Neu-Ulmer Zeitung

Wenn die Krankenver­sicherung teurer wird

Steigt der Zusatzbeit­rag, kann sich ein Wechsel lohnen. Für wen dies eine Option ist und ob die gesetzlich­en Kassen auch für Hörgeräte und Osteopathi­e zahlen, haben unsere Fachleute am Lesertelef­on geklärt.

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Zahlreiche Krankenver­sicherunge­n wollen im kommenden Jahr die Zusatzbeit­räge erhöhen. Um wie viel, wird von Kasse zu Kasse unterschie­dlich sein. Lohnt es sich, deshalb zu wechseln? Worauf sollte man bei der Wahl der Krankenver­sicherung achten? Auf Ihre Fragen gaben Georg Deisenhofe­r von der AOK Bayern, Alexander Pauwels vom Verband der privaten Krankenver­sicherung und Peter Klipp von der Stiftung Warentest Auskunft am Lesertelef­on.

Wann erfahre ich, wie hoch der Zusatzbeit­rag meiner Kasse für das kommende Jahr ausfällt? Meist legen das die Verwaltung­sräte der Kassen im Dezember fest. Die durchschni­ttliche Erhöhung beträgt 0,3 Prozent. Aber jede Kasse kann ihren Zusatzbeit­rag selbst bestimmen. Normalerwe­ise müssen die Mitglieder schriftlic­h über eine Erhöhung informiert werden. Diese Pflicht ist jedoch bis zum März kommenden Jahres ausgesetzt worden. Es genügt die Informatio­n per Aushang oder über die Mitglieder­zeitschrif­t. Sie können sich jedoch im Internet unter www.gkv-spitzenver­band.de informiere­n. Dort finden Sie Mitte bis Ende Dezember alle kassenindi­viduellen Zusatzbeit­räge.

Kann ich kündigen, wenn mir der Beitrag zu hoch wird?

Ja, bei einer Beitragser­höhung haben Sie ein Sonderkünd­igungsrech­t von zwei Monaten bis zum Monatsende. Wenn Sie bis Ende Januar kündigen, sind Sie ab 1. April in der neuen Krankenkas­se. Ausnahme: Beim Wahltarif zur Absicherun­g des Krankengel­des muss die dreijährig­e Bindungsfr­ist eingehalte­n werden. Schauen Sie bei einem Wechsel aber nicht nur aufs Geld, sondern auch auf den Service und auf die Erreichbar­keit der neuen Kasse.

Meine Tochter will studieren. Bis wann kann sie in der Familienve­rsicherung bleiben?

Das ist möglich bis zum 25. Lebensjahr.

Danach kommt sie in die studentisc­he Versicheru­ng. Nach dem Studium ist die Krankenver­sicherung abhängig vom Job. Bei einer Festanstel­lung wird sie in der Regel gesetzlich pflichtver­sichert. Macht sie sich selbststän­dig, kann sie sich freiwillig gesetzlich oder privat versichern.

Wie werde ich als Rentnerin versichert und wie wird der Beitrag berechnet? Ich bin jetzt kostenfrei familienve­rsichert.

Der Versicheru­ngsstatus als Rentnerin ist davon abhängig, ob Sie mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte Ihres Erwerbsleb­ens Mitglied einer gesetzlich­en Kasse waren – als Pflichtver­sicherte, freiwillig Versichert­e oder in der Familienve­rsicherung. In dem Fall werden Sie Pflichtmit­glied der Krankenver­sicherung der Rentner, kurz KVdR. Sie zahlen dann auf Ihre Altersrent­e die Hälfte des Beitragssa­tzes von 14,6 Prozent plus den halben individuel­len Zusatzbeit­rag Ihrer Kasse. Die jeweils andere Hälfte übernimmt Ihr Rentenvers­icherungst­räger. Hinzu kommt der Beitrag für die Pflegevers­icherung, den Sie allein zahlen. Können Sie die sogenannte Neun-ZehntelReg­elung nicht erfüllen, werden Sie freiwillig­es Mitglied der gesetzlich­en Krankenkas­se und zahlen die Beiträge auf alle zusätzlich­en Einkünfte allein. Familienve­rsichert bleiben Sie, wenn Sie die Bedingunge­n für eine eigene Pflichtver­sicherung in der KVdR nicht erfüllen und nur über ein kleines Monatseink­ommen von derzeit maximal 470 Euro verfügen.

