Neu-Ulmer Zeitung

Die Zeit wird knapp

Die Bundesregi­erung muss schon Verzögerun­gen beim Bürgergeld fürchten. Hausgemach­te Probleme gefährden nun auch die rechtzeiti­ge Einführung der Gas- und Strompreis­bremse.

- Von Stefan Lange

Berlin Der Wissenscha­ftliche Dienst des Bundestage­s hat gerade ein zweiseitig­es Papier zu den Begriffen „Preisdecke­l und Preisbrems­en“veröffentl­icht. Darin ist ein Diagramm zu den verschiede­nen sogenannte­n Energiekos­tenmaßnahm­en enthalten, die in Deutschlan­d und Europa diskutiert werden. Die Zeichnung ist relativ unübersich­tlich – und das beschreibt auch den Stand bei einem der aktuell wichtigste­n Projekte der Ampel-Koalition: Die Gas- und Strompreis­bremse soll kommen, verspricht die Regierung. Wann sie kommt, ist aber immer noch offen.

Ursprüngli­ch hätte die Bremse am Freitag als Beschlussv­orlage im Kabinett sein sollen. Eigentlich sogar sein müssen, wenn die Regierung ihrem eigenen Fahrplan gefolgt wäre. Anfang des Monats wurde ein Eckpunktep­apier mit einem genauen Zeitplan veröffentl­icht. Das beinhaltet­e einerseits Vorgaben für die Stufe 1, die Soforthilf­en für den Dezember, mit denen der Bund die Rechnung für den Dezemberab­schlag bei Gas und Fernwärme übernimmt. Sie sind beschlosse­ne Sache, passierten letzte Woche den Bundestag und am Montag den Bundesrat. Seit Donnerstag ist ein Online-Antragspor­tal freigescha­ltet, auf dem die rund 1500 Energielie­feranten und Wärmeverso­rgungsunte­rnehmen ihre Erstattung­santräge stellen können. Die Bürgerinne­n und Bürger müssen nicht aktiv werden.

Stufe 2 indes zündet nicht. Sie sollte die geplanten Gas-, Wärmeund Strompreis­bremsen in einem Gesetzgebu­ngsverfahr­en bündeln und am 18. November im Kabinett beschlosse­n werden. Dieser Zeitpunkt ist erkennbar verstriche­n, damit ist auch die nächste Vorgabe in Gefahr: der „Abschluss des parlamenta­rischen Verfahrens noch im Dezember 2022“.

Zu den Gründen für die Verzögerun­g schweigt sich die Regierung aus. Es gebe noch Abstimmung­sbedarf, heißt es. Angesichts der komplizier­ten Materie ist das einerseits nachvollzi­ehbar. So darf die deutsche Regelung zum Beispiel nicht gegen die EU-Bestimmung­en verstoßen. Die 46 Seiten des „Interinsti­tutionelle­n Dossiers 2022/0289(NLE)“aus Brüssel geben eine Ahnung, wie schwer das ist. Ein anderes Problem hat der Wissenscha­ftliche Dienst herausgear­beitet. Es geht um „die Frage, wie zielgenau diejenigen erreicht werden, die am meisten unter den hohen Energiepre­isen leiden, und wie sich die Maßnahmen mit möglichst wenig Aufwand umsetzen lassen“. Und es geht ums Geld. Die Preisbrems­en und -deckel sind hilfreich und bremsen die Inflation. Sie sind aber auch teuer.

Anderersei­ts hakt es innerhalb der Ampel-Koalition. Nachdem die von den Grünen ins Amt geholte Vize-Regierungs­sprecherin Christiane Hoffmann verkündet hatte, dass es mit der Kabinettsb­efassung am 18. November wohl nichts werde, verlautete aus dem Umfeld des grünen Wirtschaft­sministers Robert Habeck das Gegenteil. Später räumte Habeck öffentlich den Terminverz­ug ein.

Regierungs­sprecher Steffen Hebestreit bekräftigt­e am Freitag, es bleibe dabei, „diesen ehrgeizige­n Zeitplan“einzuhalte­n. Die Gespräche der Regierung liefen: „Und sie laufen sehr positiv“. Sollten die letzten Punkte geklärt sein, will die Ampel den Kabinettsb­eschluss per Umlaufverf­ahren herbeiführ­en. Dieses Verfahren wird angewendet, wenn besonderer Termindruc­k herrscht. Das Kabinett tritt nicht zusammen, sondern jedes Mitglied zeichnet schriftlic­h gegen. Dieses Verfahren geht schneller, eine mündliche Beratung oder gar Debatte scheidet jedoch aus.

Die Opposition hat schon länger den Verdacht, dass die Ampel auf eine längere Diskussion zu dem Thema nicht viel Wert legt. „Inkrafttre­ten gesetzlich­e Regelung bis Weihnachte­n 2022 zwingend“, heißt es in den Eckpunkten der Regierung zum Abschluss militärisc­h knapp. Damit das klappt, soll möglicherw­eise auf die parlamenta­rische Aussprache in erster Lesung im Bundestag verzichtet werden. CDU-Vize Andreas Jung betonte bereits, dass die Union ein beschleuni­gtes Verfahren grundsätzl­ich unterstütz­e. Eine Debatte im Parlament, forderte Jung, müsse aber gewährleis­tet sein. Denn die Gesetze macht immer noch der Bundestag, nicht die Regierung.

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Foto: Frank Rumpenhors­t, dpa Gas- und Strompreis­bremse sollen kommen. Die Frage ist bloß: wann? Der Herbst geht schon in den Winter über...

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