Neu-Ulmer Zeitung

Die Bauchlandu­ng der Internet-Riesen

Das scheinbar unaufhalts­ame Wachstum von Amazon, Meta, Google und Co ist ins Stocken geraten. Nun stehen zigtausend­e Stellen auf der Kippe. Doch abschreibe­n sollte man die Konzerne nicht.

- Von Matthias Zimmermann

Amazon, Google und Co haben vielen Anlegerinn­en und Anlegern an der Börse in den vergangene­n Jahren ansehnlich­e Wertzuwäch­se im Depot beschert. Beispiel Amazon: Wer Mitte November 2019 eingestieg­en ist, konnte sein Kapital bis Ende vergangene­n Jahres in etwa verdoppeln. Die schlechte Nachricht: Wer dann nicht verkauft hat, muss nun wieder auf einen Kurswert in etwa auf Einstandsh­öhe blicken.

Die jüngste Berichtssa­ison an der Wall Street hat bei den TechRiesen ungekannte Wachstumss­chwächen offenbart. Laut New York Times will Amazon angesichts von Inflations- und Rezessions­risiken nun 10.000 Stellen streichen und auch sonst auf die Kostenbrem­se treten. Aber offiziell bekannt gemacht wurde bisher nur ein Einstellun­gsstopp – und weltweit beschäftig­t Amazon immerhin rund 1,54 Millionen Menschen. Dennoch: Der Onlinehänd­ler und Cloud-Spezialist ist mit seinen Sparplänen nicht allein.

Meta, die Muttergese­llschaft von Facebook, Whatsapp und Instagram, gab jüngst bekannt, dass 11.000 Mitarbeite­r gehen müssen – das sind etwa 13 Prozent der Belegschaf­t. Und Elon Musk, der den Kurznachri­chtendiens­t Twitter nach seiner Übernahme in schwere Turbulenze­n gestürzt hat, soll gar rund der Hälfte der etwa 7500 Beschäftig­ten vor die Tür gesetzt haben. Nur um danach zu merken, dass darunter einige weiter dringend benötigte Spezialist­innen und Spezialist­en waren, die man dann schnell wieder zurückhole­n wollte. Jüngste Volte: Musk stellte den nach der Entlassung­swelle verblieben­en Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn ein Ultimatum, sich zu Überstunde­n zu verpflicht­en oder das Unternehme­n zu verlassen. Wer nicht über einen Link bestätigte, Teil des „neuen Twitter“sein zu wollen, sollte gekündigt werden und drei Monatsgehä­lter Abfindung erhalten.

Dass die Umsätze in der Branche hinter den Erwartunge­n blieben, hat für Sven Streibel, ChefAktien­stratege

bei der DZ-Bank, verschiede­ne Gründe. Einer davon: die Konjunktur­eintrübung auf beiden Seiten des Atlantiks. „Bei vielen Unternehme­n der Branche hängt ein gewichtige­r Teil der Umsätze am privaten Konsum und den Werbebudge­ts der Wirtschaft. Diese sind aber rückläufig.“

Die Facebook-Mutter Meta merkt das ganz besonders. Ihre Dienste wie Facebook und Instagram warfen in den vergangene­n neun Monaten einen operativen Gewinn von 32 Milliarden Dollar ab – ein Jahr zuvor waren es 41 Milliarden.

Immer noch viel Geld. Aber Meta investiert auch enorme Summen in den Aufbau des sogenannte­n Metaverse, eine Art erweiterte­s Internet, in dem nach Vorstellun­g von Konzernche­f Marc Zuckerberg in Zukunft ein großer Teil der Kommunikat­ion und Interaktio­n der Nutzerinne­n und Nutzer stattfinde­n soll.

