Neu-Ulmer Zeitung

„Die WM wird Katar öffnen“

Der ehemalige Bundesliga-Trainer Winfried Schäfer arbeitet seit Jahren in dem Wüsten-Emirat. Er kritisiert die Haltung des Westens für manche Herangehen­sweise an den WM-Gastgeber.

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Samstag

MOTORRAD Superbike-WM Australien Eurosport, 6 Uhr 1. Rennen

SKI ALPIN Weltcup, Slalom Frauen Eurosport/BR, 9.45/10 Uhr 1. Lauf Eurosport/BR, 12.45/12.55 2. Lauf

FUSSBALL

Sport1, 13 Uhr Hallenturn­ier: Budenzaube­r Emsland

SAT.1, 17.30 Uhr U21-Testspiel: Italien – Deutschlan­d

SNOOKER UK Championsh­ip Eurosport, 14/22.30 Uhr Halbfinale

HANDBALL Bundesliga

ARD, 17.50 Uhr Magdeburg – Kiel

VOLLEYBALL Bundesliga Frauen Sport1, 18 Uhr Stuttgart – Schwerin

BAHNRAD Track Champions League Eurosport, 18.30 Uhr 1. Tag in Berlin

DARTS Grand Slam

Sport1, 20 Uhr Viertelfin­ale

Das aktuelle Sportstudi­o

ZDF, 23.30 Uhr u.a. Vorbericht­e zur WM in Katar

Sonntag

MOTORRAD Superbike-WM Australien Eurosport, 6 Uhr 2. Rennen

SKI ALPIN Weltcup, Slalom Frauen Eurosport/BR, 10/10.15 Uhr 1. Lauf Eurosport/BR, 13/13.15 Uhr 2. Lauf

DARTS Grand Slam

Sport1, 14 Uhr Halbfinale, 20 Uhr Finale

SNOOKER UK Championsh­ip Eurosport, 14.15/19.45 Uhr Finale

Formel 1 GP von Abu Dhabi Sky, 14 Uhr Das Rennen

EISHOCKEY DEL

Servus TV, 15.15 Uhr Bietigheim –Köln

AMERICAN FOOTBALL Pro7, ab 19 Uhr NFL

Herr Schäfer, Sie sind Kenner des Fußballs in Katar. Was trauen Sie in sportliche­r Hinsicht dem Gastgeber bei der Heim-WM zu?

Schäfer: Die Mannschaft wird sich schwertun. Obwohl das Land alles dafür getan hat, die Nationalma­nnschaft bestens vorzuberei­ten. Man hat die Liga vor Monaten gestoppt, ließ die Nationalsp­ieler wochenlang miteinande­r trainieren. Aber in den vergangene­n Jahren wurde ein entscheide­nder Fehler gemacht: Die Liga ist nicht ausgeglich­en genug. Die Nationalsp­ieler sind in zwei, drei Mannschaft­en zu finden, die ein so viel höheres Level haben als der Rest der Liga, sodass sie nie unter großem Druck spielen müssen. In der asiatische­n Champions League sieht man die Probleme eigentlich in jedem Jahr. Mannschaft­en, die die Katar-Liga dominieren, tun sich gegen die Teams aus dem Iran, den UAE, Saudi-Arabien und auch Usbekistan schwer.

Wie muss man sich die Arbeitsbed­ingungen als Trainer in Katar vorstellen?

Schäfer: Die Trainingsb­edingungen sind sehr gut. In Katar ist der Fußball zentralist­isch organisier­t. In manchen Bereichen ist das vorteilhaf­t, wie bei der medizinisc­hen Betreuung, die großartig ist. Die Trainingsp­lätze, Fitnessräu­me, die Betreuung der Spieler, all das ist auf hohem Niveau. Problemati­sch ist die zentrale Besoldung. Alle Gehälter werden vom Verband bezahlt, die Vereine haben ein vorgegeben­es Budget, das von der Tabellenpl­atzierung der vorangegan­genen Jahre abhängt. Die Topvereine haben aber ein nahezu unbegrenzt­es Budget, da die zuständige­n Scheichs sie nach Belieben unterstütz­en können. Als ich in Katar arbeitete, wurde ich durch den Präsidente­n des Vereins gebeten, den Abstieg zu verhindern. Das gelang uns durch harte Arbeit, die auch große Anerkennun­g erfuhr.

Welche Rolle spielt der Fußball im Leben der Kataris?

Schäfer: Eine große, weil der Staat Fußball als nationale Angelegenh­eit ausgegeben hat. Sie dürfen nicht vergessen, wie wichtig die politische Bedeutung der WM ist. Das wird in den Medien meines Erachtens nicht häufig genug erwähnt. Katar ist in einer sehr komplizier­ten Situation – ein sehr kleines Land, zwischen dem Iran und Saudi-Arabien. Saudi-Arabien denkt, Katar sollte Teil Saudi-Arabiens sein. Und der Iran hat traditione­ll gute, wenn auch schwierige Beziehunge­n zu Katar. Für Katar ist es sehr wichtig, internatio­nal wahrgenomm­en zu werden. Die WM ist da genauso wichtig wie das Engagement bei Paris St. Germain und die Hilfe bei Flügen aus Afghanista­n, um vor den Taliban flüchtende Menschen aus dem Land zu bringen. Betrachtet man die WM unter diesem Gesichtspu­nkt, hat Katar alles richtig gemacht. Heute kennt jeder Katar.

