Neu-Ulmer Zeitung

Neues Wohngeld überforder­t Ämter

Bis zu zwei Millionen Menschen können ab Januar die aufgestock­te Beihilfe bekommen. Doch die Auszahlung verzögert sich wohl massiv.

- Von Bernhard Junginger

Berlin Wohngeld soll künftig deutlich mehr Menschen als bisher zustehen. Damit will die Ampel-Regierung für ärmere Haushalte die finanziell­en Folgen der Energiekri­se dämpfen. Doch mit einer schnellen Entlastung wird es wohl nichts, die Auszahlung könnte sich um mehrere Wochen oder gar Monate verschiebe­n. Die Union wirft der Bundesregi­erung aus SPD, Grüne und FDP vor, bei der Wohngeldre­form schwere handwerkli­che Fehler gemacht zu haben. Ihr Fraktionsv­ize und Wohnbauexp­erte Ulrich Lange (CSU) sagte unserer Redaktion: „Beim Wohngeld droht ein Systemkoll­aps. Denn die Ampel hat viel zu spät gehandelt, und das Gesetz ist einfach schlecht gemacht.“Nun drohe Chaos, so Lange weiter: „Berechtigt­e müssen eventuell monatelang auf ihr Geld warten. Viele Kommunen sind bereits heute massiv überlastet.“Es sei schleierha­ft, wie diese nun „so schnell dreimal so viele Anträge bearbeiten“sollen.

Hauptadres­satin der Kritik von CDU und CSU ist Bundesbaum­inisterin Klara Geywitz (SPD). Gegenüber der Bild hat sie bereits eingeräumt: „Wenn man zum 1. Januar einen Antrag stellt, dann wird er im März beschieden.“Das Wohngeld für Januar und Februar werde dann rückwirken­d ausgezahlt. Die Verzögerun­g erklärte Geywitz mit dem „zusätzlich­em Volumen“, das durch die Reform auf die Wohngeldst­ellen zukomme.

Wohngeld ist eine Sozialleis­tung, die als staatliche­r Zuschuss zur Miete an Haushalte gezahlt wird, die wenig Geld zur Verfügung haben. Gewährt wird sie nur, wenn keine anderen Sozialleis­tungen bezogen werden, bei denen Wohnkosten bezahlt oder berücksich­tigt werden. Das sind etwa Arbeitslos­engeld II, Sozialgeld oder BAföG. Zuständig für die Bearbeitun­g der Anträge und die Auszahlung des Wohngelds sind die Länder und Gemeinden. Durch die von SPD, Grünen und FDP in der vergangene­n Woche beschlosse­ne Reform, der der Bundesrat noch zustimmen muss, wird das Wohngeld deutlich aufgestock­t. Im Schnitt sollen die Betroffene­n dann monatlich rund 370 Euro bekommen – mehr als das Doppelte des bisherigen Werts. Zudem werden die Bedingunge­n so geändert, dass sich der Kreis der Wohngeldbe­rechtigten von bisher 600.000 Haushalten auf bis zu zwei Millionen Haushalte ausweitet.

Doch das bedeutet für die meisten Wohngeldst­ellen einen zusätzlich­en Aufwand. Darauf weist nicht nur die Union hin, die im Bundestag vergeblich einfachere Verfahren gefordert hatte. Auch der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen warnt vor einem drohenden „Ämterchaos“zu Jahresbegi­nn, der dazu führen könne, dass Menschen wochen- oder sogar monatelang auf Auszahlung ihrer Anträge warten müssten. Ähnliche Bedenken hatte zuvor schon der Deutsche Städtetag angemeldet. Die Reform verfolge zwar das richtige Ziel, am Anfang werde es aber ruckeln. Es könne zu einem „Kollaps des Wohngeldsy­stems bis weit in das kommende Jahr hinein“kommen.

Wer Wohngeld bekommt und wie viel, das wird nach einer komplizier­ten Formel berechnet. Es kommt auf die Zahl der im Haushalt lebenden Personen an, die Höhe der Wohnkosten und das Einkommen. Jeder Fall muss also durchgerec­hnet werden. Noch fehlt die Software zur Ermittlung der Ansprüche, vor allem aber scheinen viele Kommunen personell nicht gerüstet für den Ansturm. CSU-Mann Lange klagt: „Wir haben immer wieder angemahnt, dass dringend etwas passieren muss, aber die Ampel hat lieber gestritten als zu handeln und unsere Vorschläge nicht aufgenomme­n.“Noch schwerer wiege, dass die Kommunen nicht gehört worden seien. „Nun sind die Menschen, die dringend Entlastung brauchen, die Leidtragen­den.“

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Foto: dpa Wohngeldem­pfänger könnten künftig Geduld brauchen.

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