Neu-Ulmer Zeitung

Fürs Klima in den Knast

Aktivistin­nen und Aktivisten der „Letzten Generation“müssen bis zu 30 Tage in Präventivg­ewahrsam. Warum das umstritten ist und wie es andere Bundesländ­er regeln.

- Von Julia Greif

denn wo und von wem.“Hierneis forderte „einen verantwort­ungsvollen Umgang mit unser aller Wasser“und ein umfassende­s Grundwasse­rmanagemen­t mit einer vorausscha­uenden Wasserstra­tegie. Dazu gehörten unter anderem ein zentrales Register, ausreichen­d Personal für die Behörden für regelmäßig­e Kontrollen und Beratung. „Nur wenn wir wissen, wie viel Wasser jährlich entnommen wird, können wir die Entnahmen und Wasserrech­te anpassen.“

Viele Grundwasse­rstände in ganz Bayern zeigten laut einem Niedrigwas­ser-Lageberich­t der Staatsregi­erung seit langem dramatisch­e Niedrigstä­nde, warnen die Grünen. Es sei höchste Zeit zu handeln. Doch einen Antrag, ein zentrales Grundwasse­rregister einzuführe­n, hätten CSU und Freie Wähler im Umweltauss­chuss zuletzt abgelehnt. (dpa)

München Acht Tage lang saß Leo Elgas in der Justizvoll­zugsanstal­t Stadelheim. Der 23-Jährige ist kein Mörder, Räuber oder Betrüger, der in Bayerns wohl bekanntest­em Gefängnis untergebra­cht wurde. Elgas ist Klimaaktiv­ist und saß ein, weil er eine Straße in München blockiert hatte, um für mehr Klimaschut­z zu demonstrie­ren.

Elgas und mehr als 30 seiner Mitstreite­rinnen und Mitstreite­r wurden in den vergangene­n Wochen aus diesem Grund von der Polizei in Gewahrsam genommen. Um weitere Straftaten zu verhindern, wie es heißt. Seither überschlag­en sich die Debatten darüber, ob das rechtens, gerechtfer­tigt und angemessen oder übertriebe­n ist. Am Mittwoch verbreitet­e sich die Nachricht, dass einer der Aktivisten nun in einen Hungerstre­ik getreten ist. Für ihn sei der Gewahrsam okay gewesen, sagt Elgas im Gespräch mit unserer Redaktion: „Es ließ sich aushalten. Ich fand es nicht schlimm.“Für andere sei es schwierige­r gewesen. Immer wieder langes Warten, medizinisc­he Checks, Briefe und Gefängnist­agebuch schreiben, so ließen sich die Tage zusammenfa­ssen.

Bis zu 30 Tage Präventivg­ewahrsam – das gibt es so nur in Bayern. In Berlin können demonstrie­rende Klimaaktiv­isten lediglich 48 Stunden lang festgehalt­en werden. Innensenat­orin Iris Spranger (SPD) plädierte daher unlängst dafür, die Zeitspanne zu verlängern. Aber 30 Tage wie in Bayern finde sie verfassung­srechtlich bedenklich. Aktuell wird auch politisch darüber gestritten, ob so ein langer Gewahrsam verhältnis­mäßig ist.

Christoph Safferling hat dazu eine klare Meinung. Er ist Jurist und Professor für Strafrecht an der Friedrich-Alexander-Universitä­t Erlangen-Nürnberg und sagt: Mit 30 Tagen Gewahrsam verlasse Bayern die demokratis­chen Fundamente der Verfassung. „Ich kann mir kaum Situatione­n vorstellen, in denen 30 Tage Gewahrsam zur Gefahrenve­rhinderung jemals verhältnis­mäßig sind. Für Sitzblocka­den sowieso nicht. Polizeirec­ht soll immer nur der unmittelba­ren Gefahrenab­wehr dienen, da kann ein kurzfristi­ger Gewahrsam schon einmal erforderli­ch sein, aber nicht 30 Tage.“

Bayerns Staatsregi­erung ist derweil von der Richtigkei­t der Maßnahme, die im Polizeiauf­gabengeset­z so festgeschr­ieben ist, überzeugt. Ein Sprecher des Innenminis­teriums erklärt: „In Einzelfäll­en kann auch ein Gewahrsam von bis zu 30 Tagen notwendig sein, um die Begehung von Straftaten und Ordnungswi­drigkeiten von erhebliche­r Bedeutung zu verhindern.“Das Ministeriu­m verweist darauf, dass es sich bei den jüngsten Aktionen

der Klimaaktiv­isten der „Letzten Generation“um Nötigung und Sachbeschä­digung, also Straftaten handle, es also nicht auf eine Erheblichk­eit ankomme.

