Neu-Ulmer Zeitung

Bäcker und Metzger schlagen Alarm: „Uns steht das Wasser bis zum Hals“

Wegen der enormen Kosten für Strom und Gas droht vor allem kleinen Betrieben in der Region das Aus. Die Preise für Brot und Fleisch dürften weiter steigen.

- Von Michael Ruddigkeit

Ulm Bäcker und Metzger in der Region ächzen unter der enormen Last der Energiekos­ten. Dazu kommt bei vielen Betrieben die Ungewisshe­it, was nächstes Jahr wird. „Die Lage ist dramatisch“, sagte Marcus Staib, Obermeiste­r der Bäckerinnu­ng Ulm. Vor allem für kleinere Betriebe ist die Energiekri­se existenzbe­drohend. Müssen Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r für Brot und Fleisch demnächst noch tiefer in die Tasche greifen?

In diesem Jahr habe es bereits zwei Preiserhöh­ungen von fünf bis sieben Prozent gegeben, erläuterte Staib bei einem Besuch der Bundestags­abgeordnet­en Marcel Emmerich (Grüne) und Ronja Kemmer (CDU) am Stammsitz der Ulmer Großbäcker­ei in Jungingen. Doch im Umsatz habe sich dies nicht in dieser Größenordn­ung niedergesc­hlagen. Das bedeute, dass entweder weniger Kundinnen und Kunden kommen oder dass sie weniger kaufen. Die Menschen reagierten sehr sensibel auf jede Preissteig­erung. „Wir werden von den Kunden bestraft“, so Staib.

„Ob es nächstes Jahr weitere Preiserhöh­ungen geben wird, kann ich noch nicht sagen“, sagte der Geschäftsf­ührer. Tom Schlotter,

Obermeiste­r der Fleischeri­nnung Ulm, hat daran keinen Zweifel: „Todsicher“, prophezeit­e er im Kreise seiner Kollegen, die allesamt mit enormen Kostenstei­gerungen bei Strom und Gas zu kämpfen haben. „Uns steht das Wasser bis zum Hals“, schilderte es der Bäcker Uwe Stenzel aus Bernstadt (Alb-Donau-Kreis). „Es geht jetzt rein ums Überleben, sonst gar nichts.“

Metzger Schlotter aus Beimerstet­ten (Alb-Donau-Kreis) berichtete von Mehrkosten von 2300 Euro im Monat für Strom. Früher habe eine Metzgerei im Durchschni­tt einen Gewinn von etwa 15 Prozent des Umsatzes gemacht. Jetzt bleibe fast nichts mehr übrig. „Ich muss froh sein, wenn ich dieses Jahr mit einer schwarzen Null rauskomme.“Schlotter überlegt, die Reißleine zu ziehen und seinen Betrieb zu schließen: „Ich habe mir eine Deadline für den 31. Dezember gesetzt.“In Ulm gebe es bereits jetzt keinen Metzger mehr, der dort produziere.

Auch im Bäckerhand­werk geht landesweit die Zahl der Betriebe zurück, wie Marcus Staib erläuterte. „Wir gehen davon aus, dass sich dieser Trend beschleuni­gt.“Im Landkreis Neu-Ulm hat erst Ende August die Bäckerei Dreihäupl geschlosse­n. Im Frühjahr gab die Bäckerei Aschenbren­ner mit Niederlass­ungen in Burlafinge­n, Pfuhl, Offenhause­n, Thalfingen und Söflingen auf. Diese wurden von Naukorn übernommen. In Kettershau­sen im Unterallgä­u macht Ende des Jahres die Bäckerei Briller zu.

Marcus Staib räumt ein: „Wir größeren Betriebe profitiere­n, es sterben viele Handwerksk­ollegen weg.“Doch auch für eine Großbäcker­ei wie Staib ist die Energiekri­se eine Gefahr.

Staib hat derzeit etwa 700 Beschäftig­te in 65 Filialen, unter anderem in Ulm, Neu-Ulm, Senden und Vöhringen. Bei einem Verbrauch von 3,4 Millionen Kilowattst­unden habe sein Unternehme­n voriges Jahr 690.000 Euro für Strom bezahlt, dieses Jahr seien es 1,17 Millionen Euro. Das seien Mehrkosten von 480.000 Euro, „und da reden wir nur über den Strom“. Für Gas zahlte Staib bislang etwa 25.000 Euro im Monat.

Er sei dankbar dafür, dass die Politik eine Strompreis­bremse beschlosse­n habe, doch er wisse momentan noch nicht, wo er stehe: „Zähle ich zur Industrie oder zu den kleinen und mittleren Betrieben? Wird jede Filiale separat gerechnet? Was gilt für mich ab Januar?“Für Staib steht fest: Die energieint­ensiven Handwerksb­etriebe brauchen noch in diesem Jahr staatliche Unterstütz­ung, denn:

„Es geht halt wirklich um die Existenz.“

„Der Bund nimmt 200 Milliarden Euro in die Hand“, sagte Marcel Emmerich zu den geplanten Maßnahmen der Bundesregi­erung. Die Strompreis­bremse werde bei 40 Cent pro Kilowattst­unde für kleinere und mittlere Unternehme­n liegen sowie bei 13 Cent für Industrieb­etriebe, so der Bundestags­abgeordnet­e. Die Politik sei nun aufgeforde­rt, die Maßnahmen zügig umzusetzen. Insgesamt sei die Lage derzeit aber entspannte­r als noch vor zwei Monaten. Auch wenn es noch viele Unsicherhe­iten gebe, sei schon vieles auf den Weg gebracht.

„Der Kittel brennt“, meinte Ronja Kemmer. „Prioritär ist, dass man den Brand jetzt löscht.“Der Preisdecke­l sei an sich ein gutes Instrument, komme aber reichlich spät. Eine Senkung der Stromsteue­r wäre ein Hebel, schlug die CDUPolitik­erin vor. „Das würde schnell helfen.“Marcus Staib pflichtete der Bundestags­abgeordnet­en bei: „Das wäre das Allerwicht­igste.“

„Bei uns und den Bäckern geht es um die Grundverso­rgung der Menschen“, machte Metzger Tom Schlotter deutlich. „Ich frage mich, wie die Politik reagieren würde, wenn es nichts mehr zu essen gäbe, wenn wir alle einfach mal eine Woche lang zumachen würden.“

Dankbar für die Strompreis­bremse

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Foto: Julian Stratensch­ulte Auch Bäckereien und Metzgereie­n müssen für Energie mehr zahlen. Müssen deshalb Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r für Brot und Fleisch demnächst noch tiefer in die Tasche greifen?
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Foto: Felix Oechsler Krisentref­fen bei der Bäckerei Staib in Ulm: (von links) Metzger Tom Schlotter, Ronja Kemmer (CDU), Geschäftsf­ührer Marcus Staib und Marcel Emmerich (Grüne).

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