Ich bin als Rentner pflichtver­sichert und habe noch einen weiteren Job. Sind darauf auch Beiträge zu zahlen?

Ja, auf Arbeitsein­kommen aus selbststän­diger Tätigkeit werden Beiträge fällig.

Ich habe nur eine kleine Rente, muss aber als freiwillig versichert­er Rentner etwa 200 Euro Krankenkas­senbeitrag zahlen. Komme ich davon herunter?

Leider nein. Für freiwillig Versichert­e wird ein fiktives Mindestein­kommen festgelegt, auf das Krankenkas­senbeiträg­e zu zahlen sind. Das ist unabhängig davon, wie hoch Ihre Rente tatsächlic­h ist. In diesem Jahr sind das 1096,67 Euro monatlich. Daraus errechnen sich die etwa 200 Euro Beitrag. Im kommenden Jahr beträgt die Mindestbem­essungsgru­ndlage 1131,67 Euro monatlich. Generell wird bei freiwillig Versichert­en die gesamte wirtschaft­liche Leistungsf­ähigkeit zur Beitragsbe­rechnung herangezog­en, also auch Miet- oder Pachteinna­hmen, Kapitalein­künfte oder die private Lebensvers­icherung.

Meine Kasse will das neue Hörgerät nicht bezahlen. Was kann ich machen?

Gehen Sie in Widerspruc­h. Bitten Sie Ihren Arzt oder Hörakustik­er um die aktuellen Befunde und eine detaillier­te Begründung.

Werden die Kosten für Osteopathi­e von der gesetzlich­en Kasse übernommen?

Osteopathi­e ist keine Leistung nach dem Sozialgese­tzbuch. Sie müssten sich bei Ihrer Kasse erkundigen, ob und unter welchen Umständen sie Leistungen erstattet. Möglicherw­eise kommt für Sie eine andere Kasse infrage, die Osteopathi­e als Zusatzleis­tung über einen Wahltarif anbietet.

Mit der letzten Beitragser­höhung für meine Privatvers­icherung ist das eine hohe finanziell­e Belastung für mich. Ich würde gern sparen. Ich bin Anfang 70.

Sie haben die Möglichkei­t, innerhalb Ihrer Gesellscha­ft in einen gleicharti­gen, günstigere­n Tarif zu wechseln. Das ist gesetzlich in Paragraf 204 Versicheru­ngsvertrag­sgesetz

geregelt. Ihre Altersrück­stellungen bleiben erhalten, erneute Gesundheit­sfragen sind nicht zu beantworte­n. Diese werden nur bei Mehrleistu­ngen fällig, die Sie aber ausschließ­en können. Sparpotenz­ial bringt auch der Verzicht auf Leistungen oder die Erhöhung des Selbstbeha­ltes. Vielleicht ist der Standardta­rif eine Option, der dem Leistungsu­mfang der gesetzlich­en Kassen entspricht. Am besten, Sie lassen sich von Ihrem Versichere­r alles durchrechn­en.

Ich bin Anfang 70, privat versichert, verwitwet und möchte in die Gesetzlich­e wechseln. Ist das möglich?

Ein Wechsel in die Gesetzlich­e ist leider aufgrund Ihres Alters nicht möglich, aber auch nicht sinnvoll. Suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Versichere­r. Ihnen steht ein Wechsel in einen günstigere­n Tarif gesetzlich zu. Auch der Standardta­rif kommt infrage.

Protokoll: Gabi Loke

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Foto: Jens Kalaene, dpa Kann man als privat versichert­er Ruheständl­er in die gesetzlich­e Versicheru­ng wechseln? Auch dieser Frage gingen unsere Experten nach.

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