Die Menschen ächzen unter den hohen Energiekosten
Von den Stadtwerken über die Verbraucherzentrale bis hin zur Kartei der Not: Die Drähte unterschiedlichster Organisationen laufen wegen der galoppierenden Inflation heiß.
Im Bereich der Bahnhofstraße in Neu-Ulm ist der Polizei am Donnerstagnachmittag ein 26-Jähriger aufgefallen, der sich – so heißt es im Polizeibericht – „auffällig umschaute“. Beim Erblicken der Streife ergriff der junge Mann sofort zu Fuß die Flucht und versteckte sich in einem Spiel-Casino in der Nähe. Die Polizeibeamten nahmen die Verfolgung auf und konnten den Mann in der Casino-Toilette feststellen. Dort soll er versucht haben, eine Plastiktüte mit Cannabis hinunter zu spülen. Dies gelang ihm nicht. Das Rauschgift wurde durch die Beamten beschlagnahmt und der 26-Jährige vorläufig festgenommen. Eine im Anschluss durchgeführte Wohnungsdurchsuchung blieb ergebnislos. Ein Strafverfahren wurde gegen den jungen Mann eingeleitet. (AZ)
Landkreis Neu-Ulm Die Preiserhöhungen wirken wie eine Lawine, kommen aber auf den ersten Blick freundlich daher. „Ihr neuer Preis“, wie es etwa bei den Stadtwerken Ulm/Neu-Ulm (SWU) heißt, treibt den Menschen dennoch zunehmend Tränen der Verzweiflung in die Augen. „Es trifft vor allem die Alleinerziehenden und die Rentner und Rentnerinnen“, sagt Arnd Hansen, der Geschäftsführer der Kartei der Not, dem Leserhilfswerk unserer Zeitung. Doch nicht nur.
Die ganz großen, akuten Probleme seien nicht in erster Linie die erhöhten Abschlagszahlungen – sondern plötzliche (Zwangs-)Ausgaben. Hansen: „Wenn die Befüllung des Heizöltanks nicht 2000, sondern 5000 Euro kostet, ist das oft nicht mehr zu bezahlen.“Betroffen von akuter Armut seien so vermehrt auch Familien, die ohnehin wenig Geld haben und zusätzliche Erschwernisse zu verkraften haben wie den Tod eines Familienmitglieds, Kündigungen oder schwere Erkrankungen, die zur Berufsunfähigkeit führen können. Immer öfter müsse das Hilfswerk eingreifen, weil die Finanzierung von Haushalten kollabiere. „Mehrmals die Woche“, so Hansen, werde die Kartei der Not als unbürokratischer Helfer eingeschaltet. Alles wird teurer – Strom, Gas und Lebensmittel: Für Kunden der SWU mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 18.000 Kilowattstunden wird allein die Rechnung im SchwabenGas-Tarif rund 109 Euro pro Monat höher. Happig für die Verbraucher wird es auch, wenn – wie im Falle der SWU – über längere Zeit der Einzug der Abschlagszahlungen versäumt wurde. Und die nun geballt kommen.
Regionale Energieversorger kaufen den Strom und Gas für die Haushaltskunden an der Börse ein. Dies passiert meist langfristig in Teilmengen im Voraus, sodass Schwankungen ausgeglichen werden. Nach und nach müssen aber auch die Energieunternehmen neue Kontingente zu höheren Preisen nachkaufen. Bei den SWU etwa verdreifachten sich die Abschlagszahlungen.
Selbst, wer sich ganz bewusst für NaturStrom, also Strom aus erneuerbaren Quellen, entschieden hat, und sich so auf der sicheren Seite wähnte, wird mitunter verdoppelt zur Kasse gebeten. „Die Beschaffungskosten für Ökostrom sind teurer als die für Graustrom und ebenfalls gestiegen“, sagt Pressesprecher Sebastian Koch. Der Begriff Graustrom bezeichnet im Stromhandel elektrische Energie unbekannter Herkunft. Der derzeitige Preismechanismus an der Strombörse treibe auch für regenerativ erzeugten Strom die Beschaffungskosten in die Höhe. Zudem habe sich der Marktwert von Strom allgemein nach oben entwickelt, egal wie er erzeugt wird.
Und so laufen die Drähte heiß. Bei der Kartei der Not, der Verbraucherzentrale und den SWU. Nach Auskunft der Stadtwerke haben sich die Anrufe im September um 240 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erhöht, im Oktober waren es 144 Prozent mehr. Die Themen: Abschlagshöhe und deren Anpassung. „Bei vielen Anruferinnen und Anrufern ist Unmut über den allgemeinen Preisanstieg in allen Bereichen – von den Lebensmitteln bis zur Energie – zu spüren“, sagt SWU-Sprecherin Gudrun Fischer. Oft laufe die Anfrage auf Ratenzahlungen hinaus. Hansen von der Kartei der Not rät dazu, nicht zu lange zu warten mit dem Hilferuf an eine soziale Beratungsstelle. Wenn die Stromsperre auf dem Weg ist, sei es oft schon zu spät, die Not rechtzeitig abzuwenden.
„Mit der Energiekrise haben auch die Anfragen bei uns rund um das Thema stark zugenommen“, sagt Niklaas Haskamp, zuständig für die Verbraucherzentrale in Ulm. Doch die Hände der gemeinnützigen Beratungsstelle seien gebunden. „In erster Linie ist es Aufgabe der Wirtschafts- und Sozialpolitik, beispielsweise mit jetzt beschlossenen Hilfspaketen, für eine Entlastung von Verbrauchern und Verbraucherinnen zu sorgen.“
Was den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verbraucherzentrale in Ulm oft nur bleibt, sind die Klassiker der Spartipps: Großpackungen sind im Verhältnis mitunter nicht preiswerter als normale Verpackungsgrößen, rät dann etwa das Team von Haskamp. Mogelpackungen ließen sich mithilfe des Grundpreises enttarnen. Und günstigere Produkte stehen in den Regalen meist unten oder ganz oben, als sogenannte Streck- und Bückware. Tests der Stiftung Warentest würden regelmäßig zeigen, dass diese Produkte ebenfalls eine gute Qualität haben.
Auch beim Girokonto könne man Geld sparen: Hier gibt es nach wie vor viele Direktbanken, die das Konto kostenfrei oder nahezu kostenfrei anbieten.
Ein weiterer Tipp der Verbraucherzentrale aus Ulm: Bei Versicherungen wie Kfz oder Hausrat zu einem günstigeren Anbieter wechseln.
„Es ist Aufgabe der Wirtschafts- und Sozialpolitik, für eine Entlastung zu sorgen“