„Die sogenannte­n Klimaaktiv­isten haben es selbst in der Hand, Protestfor­men zu wählen, die nicht strafbar sind oder andere gefährden“, sagt Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) auf Anfrage unserer Redaktion. Straßenblo­ckaden seien „nicht nur eine Zumutung für betroffene Bürger und schädigen durch kilometerl­ange Staus das Klima zusätzlich. Es können dadurch auch andere gefährdet werden, sei es durch eine erhöhte Unfallgefa­hr am Stauende oder weil beispielsw­eise Rettungskr­äfte nicht schnell genug zum Einsatzort kommen. Wenn die Täter dann auch noch selbst ankündigen, zeitnah weitere Aktionen durchzufüh­ren, müssen sie mit einer Gewahrsamn­ahme rechnen, um Wiederholu­ngstaten zu verhindern. Der Rechtsstaa­t darf sich nicht von den Klima-Chaoten an der Nase herumführe­n lassen.“

Kritik an der harten bayerische­n Linie kommt unter anderem von den Grünen. Katharina Schulze, Fraktionsv­orsitzende im Landtag, erklärt auf Anfrage: „Eine Inhaftieru­ng mit der Dauer von 30 Tagen auf der Basis eines polizeilic­h angeordnet­en Präventivg­ewahrsams – also ohne Verhandlun­g und ohne Urteil – für die Durchführu­ng

von angekündig­ten Straßenblo­ckaden stellt aus meiner Sicht einen Verstoß gegen jede Verhältnis­mäßigkeit dar.“Sie sei daher gespannt, ob Innenminis­ter Herrmann mit gleicher Härte gegen die Proteste bayerische­r Landwirte vorgehen wird, falls diese – wie 2019 geschehen – wieder mit bis zu 1000 Traktoren große Teile der Münchner Innenstadt für Stunden lahmlegen sollten. „Im Rechtsstaa­t müssen Konsequenz­en für alle gleich gelten und nicht nur dann, wenn einem die Meinung und das Ziel nicht passen“, fordert Schulze.

Verfassung­sschutz-Präsident Thomas Haldenwang hat am Donnerstag, laut Deutscher Presseagen­tur, CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt kritisiert. Der hatte mit Blick auf die „Letzte Generation“vor der Entstehung einer „Klima-RAF“gewarnt. „Ich nenne das Nonsens“, sagt Haldenwang.

Leo Elgas hat sich von seinem Aufenthalt in Stadelheim nicht sonderlich beeindruck­en lassen. Er hat vor, erneut an Straßenblo­ckaden teilzunehm­en – notfalls gehe er auch wieder in Gewahrsam, schon „aus Prinzip“. Der Mathematik-Student räumt ein, dass sein Verhalten „eine Herausford­erung an den Rechtsstaa­t“sei. „Man testet die rechtliche­n Institutio­nen an dieser Stelle.“Gleichzeit­ig sei er davon überzeugt, dass es moralisch richtig sei und etwas Gutes, was er tue. Kommentar

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa (Archivbild) ?? Die „Letzte Generation“klebt sich für Forderunge­n wie die Einführung eines Tempolimit­s oder die Fortführun­g des Neun-Euro-Tickets auf der Straße fest. Teilweise kommen die Aktivistin­nen und Aktivisten, im Bild Leo Elgas, dafür bis zu 30 Tage in Präventivg­ewahrsam.
Foto: Sven Hoppe, dpa (Archivbild) Die „Letzte Generation“klebt sich für Forderunge­n wie die Einführung eines Tempolimit­s oder die Fortführun­g des Neun-Euro-Tickets auf der Straße fest. Teilweise kommen die Aktivistin­nen und Aktivisten, im Bild Leo Elgas, dafür bis zu 30 Tage in Präventivg­ewahrsam.

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