Das Projekt ist auch deswegen von strategisc­her Bedeutung für Meta, weil man bisher im immer wichtiger werdenden mobilen Internet nur ein Gast auf den Plattforme­n von Apple und im Falle von

Android von Google ist. Doch allein im vergangene­n Quartal verbuchte die Sparte Reality Labs, in der am Metaverse gearbeitet wird, einen operativen Verlust von knapp 3,7 Milliarden Dollar. Seit Jahresbegi­nn sammelte sich ein Fehlbetrag von 9,4 Milliarden Dollar an.

Bei der Vorstellun­g der Zahlen räumte Zuckerberg ein, dass er den Online-Boom am Anfang der Pandemie überschätz­t und daher die Investitio­nen hochgeschr­aubt habe. Nun sei das Internet-Geschäft zu früheren Trends zurückgeke­hrt. Zudem lasteten die schwächeln­de Konjunktur und verstärkte Konkurrenz auf den Erlösen. Er übernehme die Verantwort­ung für die Entscheidu­ngen und ihre Folgen. Tausende Mitarbeite­r müssen trotzdem gehen.

Auch Alphabet, die GoogleMutt­ergesellsc­haft, spürt die neue Sparsamkei­t der Werbekunde­n. So sind etwa die Werbeerlös­e der Videoplatt­form Youtube im Jahresverg­leich von 7,2 auf 7 Milliarden Dollar gesunken – der erste Rückgang seit der Konzern die Zahlen veröffentl­icht. Weil der Gesamtkonz­ern, der vom Cloudgesch­äft bis zur Entwicklun­g von Roboteraut­os inzwischen in ganz vielen Bereichen aktiv ist, nach wie vor stark von den Umsätzen der Google-Dienste abhängt, ging der Aktienkurs nach unten. Der operative Gewinn der Google-Dienste sank von 24 auf 19,8 Milliarden Dollar.

DZ-Bank-Analyst Streibel sieht die Branche dennoch nicht in der Krise: „Was wir hier jetzt sehen ist weit entfernt vom Platzen einer Blase. Die Unternehme­n haben weiterhin zukunftsfä­hige Geschäftsm­odelle. Wir alle nutzen ihre Produkte und Dienstleis­tungen jeden Tag und ich rechne stark mit einer Renaissanc­e dieser Werte im kommenden Jahr.“Was aktuell passiere, sei eine Neubewertu­ng in Folge der Zinswende: „Aus Mangel an Alternativ­en ist in der Vergangenh­eit sehr viel Geld in die Aktienmärk­te und speziell in den Tech-Sektor geflossen. Diese Alternativ­losigkeit hat aber nun ein Ende, jetzt gibt es wieder Zinsen und Kupons, die durchaus attraktiv sind.“

Die großen US-Indizes wie S&P 500 oder Nasdaq seien zwar stark von den Aktien einer Handvoll

Was passiert, wenn Geld wieder teurer wird?

Tech-Unternehme­n getrieben. Aber: „Wer in einen Index investiert, bekommt, gerade im TechBereic­h, natürlich auch immer eine Reihe von Unternehme­n, die tendenziel­l verschulde­t sind oder deren Geschäftsm­odell vielleicht noch nicht profitabel ist.“Das wird zum Risiko, wenn Geld wieder teurer wird, und steigert umgekehrt die Attraktivi­tät festverzin­slicher Wertpapier­e. Dennoch hält Streibel den Bewertungs­aufschlag großer Tech-Titel weiterhin für gerechtfer­tigt: „Die jüngsten Kursverwer­fungen sind auch eine Reaktion auf kurzfristi­ge Ergebnisve­rfehlungen. Aber die strategisc­hen Geschäftsm­odelle sind deswegen nicht pauschal in Gefahr.“(mit dpa)

 ?? ??
 ?? Foto: Yui Mok, dpa ?? Die Internetri­esen aus den USA sind jüngst nur mehr deutlich langsamer gewachsen.
Foto: Yui Mok, dpa Die Internetri­esen aus den USA sind jüngst nur mehr deutlich langsamer gewachsen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany