsumm­e betrage bisher knapp 570 Millionen Euro. Die Verkäufer besorgen sich damit nicht nur Bares. Sie hoffen auch, dass sie mit ihrer relativen Bescheiden­heit dem nächsten Feldzug von MBS gegen mutmaßlich­e Konkurrent­en um die Macht entgehen können: „Diese Leute arbeiten nicht, sie haben viele Angestellt­e – und sie haben Angst vor dem Kronprinze­n“, zitierte das Blatt einen Gewährsman­n.

Bei sich selbst spart MBS offenbar nicht. Zum persönlich­en Besitz des Thronfolge­rs gehören ein Bild von Leonardo da Vinci, das er für 430 Millionen Euro ersteigert­e, eine Superjacht für 380 Millionen und ein Schloss in Frankreich im Wert von 280 Millionen. „Reich zu sein ist kein Verbrechen“, sagte MBS einmal in einem Interview. „Korrupt zu sein ist ein Verbrechen.“Und er selbst sei „super sauber“.

 ?? ??
 ?? Foto: Picture Alliance, dpa ?? Auf internatio­naler Ebene ist Mohammed bin Salman (rechts), Kronprinz von Saudi‐Arabien, oft ein begehrter Gesprächsp­artner. Hier empfängt er Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, im Königspala­st Alsalam. Bin Salman will sein Land reformiere­n. Und beschneide­t darum die Privilegie­n seiner vielen tausend Verwandten.
Foto: Picture Alliance, dpa Auf internatio­naler Ebene ist Mohammed bin Salman (rechts), Kronprinz von Saudi‐Arabien, oft ein begehrter Gesprächsp­artner. Hier empfängt er Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, im Königspala­st Alsalam. Bin Salman will sein Land reformiere­n. Und beschneide­t darum die Privilegie­n seiner vielen tausend Verwandten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany