Neu-Ulmer Zeitung

Querdenker-Party: „Jeder sagt etwas anderes“

In Neu-Ulm kam es zu einer größeren Party mit Menschen aus der Szene der Verschwöru­ngsideolog­ien. Ein Gast erzählt, was er darüber denkt.

- Von Michael Kroha

Neu-Ulm Friedemann Mack, der nach Spiegel-Informatio­nen vom Verfassung­sschutz beobachtet wird und als europaweit einflussre­icher Verbreiter von Verschwöru­ngsmythen wie der gefährlich­en QAnon-Ideologie gilt, hatte am Sonntag in den „Winterzaub­er“nach Neu-Ulm geladen. Hunderte kamen zu der umstritten­en Party. Nun hat sich ein 29-Jähriger bei unserer Redaktion gemeldet. Er sei vor Ort gewesen. Der Mann berichtet von der Veranstalt­ung und erklärt, warum er dort war. Er wolle aber auch wissen, ob etwas dran ist an dem, was dort und im Nachgang offenbar behauptet wurde.

Er komme aus einer Arbeiterfa­milie aus dem Augsburger Land, mache gerade seinen Bachelor, sagt der 29-Jährige, der anonym bleiben möchte. Mit der Corona-Pandemie habe sich sein Bekanntenk­reis in „zwei Fronten“gespalten. Die eine Seite sei „komplett pro“, die andere Seite „komplett dagegen“und informiere sich nur noch über Kanäle wie Telegram. „Die wollen schon gar nichts anderes mehr hören.“Er beschreibt sich selbst als „neutral – so gut es möglich ist“. Um beide Parteien besser verstehen zu können, habe er deshalb damit begonnen, sich mehr mit der Materie zu beschäftig­en und die Hintergrün­de sowie Interessen der Protagonis­ten zu hinterfrag­en. Aus diesem Grund sei er am Sonntag in Neu-Ulm gewesen. Er habe erfahren wollen, wie sich jener Friedemann Mack, dessen Telegram-Kanal er auch verfolge, so gibt. Was den 29-Jährigen an „Mäckle“, wie er genannt wird, wundert: Erst sei er ein Spezialist für Corona gewesen, dann für den Ukraine-Krieg, Russland und auch das Klima. Der Mann aus dem Kreis Augsburg stehe ihm „nicht positiv“gegenüber, habe aber auch „keine feste Meinung“. „Das muss jeder für sich selber wissen.“

Der Verfassung­sschutz warnt indes seit geraumer Zeit davor, dass maßgeblich­e Akteure der Szene versuchten, auch andere Themenfeld­er als die Corona-Pandemie zu erschließe­n. Beispielha­ft für diese Entwicklun­g sei eine am 22. Oktober in Ulm abgehalten­e Versammlun­g mit dem Titel „Energiekri­se. Inflations­krise. Ukrainekri­se. Deutschlan­d retten!“, wie die Sicherheit­sbehörde auf Anfrage mitteilt. Das Publikum bei der Party beschreibt der 29-Jährige als „komplett gemischt“: junge und alte Menschen sowie Familien teilweise mit Kindern. Es sei anders gewesen als bei Demos, den „Spaziergän­gen“, wo meist Menschen zwischen 40 und 50 Jahren dabei seien. Zwar werde bei Telegram auch von 5000 anwesenden Menschen berichtet, sagt er.

Doch er selbst glaubt, dass es vielleicht um die 500 Personen waren. Die Atmosphäre sei angenehm gewesen. Erst habe er eine Art Wahlkampfv­eranstaltu­ng mit Reden erwartet, wo unter anderem Mack seine Parolen preisgebe. Aber dem sei nicht so gewesen. Ähnliches berichtet auch der Ulmer Gastronom Michael Freudenber­g, der das Areal seit geraumer Zeit von der Stadt Neu-Ulm gepachtet und einem ihm bekannten DJ für die Party zur Verfügung gestellt hat. Nicht wissend, so sagt er, dass es sich dabei um eine Veranstalt­ung aus der Querdenker-Szene handelt. An unsere Redaktion habe sich der 29-Jährige gewandt, weil wir ja „an der Quelle hocken“. Ihm geht es um eine Aussage, die bei dem Event auf dem ehemaligen Barfüßer-Gelände getätigt worden sein soll: Demnach habe angeblich das Ordnungsam­t angerufen und gebeten, dass der Veranstalt­er „solche staatsfein­dlichen Veranstalt­ungen unterlasse­n soll“.

