Bäcker und Metzger schlagen Alarm: „Uns steht das Wasser bis zum Hals“
Wegen der enormen Kosten für Strom und Gas droht vor allem kleinen Betrieben in der Region das Aus. Die Preise für Brot und Fleisch dürften weiter steigen.
Ulm Bäcker und Metzger in der Region ächzen unter der enormen Last der Energiekosten. Dazu kommt bei vielen Betrieben die Ungewissheit, was nächstes Jahr wird. „Die Lage ist dramatisch“, sagte Marcus Staib, Obermeister der Bäckerinnung Ulm. Vor allem für kleinere Betriebe ist die Energiekrise existenzbedrohend. Müssen Verbraucherinnen und Verbraucher für Brot und Fleisch demnächst noch tiefer in die Tasche greifen?
In diesem Jahr habe es bereits zwei Preiserhöhungen von fünf bis sieben Prozent gegeben, erläuterte Staib bei einem Besuch der Bundestagsabgeordneten Marcel Emmerich (Grüne) und Ronja Kemmer (CDU) am Stammsitz der Ulmer Großbäckerei in Jungingen. Doch im Umsatz habe sich dies nicht in dieser Größenordnung niedergeschlagen. Das bedeute, dass entweder weniger Kundinnen und Kunden kommen oder dass sie weniger kaufen. Die Menschen reagierten sehr sensibel auf jede Preissteigerung. „Wir werden von den Kunden bestraft“, so Staib.
„Ob es nächstes Jahr weitere Preiserhöhungen geben wird, kann ich noch nicht sagen“, sagte der Geschäftsführer. Tom Schlotter,
Obermeister der Fleischerinnung Ulm, hat daran keinen Zweifel: „Todsicher“, prophezeite er im Kreise seiner Kollegen, die allesamt mit enormen Kostensteigerungen bei Strom und Gas zu kämpfen haben. „Uns steht das Wasser bis zum Hals“, schilderte es der Bäcker Uwe Stenzel aus Bernstadt (Alb-Donau-Kreis). „Es geht jetzt rein ums Überleben, sonst gar nichts.“
Metzger Schlotter aus Beimerstetten (Alb-Donau-Kreis) berichtete von Mehrkosten von 2300 Euro im Monat für Strom. Früher habe eine Metzgerei im Durchschnitt einen Gewinn von etwa 15 Prozent des Umsatzes gemacht. Jetzt bleibe fast nichts mehr übrig. „Ich muss froh sein, wenn ich dieses Jahr mit einer schwarzen Null rauskomme.“Schlotter überlegt, die Reißleine zu ziehen und seinen Betrieb zu schließen: „Ich habe mir eine Deadline für den 31. Dezember gesetzt.“In Ulm gebe es bereits jetzt keinen Metzger mehr, der dort produziere.
Auch im Bäckerhandwerk geht landesweit die Zahl der Betriebe zurück, wie Marcus Staib erläuterte. „Wir gehen davon aus, dass sich dieser Trend beschleunigt.“Im Landkreis Neu-Ulm hat erst Ende August die Bäckerei Dreihäupl geschlossen. Im Frühjahr gab die Bäckerei Aschenbrenner mit Niederlassungen in Burlafingen, Pfuhl, Offenhausen, Thalfingen und Söflingen auf. Diese wurden von Naukorn übernommen. In Kettershausen im Unterallgäu macht Ende des Jahres die Bäckerei Briller zu.
Marcus Staib räumt ein: „Wir größeren Betriebe profitieren, es sterben viele Handwerkskollegen weg.“Doch auch für eine Großbäckerei wie Staib ist die Energiekrise eine Gefahr.
Staib hat derzeit etwa 700 Beschäftigte in 65 Filialen, unter anderem in Ulm, Neu-Ulm, Senden und Vöhringen. Bei einem Verbrauch von 3,4 Millionen Kilowattstunden habe sein Unternehmen voriges Jahr 690.000 Euro für Strom bezahlt, dieses Jahr seien es 1,17 Millionen Euro. Das seien Mehrkosten von 480.000 Euro, „und da reden wir nur über den Strom“. Für Gas zahlte Staib bislang etwa 25.000 Euro im Monat.
Er sei dankbar dafür, dass die Politik eine Strompreisbremse beschlossen habe, doch er wisse momentan noch nicht, wo er stehe: „Zähle ich zur Industrie oder zu den kleinen und mittleren Betrieben? Wird jede Filiale separat gerechnet? Was gilt für mich ab Januar?“Für Staib steht fest: Die energieintensiven Handwerksbetriebe brauchen noch in diesem Jahr staatliche Unterstützung, denn:
„Es geht halt wirklich um die Existenz.“
„Der Bund nimmt 200 Milliarden Euro in die Hand“, sagte Marcel Emmerich zu den geplanten Maßnahmen der Bundesregierung. Die Strompreisbremse werde bei 40 Cent pro Kilowattstunde für kleinere und mittlere Unternehmen liegen sowie bei 13 Cent für Industriebetriebe, so der Bundestagsabgeordnete. Die Politik sei nun aufgefordert, die Maßnahmen zügig umzusetzen. Insgesamt sei die Lage derzeit aber entspannter als noch vor zwei Monaten. Auch wenn es noch viele Unsicherheiten gebe, sei schon vieles auf den Weg gebracht.
„Der Kittel brennt“, meinte Ronja Kemmer. „Prioritär ist, dass man den Brand jetzt löscht.“Der Preisdeckel sei an sich ein gutes Instrument, komme aber reichlich spät. Eine Senkung der Stromsteuer wäre ein Hebel, schlug die CDUPolitikerin vor. „Das würde schnell helfen.“Marcus Staib pflichtete der Bundestagsabgeordneten bei: „Das wäre das Allerwichtigste.“
„Bei uns und den Bäckern geht es um die Grundversorgung der Menschen“, machte Metzger Tom Schlotter deutlich. „Ich frage mich, wie die Politik reagieren würde, wenn es nichts mehr zu essen gäbe, wenn wir alle einfach mal eine Woche lang zumachen würden.“
Dankbar für die Strompreisbremse