Aber vor der WM dominiert in der westlichen Berichters­tattung die Kritik über die Zustände in Katar. Wie wird das dort wahrgenomm­en?

Schäfer: Darüber wird eigentlich nicht gesprochen. Wenn man sich über solche Themen unterhält, dann eher in sehr vertrautem Kreis.

Ich kann sagen, dass man der Kritik zum Teil sehr offen begegnet. Wenn es beispielsw­eise um die Arbeiter geht. Zu Beginn war da viel Unverständ­nis. Zum einen, weil es eben Alltag ist, zum anderen, weil in all den Ländern der Region ähnliche Verhältnis­se herrschen. Und letztlich natürlich auch, weil man überrascht wurde. Der immense Bauboom, den wir in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten und Katar erlebten, wurde ja vom Westen tatkräftig begleitet. Westliche Unternehme­n waren maßgeblich an Bauprojekt­en beteiligt und haben sich nie beschwert. Das sieht man als Heuchelei. Aber natürlich ging man in den vergangene­n Jahren auf die Kritik ein und hat sich wirklich bemüht, die Umstände für die Arbeiter zu verbessern.

Und der Umgang mit Schwulen und Lesben?

Schäfer: LGBTQ ist ein anderes Thema. Ich denke, da muss man auch über die sehr unterschie­dliche Kultur des Privaten sprechen. In der Region ist die Privatsphä­re generell einfach viel bedeutende­r als im Westen. Man unterhält sich über die Familie im Allgemeine­n, sehr gerne über die Kinder und die Enkelkinde­r, die Großeltern, aber nicht über seine romantisch­en Beziehunge­n. Für die Region ist es unverständ­lich, und das ist nur mein Eindruck, weshalb die Zurschaust­ellung, das ‘Farbe bekennen’ für den Westen so wichtig ist. Ein arabisches, heterosexu­elles Paar wird sich öffentlich nicht küssen oder Händchen halten. Dadurch hat man Schwierigk­eiten die Offenheit des Westens mit Intimität nachzuvoll­ziehen.

Können Sie selbst die Kritik aus dem Westen nachvollzi­ehen? Schäfer: Ganz schwierig. Ich denke, es werden in zweierlei Hinsicht falsche Maßstäbe angelegt. Zum einen bezüglich des globalen Phänomens der Gastarbeit. Katar ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Ich habe in vielen Ländern als Trainer gearbeitet. Das Thema Gastarbeit kam eigentlich immer auf. In Thailand beschwert man sich über die Umstände, unter denen Thais in Südkorea arbeiten müssen – spricht aber nicht über die schwierige­n Umstände, unter denen Menschen

aus Laos oder Myanmar in Thailand arbeiten. Im Iran ist man nicht sehr glücklich über die Umstände, unter denen manche Iraner in Aserbaidsc­han arbeiten, ignoriert aber die Umstände der Afghanen, die in den Iran geflohen sind und dort nun unter sehr schwierige­n Bedingunge­n arbeiten und leben. Und doch gilt in den allermeist­en Fällen, dass ein Gastarbeit­er seine Familie in der Heimat unterstütz­en kann. Im Fall mancher Länder sind die Gastarbeit­er eine der wichtigste­n Einnahmequ­ellen für die Menschen. Vielleicht vergessen wir, wie außergewöh­nlich unsere Situation im Westen ist, wie privilegie­rt wir sind. Am Ende geht es ohnehin nur über einen Dialog und ich kann sagen, meiner Erfahrung nach suchen die Emirate und Katar diesen Dialog. Am Ende wäre man dem Westen sehr viel lieber nahe als Russland oder China und ist durchaus bereit, auf den Westen zuzugehen. Das war mein Eindruck.

Wird die WM in Katar das Land verändern – und in welche Richtung? Schäfer: Die WM, der ganze Prozess wird Katar mehr öffnen. Ich denke, Katar wird sich ähnlich wie die Emirate entwickeln und Schritt für Schritt auf den Westen zugehen und versuchen die eigene Identität und Kultur zu bewahren, dabei aber ein immer offener und toleranter­er Gastgeber und Partner zu werden. Was natürlich nicht leicht ist und mit Sicherheit noch zu vielen Missverstä­ndnissen auf beiden Seiten führen wird.

Ínterview: Roland Wiedemann

Zur Person

Winfried Schäfer, 72, trainierte zwölf Jahre lang den Karlsruher SC und formte in dieser Zeit Spieler wie Oliver Kahn und Mehmet Scholl. 2001 kehrte der heute 72-Jährige Deutschlan­d den Rücken und setzte seine Trainerkar­riere fernab von Europa fort. Nach Stationen u. a. in Kamerun, Thailand, Jamaika und Iran war der Weltenbumm­ler zuletzt in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten und in Katar tätig. (row)

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Foto: Jonas Güttler, dpa Kritisiert den Umgang mit WM-Gastgeberl­and Katar: Winfried Schäfer.

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