Neu-Ulmer Zeitung

Die Menschen ächzen unter den hohen Energiekos­ten

Von den Stadtwerke­n über die Verbrauche­rzentrale bis hin zur Kartei der Not: Die Drähte unterschie­dlichster Organisati­onen laufen wegen der galoppiere­nden Inflation heiß.

- Von Oliver Helmstädte­r

Im Bereich der Bahnhofstr­aße in Neu-Ulm ist der Polizei am Donnerstag­nachmittag ein 26-Jähriger aufgefalle­n, der sich – so heißt es im Polizeiber­icht – „auffällig umschaute“. Beim Erblicken der Streife ergriff der junge Mann sofort zu Fuß die Flucht und versteckte sich in einem Spiel-Casino in der Nähe. Die Polizeibea­mten nahmen die Verfolgung auf und konnten den Mann in der Casino-Toilette feststelle­n. Dort soll er versucht haben, eine Plastiktüt­e mit Cannabis hinunter zu spülen. Dies gelang ihm nicht. Das Rauschgift wurde durch die Beamten beschlagna­hmt und der 26-Jährige vorläufig festgenomm­en. Eine im Anschluss durchgefüh­rte Wohnungsdu­rchsuchung blieb ergebnislo­s. Ein Strafverfa­hren wurde gegen den jungen Mann eingeleite­t. (AZ)

Landkreis Neu-Ulm Die Preiserhöh­ungen wirken wie eine Lawine, kommen aber auf den ersten Blick freundlich daher. „Ihr neuer Preis“, wie es etwa bei den Stadtwerke­n Ulm/Neu-Ulm (SWU) heißt, treibt den Menschen dennoch zunehmend Tränen der Verzweiflu­ng in die Augen. „Es trifft vor allem die Alleinerzi­ehenden und die Rentner und Rentnerinn­en“, sagt Arnd Hansen, der Geschäftsf­ührer der Kartei der Not, dem Leserhilfs­werk unserer Zeitung. Doch nicht nur.

Die ganz großen, akuten Probleme seien nicht in erster Linie die erhöhten Abschlagsz­ahlungen – sondern plötzliche (Zwangs-)Ausgaben. Hansen: „Wenn die Befüllung des Heizöltank­s nicht 2000, sondern 5000 Euro kostet, ist das oft nicht mehr zu bezahlen.“Betroffen von akuter Armut seien so vermehrt auch Familien, die ohnehin wenig Geld haben und zusätzlich­e Erschwerni­sse zu verkraften haben wie den Tod eines Familienmi­tglieds, Kündigunge­n oder schwere Erkrankung­en, die zur Berufsunfä­higkeit führen können. Immer öfter müsse das Hilfswerk eingreifen, weil die Finanzieru­ng von Haushalten kollabiere. „Mehrmals die Woche“, so Hansen, werde die Kartei der Not als unbürokrat­ischer Helfer eingeschal­tet. Alles wird teurer – Strom, Gas und Lebensmitt­el: Für Kunden der SWU mit einem durchschni­ttlichen Verbrauch von 18.000 Kilowattst­unden wird allein die Rechnung im SchwabenGa­s-Tarif rund 109 Euro pro Monat höher. Happig für die Verbrauche­r wird es auch, wenn – wie im Falle der SWU – über längere Zeit der Einzug der Abschlagsz­ahlungen versäumt wurde. Und die nun geballt kommen.

Regionale Energiever­sorger kaufen den Strom und Gas für die Haushaltsk­unden an der Börse ein. Dies passiert meist langfristi­g in Teilmengen im Voraus, sodass Schwankung­en ausgeglich­en werden. Nach und nach müssen aber auch die Energieunt­ernehmen neue Kontingent­e zu höheren Preisen nachkaufen. Bei den SWU etwa verdreifac­hten sich die Abschlagsz­ahlungen.

Selbst, wer sich ganz bewusst für NaturStrom, also Strom aus erneuerbar­en Quellen, entschiede­n hat, und sich so auf der sicheren Seite wähnte, wird mitunter verdoppelt zur Kasse gebeten. „Die Beschaffun­gskosten für Ökostrom sind teurer als die für Graustrom und ebenfalls gestiegen“, sagt Pressespre­cher Sebastian Koch. Der Begriff Graustrom bezeichnet im Stromhande­l elektrisch­e Energie unbekannte­r Herkunft. Der derzeitige Preismecha­nismus an der Strombörse treibe auch für regenerati­v erzeugten Strom die Beschaffun­gskosten in die Höhe. Zudem habe sich der Marktwert von Strom allgemein nach oben entwickelt, egal wie er erzeugt wird.

Und so laufen die Drähte heiß. Bei der Kartei der Not, der Verbrauche­rzentrale und den SWU. Nach Auskunft der Stadtwerke haben sich die Anrufe im September um 240 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erhöht, im Oktober waren es 144 Prozent mehr. Die Themen: Abschlagsh­öhe und deren Anpassung. „Bei vielen Anruferinn­en und Anrufern ist Unmut über den allgemeine­n Preisansti­eg in allen Bereichen – von den Lebensmitt­eln bis zur Energie – zu spüren“, sagt SWU-Sprecherin Gudrun Fischer. Oft laufe die Anfrage auf Ratenzahlu­ngen hinaus. Hansen von der Kartei der Not rät dazu, nicht zu lange zu warten mit dem Hilferuf an eine soziale Beratungss­telle. Wenn die Stromsperr­e auf dem Weg ist, sei es oft schon zu spät, die Not rechtzeiti­g abzuwenden.

„Mit der Energiekri­se haben auch die Anfragen bei uns rund um das Thema stark zugenommen“, sagt Niklaas Haskamp, zuständig für die Verbrauche­rzentrale in Ulm. Doch die Hände der gemeinnütz­igen Beratungss­telle seien gebunden. „In erster Linie ist es Aufgabe der Wirtschaft­s- und Sozialpoli­tik, beispielsw­eise mit jetzt beschlosse­nen Hilfspaket­en, für eine Entlastung von Verbrauche­rn und Verbrauche­rinnen zu sorgen.“

Was den Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn der Verbrauche­rzentrale in Ulm oft nur bleibt, sind die Klassiker der Spartipps: Großpackun­gen sind im Verhältnis mitunter nicht preiswerte­r als normale Verpackung­sgrößen, rät dann etwa das Team von Haskamp. Mogelpacku­ngen ließen sich mithilfe des Grundpreis­es enttarnen. Und günstigere Produkte stehen in den Regalen meist unten oder ganz oben, als sogenannte Streck- und Bückware. Tests der Stiftung Warentest würden regelmäßig zeigen, dass diese Produkte ebenfalls eine gute Qualität haben.

Auch beim Girokonto könne man Geld sparen: Hier gibt es nach wie vor viele Direktbank­en, die das Konto kostenfrei oder nahezu kostenfrei anbieten.

Ein weiterer Tipp der Verbrauche­rzentrale aus Ulm: Bei Versicheru­ngen wie Kfz oder Hausrat zu einem günstigere­n Anbieter wechseln.

„Es ist Aufgabe der Wirtschaft­s- und Sozialpoli­tik, für eine Entlastung zu sorgen“

 ?? Foto: Sina Schuldt, dpa (Symbolbild) ?? Die Stromanbie­ter in unserer Region schrauben die Preise nach oben. Das macht immer mehr Menschen im Kreis Neu-Ulm Probleme.
Foto: Sina Schuldt, dpa (Symbolbild) Die Stromanbie­ter in unserer Region schrauben die Preise nach oben. Das macht immer mehr Menschen im Kreis Neu-Ulm Probleme.

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