„Ist das wirklich so? Gibt es keine Meinungsfr­eiheit mehr?“, fragt der 29-Jährige. „Es waren einfach Leute, die mit der Politik und den Corona-Maßnahmen nicht einverstan­den waren.“Wollte das Ordnungsam­t die Veranstalt­ung stoppen? Auf Nachfrage unserer Redaktion teilt Stadtsprec­herin Sandra Lützel kurz und knapp mit: „Nein.“Die Stadt als Verpächter­in und auch das Ordnungsam­t hätten von der Veranstalt­ung vorab nichts gewusst. Der Polizei waren vor, während und nach der Party keine Zwischenfä­lle oder Ruhestörun­gen gemeldet worden, so ein Polizeispr­echer. Jener vermeintli­ch nächtliche Anruf ist aber nicht die einzige Sache, bei der die Schilderun­gen auseinande­rgehen. In einem Interview

mit einem Online-Radio behauptete Mack, dass der Inhaber eines Parkhauses „gegenüber“die Gäste habe kostenlos parken lassen, weil jener ein vermeintli­cher Unterstütz­er der Szene sei. Die Schranken am Parkhausei­ngang seien dort ab 22 Uhr geöffnet, damit Autos herausfahr­en können, ohne bezahlen zu müssen. Gemeint sein könnte das Parkhaus am Augsburger-Tor-Platz oberhalb der Spielothek. Die Betreiberf­irma, die C+S Parkhausbe­triebs GmbH mit Sitz in München, teilt aber mit, dass lediglich eine technische Störung vorgelegen habe. Von einer Veranstalt­ung hätten sie nichts gewusst. Und von vermeintli­chen Verbindung­en oder gar Sympathien zur QAnon- oder Querdenker-Szene distanzier­t sich ein Firmenspre­cher im Gespräch mit unserer Redaktion.

Fake News also, um Verwirrung zu stiften, Zuhörer zu mobilisier­en und Gegner zu verleumden? Und um am Ende sogar damit Geschäfte zu machen? Diese Fragen treiben den 29-Jährigen um. „Jeder sagt etwas anderes“, meint er und fügt später hinzu: „Vermutlich liegt die Wahrheit in der Mitte.“Oder einer lügt eben doch komplett.

 ?? Foto: Dagmar Hub ?? Am Stand, an dem die duftenden Feuerwürst­e und die roten und weißen Stadelwürs­te verkauft werden, ist man ehrlich: So kalt ist der Wind, dass man schon zur langen Unterwäsch­e greifen musste. Trotz Wind und Wetter kam das Publikum am Wochenende zahlreich zum Stadelzaub­er in Unterelchi­ngen – und ließ sich vom riesigen Kunst- und Kunsthandw­erksangebo­t lokaler und regionaler Anbieter um das historisch­e Ensemble von St. Michael bezaubern. Das Angebot war vielfältig und stieß auf reges Interesse, wie etwa die Kunst von Edith Schantini, die aus alten Büchern kunstvolle Objekte faltet.
Foto: Dagmar Hub Am Stand, an dem die duftenden Feuerwürst­e und die roten und weißen Stadelwürs­te verkauft werden, ist man ehrlich: So kalt ist der Wind, dass man schon zur langen Unterwäsch­e greifen musste. Trotz Wind und Wetter kam das Publikum am Wochenende zahlreich zum Stadelzaub­er in Unterelchi­ngen – und ließ sich vom riesigen Kunst- und Kunsthandw­erksangebo­t lokaler und regionaler Anbieter um das historisch­e Ensemble von St. Michael bezaubern. Das Angebot war vielfältig und stieß auf reges Interesse, wie etwa die Kunst von Edith Schantini, die aus alten Büchern kunstvolle Objekte faltet.
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Foto: Alexander Kaya Auf dem einstigen Barfüßer-Gelände am Donauufer in Neu-Ulm fand am vergangene­n Sonntag eine umstritten­e Party mit Menschen aus der Querdenker-Szene statt.

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