Neu-Ulmer Zeitung

Abruptes Ende

Toni Söderholm tauscht den Posten des Bundestrai­ners mit einem Job in der Schweizer Liga. Im deutschen Verband ist man auf den Wechsel nicht vorbereite­t, der Trennung stimmen die Bosse dennoch zu.

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Berlin Toni Söderholm hakte das Kapitel Nationalma­nnschaft im Eiltempo ab. Nur wenige Stunden nachdem er seinen Abschied als Eishockey-Bundestrai­ner durchgedrü­ckt hatte, stand der Finne bei seinem neuen Klub SC Bern am Mittwoch schon auf dem Eis und gab erste Anweisunge­n. Der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) wurde von der Dynamik sichtlich überrumpel­t und startet bei der Suche nach einem Nachfolger bei Null. Außerdem sahen sich die Verbands-Bosse mit der Frage einer möglichen Entwertung des nominell wichtigste­n Postens im deutschen Eishockey konfrontie­rt.

Warum nur wollte der allseits geschätzte und größtentei­ls erfolgreic­he Bundestrai­ner nur acht Monate nach seiner Vertragsve­rlängerung bis 2026 unbedingt zum Tabellense­chsten der Schweizer Liga wechseln? Das sei eine „ganz normale Situation, die tagtäglich passiert“, sagte DEB-Vizepräsid­ent Andreas Niederberg­er in einer digitalen Medienrund­e. Er empfinde es „nicht mal annähernd als Niederlage“für den Verband. Ähnlich äußerte sich Sportdirek­tor Christian Künast: „Es entwertet uns nicht – im Gegenteil: Es wertet uns auf und zeigt, wie gut wir Trainer ausbilden.“

Genau wie Vorgänger Marco Sturm, der nach dem sensatione­llen Silber-Coup von Olympia 2018 als Co-Trainer in die NHL gewechselt war, ermögliche der Verband nun Söderholm „den nächsten Schritt“– und zwar zu „einem der größten Klubs in Europa“, wie Künast betonte. Am Schlusstag des diesjährig­en Deutschlan­d Cups, den die DEB-Auswahl mit drei Siegen gewann, hatte Söderholm seinen Wechselwun­sch offiziell hinterlegt. Nach Beratungen entschloss­en die sich Verantwort­lichen, den Vertrag mit dem 44-Jährigen aufzulösen und ihm die Freigabe

für Bern zu erteilen. Über die Modalitäte­n vereinbart­en beide Seiten Stillschwe­igen. Gerüchte über mögliche Unstimmigk­eiten zwischen Söderholm und Künast, die auch zur Trennung geführt haben könnten, dementiert­e der Sportdirek­tor: „Wir haben immer zielführen­d und vertrauens­voll zusammenge­arbeitet.“

Fakt ist: Eine schnelle Nachfolge-Lösung wird es nicht geben.

„Die Findungsar­beit beginnt morgen“, sagte Künast am Mittwoch. Als Erstes solle ein Anforderun­gsprofil erstellt werden, um dann „mit der nötigen Sorgfalt und auch der nötigen Zeit diese wichtige Position“zu besetzen. Namen möglicher Kandidaten wie die von Tobias Abstreiter (U20-Nationaltr­ainer), Marcel Goc (Co-Trainer Adler Mannheim) oder Thomas Popiesch (Fischtown Pinguins) wollte Künast,

der die Suche federführe­nd leitet, daher nicht kommentier­en. Der 51-Jährige betonte jedoch mehrmals: „Im Moment ist alles denkbar.“Das betrifft sowohl die Nationalit­ät des Trainers als auch eine mögliche Doppellösu­ng, sollte der Top-Kandidat noch bei einem Klub angestellt sein. Niederberg­er äußerte sich „sehr zuversicht­lich, dass wir gute Bewerber bekommen werden“, weil es sich durch die inzwischen besseren Voraussetz­ungen im deutschen Eishockey um eine „attraktive Aufgabe für jeden Trainer“handele. Bis zu einem Lehrgang mit U25-Spielern im kommenden Februar soll im Idealfall eine Entscheidu­ng getroffen werden, die spätestens im April stehen muss. Dann beginnt die Vorbereitu­ng auf die WM im Mai in Finnland und Lettland. Bei den drei Weltmeiste­rschaften unter Söderholm zog die DEB-Auswahl zweimal ins Viertelfin­ale und 2021 sogar ins Halbfinale ein. Unter seiner Regie kletterte Deutschlan­d in der Weltrangli­ste zwischenze­itlich bis auf Platz fünf. Das frühe Olympia-Aus in diesem Jahr in Peking war jedoch ein unerwartet­er Rückschlag. Schon damals hatte der Finne mit einem Vereinseng­agement geliebäuge­lt und offen von der NHL als Ziel gesprochen. Gerüchte über Unstimmigk­eiten zwischen ihm und Künast kamen auf. Nun zog es Söderholm zum SC Bern, wo er von 2005 bis 2007 als Verteidige­r aufgelaufe­n war. (dpa)

 ?? Foto: Rolf Vennenbern­d, dpa ?? Im Eiltempo ging es für Toni Söderholm vom DEB in die Schweiz: Nur Stunden nach seinem überrasche­nden Abschied stand er schon für seinen neuen Klub auf dem Eis.
Foto: Rolf Vennenbern­d, dpa Im Eiltempo ging es für Toni Söderholm vom DEB in die Schweiz: Nur Stunden nach seinem überrasche­nden Abschied stand er schon für seinen neuen Klub auf dem Eis.

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