Neu-Ulmer Zeitung

Kampf mit dem Scheckbuch gegen das schlechte Gewissen

Die Klimakonfe­renz geht mit einem Kompromiss zu Ende. Es soll viel Geld fließen. Das eigentlich­e Problem wird damit nicht gelöst: Die Erde heizt sich weiter auf.

- Von Stefan Lange

Am Ende der Klimakonfe­renz COP27 siegte der menschlich­e Faktor und die Vernunft blieb auf der Strecke. Nach zwei Wochen anstrengen­der Debatten in klimatisie­rten Räumen bei teurem Essen und schlechtem Kaffee wollten die rund 35.000 Teilnehmer­innen und Teilnehmer nur noch eins: nach Hause. Profis provoziere­n diesen Effekt und ziehen Verhandlun­gen für ihre Zwecke künstlich so in die Länge, dass sie in ermüdenden Marathonsi­tzungen enden. Dabei kommt nicht immer etwas Gutes heraus, wie die Klimakonfe­renz in Scharm el Scheich zeigt.

Bei der COP27 waren die reichen Staaten die Profis. Sie zücken jetzt das Scheckbuch und schaffen laut Abschlusse­rklärung „gemeinsame Finanzieru­ngsmechani­smen“, um den am stärksten von den Folgen der Erderhitzu­ng betroffene­n Ländern zu helfen. Sie tun das mühelos, sie haben die Mittel, aber der Klimaschäd­en-Fonds schüttet die Probleme lediglich mit Geld zu und löst sie nicht.

Wenn die armen Staaten auf das Ausland blicken, dann sehen sie Verschwend­ung, Luxus, Egoismus.

Eine Fußball-WM in Katar etwa, die grotesk viel Energie verschwend­et. Oder einen deutschen Bundespräs­identen, der eigens für die Verleihung des Henry-A.-Kissinger-Preises nach New York jettet. Sie sehen Industries­taaten, die für Einmalverp­ackungen und Vorweihnac­htsgedöns Rohstoffe verschwend­en und den Müll anschließe­nd in ihren Ländern illegal entsorgen. Was sie nicht sehen, sind Vorbilder für einen sparsamen Einsatz der Ressourcen.

Der Klimaschäd­en-Fonds reiht sich damit in die anderen COP27-Beschlüsse ein, die allesamt nicht dazu beitragen, die Erderhitzu­ng bis 2100 auf 1,5 Grad im Vergleich zum Jahr 1900 zu begrenzen. Beim derzeitige­n Stand der Bemühungen würde man bei 2,6 Grad landen, jedes Zehntel mehr oder weniger hat dabei gravierend­e Auswirkung­en.

Um das vor sieben Jahren in Paris formuliert­e Ziel zu erreichen, bräuchte es beispielsw­eise einen konsequent­en Ausstieg aus fossilem Erdöl und Gas. Den jedoch hat die COP27 ausgeklamm­ert und die deutsche Regierung ist da nicht ganz unschuldig. Kanzler Olaf Scholz will mit dem Senegal ein gemeinsame­s Projekt zur Förderung von Erdgas stemmen. Die Energie soll Deutschlan­d helfen, über den Verlust russischen Gases hinwegzuko­mmen, ist aber wegen seiner Umweltschä­dlichkeit hoch umstritten. Naturschüt­zer protestier­en, am Wochenende stellte sich in Person der Grünen-Vorsitzend­en Ricarda Lang auch der Koalitions­partner gegen den Plan. Scholz indes hat kaum eine Wahl. Der Energiehun­ger hierzuland­e mag durch die Krise kleiner geworden sein, er ist aber immer noch riesengroß.

Umweltbewu­sste klebten früher einen Sticker auf ihre Ente oder ihren R4. „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann“, stand dort zu lesen. Es soll sich um eine Weissagung der Cree-Indianer handeln, was möglicherw­eise nicht ganz stimmt. Der Wahrheitsg­ehalt dieses Satzes jedoch ist unbestritt­en.

Der Inselstaat Tuvalu etwa säuft gerade ab. Wären die westlichen Industries­taaten den Zielen gefolgt, die sie seit der COP1 im Jahre 1995 in immer neuen Varianten formuliere­n, und hätten sie ihr Verhalten entspreche­nd geändert, müssten die Bewohnerin­nen und Bewohner wohl nicht den Verlust ihrer Heimat mitansehen. Geld hilft ihnen jetzt höchstens noch beim Umzug in eine ungewisse Zukunft.

Wer setzt schon sparsam seine Ressourcen ein?

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