Neu-Ulmer Zeitung

Spiele aus der Konserve statt WM

Die Ablehnung gegen die Fußball-WM in Katar scheint riesig. Sämtliche Fanprojekt­e wollen das Turnier boykottier­en. In Augsburg wird statt des Eröffnungs­spiels eine historisch­e FCA-Partie gezeigt. Der Verein ruft zu kreativem Protest auf.

- Von Florian Eisele

Augsburg Am Sonntagabe­nd um kurz nach 17 Uhr wird auf dem Gelände des Fanprojekt­s des FC Augsburg ein Tor bejubelt werden. Die Initiatore­n haben zu einem Public Viewing eingeladen. Am Tag des Eröffnungs­spiels der FußballWM soll aber nicht die Partie zwischen Gastgeber Katar und Ecuador gezeigt werden, sondern das Spiel des FC Augsburg gegen FSV Frankfurt aus dem Mai 2011. Deswegen ist auch schon klar, dass fünf Minuten vor Schluss Stephan Hain zum 2:1-Sieg für Augsburg treffen und der FCA in die Bundesliga aufsteigen wird. Laut Anna Burgsmülle­r vom Fanprojekt soll damit ein Gegenpol zur WM gesetzt werden – aber nicht nur damit. Während der Dauer der WM gibt es eine Dauerausst­ellung zum Thema Fußball, eine Lesung, ein Pubquiz und einen Filmabend. Die Stoßrichtu­ng ist klar, so Burgsmülle­r: „Keiner von uns wird sich diese WM ansehen.“

Nicht nur in Augsburg machen Fußballfan­s mobil gegen die WM: Alle 71 sozialpäda­gogischen Fanprojekt­e

wollen einer Auskunft der zentralen Koordinati­onsstelle der Fanprojekt­e die WM boykottier­en. Die Ablehnung ist bundesweit groß: Laut einer Umfrage von Infratest Dimap geben 56 Prozent der Befragten an, kein einziges Spiel der Weltmeiste­rschaft sehen zu wollen. 15 Prozent wollen weniger Partien verfolgen, 18 Prozent wollen an ihrem TV-Verhalten nichts ändern. Nur zwei Prozent der Befragten wollen mehr als zuvor sehen.

Wegen Menschenre­chtsverlet­zungen, Korruption und des Verdachts der Terrorfina­nzierung steht Katar massiv in der Kritik. Ob andersdenk­ende Gäste wirklich willkommen sind, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Schlagzeil­en machten zuletzt die homophoben Aussagen eines WMBotschaf­ters, die Gängelung eines dänischen Kamera-Teams und die am Freitagnac­hmittag getroffene Entscheidu­ng, entgegen der ursprüngli­chen Absprache nun doch ein Alkoholver­bot im Umkreis aller Stadien durchzuset­zen. Auch die Gastronome­n, für die eine Fußball-WM sonst goldene Zeiten einläutete, sind zwiegespal­ten. Die wirtschaft­lichen Zwänge sind in der immer noch von den Einbußen der Corona-Pandemie geprägten Branche aber oftmals zu groß. Das Münchner Backstage, in dem sonst zu jedem Turnier große Übertragun­gen stattfande­n, wird die WMSpiele der deutschen Mannschaft auf der großen Leinwand zwar zeigen, will die Partien aber kritisch begleiten, etwa anhand einer Fotoausste­llung von Amnesty Internatio­nal oder mit kritischen Dokumentat­ionen oder Info- und Diskussion­sveranstal­tungen. In der Augsburger Fußballkne­ipe „11er“will man die WM zeigen – ob außer den Spielen der DFB-Elf noch andere gezeigt werden, ist noch nicht klar. Die Entscheidu­ng sei aber nur deswegen gefallen, „weil uns wirtschaft­liche Zwänge keine andere Wahl lassen“, so eine Stellungna­hme der Geschäftsf­ührung.

Eine kreative Form des Protests bietet der FC Augsburg an: Unter dem Motto „Regionalli­ga statt WM: Auf zur Zwoten“ruft der Verein

dazu auf, die zwei verblieben­en Spiele der zweiten Mannschaft vor Jahresende noch zu besuchen. Die Ticketeinn­ahmen aus dem Heimspiel gegen Schweinfur­t kommen dabei als Spende der Augsburger Tafel zugute und werden dafür verwendet, um Kindern aus finanziell schwachen Familien ein Geschenk zum Fest zu machen. FCAPräside­nt Markus Krapf sagte dazu: „Den Vorschlag dazu hat ein Vereinsmit­glied gemacht. Wir haben das gerne aufgegriff­en.“

Ob die Ablehnung gegen diese WM sich am Ende wirklich in Form von sinkenden Einschaltq­uoten bemerkbar macht? Autor Dietrich Schulze-Marmeling, der mit seiner Aktion „Boycott Qatar“einer der Vorreiter des Protestes ist, hat da seine Zweifel, wie er unserer Redaktion sagte: „Es gibt kaum Public Viewings, womit alle Spiele vor dem heimischen Fernseher verfolgt werden müssen.“Zumal es auch nicht, so betont er, darum gehe, sich den Spielen komplett zu verschließ­en: „Ich finde es wichtig, dass Medien kritisch berichten und dass Zuschauer kritisch bleiben gegenüber vielem, was in diesem Gastgeberl­and und der Fifa passiert.“

 ?? Archivbild: Ulrich Wagner ?? Statt des WM-Eröffnungs­spiels gibt es im Augsburger Fanprojekt ein Public Viewing der anderen Art. Zu sehen ist am Sonntagabe­nd das Spiel zwischen dem FCA und dem FSV Frankfurt, in dem Augsburg dank des Tors von Stephan Hain in die Bundesliga aufstieg.
Archivbild: Ulrich Wagner Statt des WM-Eröffnungs­spiels gibt es im Augsburger Fanprojekt ein Public Viewing der anderen Art. Zu sehen ist am Sonntagabe­nd das Spiel zwischen dem FCA und dem FSV Frankfurt, in dem Augsburg dank des Tors von Stephan Hain in die Bundesliga aufstieg.

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