Querdenker-Party: „Jeder sagt etwas anderes“
In Neu-Ulm kam es zu einer größeren Party mit Menschen aus der Szene der Verschwörungsideologien. Ein Gast erzählt, was er darüber denkt.
Neu-Ulm Friedemann Mack, der nach Spiegel-Informationen vom Verfassungsschutz beobachtet wird und als europaweit einflussreicher Verbreiter von Verschwörungsmythen wie der gefährlichen QAnon-Ideologie gilt, hatte am Sonntag in den „Winterzauber“nach Neu-Ulm geladen. Hunderte kamen zu der umstrittenen Party. Nun hat sich ein 29-Jähriger bei unserer Redaktion gemeldet. Er sei vor Ort gewesen. Der Mann berichtet von der Veranstaltung und erklärt, warum er dort war. Er wolle aber auch wissen, ob etwas dran ist an dem, was dort und im Nachgang offenbar behauptet wurde.
Er komme aus einer Arbeiterfamilie aus dem Augsburger Land, mache gerade seinen Bachelor, sagt der 29-Jährige, der anonym bleiben möchte. Mit der Corona-Pandemie habe sich sein Bekanntenkreis in „zwei Fronten“gespalten. Die eine Seite sei „komplett pro“, die andere Seite „komplett dagegen“und informiere sich nur noch über Kanäle wie Telegram. „Die wollen schon gar nichts anderes mehr hören.“Er beschreibt sich selbst als „neutral – so gut es möglich ist“. Um beide Parteien besser verstehen zu können, habe er deshalb damit begonnen, sich mehr mit der Materie zu beschäftigen und die Hintergründe sowie Interessen der Protagonisten zu hinterfragen. Aus diesem Grund sei er am Sonntag in Neu-Ulm gewesen. Er habe erfahren wollen, wie sich jener Friedemann Mack, dessen Telegram-Kanal er auch verfolge, so gibt. Was den 29-Jährigen an „Mäckle“, wie er genannt wird, wundert: Erst sei er ein Spezialist für Corona gewesen, dann für den Ukraine-Krieg, Russland und auch das Klima. Der Mann aus dem Kreis Augsburg stehe ihm „nicht positiv“gegenüber, habe aber auch „keine feste Meinung“. „Das muss jeder für sich selber wissen.“
Der Verfassungsschutz warnt indes seit geraumer Zeit davor, dass maßgebliche Akteure der Szene versuchten, auch andere Themenfelder als die Corona-Pandemie zu erschließen. Beispielhaft für diese Entwicklung sei eine am 22. Oktober in Ulm abgehaltene Versammlung mit dem Titel „Energiekrise. Inflationskrise. Ukrainekrise. Deutschland retten!“, wie die Sicherheitsbehörde auf Anfrage mitteilt. Das Publikum bei der Party beschreibt der 29-Jährige als „komplett gemischt“: junge und alte Menschen sowie Familien teilweise mit Kindern. Es sei anders gewesen als bei Demos, den „Spaziergängen“, wo meist Menschen zwischen 40 und 50 Jahren dabei seien. Zwar werde bei Telegram auch von 5000 anwesenden Menschen berichtet, sagt er.
Doch er selbst glaubt, dass es vielleicht um die 500 Personen waren. Die Atmosphäre sei angenehm gewesen. Erst habe er eine Art Wahlkampfveranstaltung mit Reden erwartet, wo unter anderem Mack seine Parolen preisgebe. Aber dem sei nicht so gewesen. Ähnliches berichtet auch der Ulmer Gastronom Michael Freudenberg, der das Areal seit geraumer Zeit von der Stadt Neu-Ulm gepachtet und einem ihm bekannten DJ für die Party zur Verfügung gestellt hat. Nicht wissend, so sagt er, dass es sich dabei um eine Veranstaltung aus der Querdenker-Szene handelt. An unsere Redaktion habe sich der 29-Jährige gewandt, weil wir ja „an der Quelle hocken“. Ihm geht es um eine Aussage, die bei dem Event auf dem ehemaligen Barfüßer-Gelände getätigt worden sein soll: Demnach habe angeblich das Ordnungsamt angerufen und gebeten, dass der Veranstalter „solche staatsfeindlichen Veranstaltungen unterlassen soll“.
„Ist das wirklich so? Gibt es keine Meinungsfreiheit mehr?“, fragt der 29-Jährige. „Es waren einfach Leute, die mit der Politik und den Corona-Maßnahmen nicht einverstanden waren.“Wollte das Ordnungsamt die Veranstaltung stoppen? Auf Nachfrage unserer Redaktion teilt Stadtsprecherin Sandra Lützel kurz und knapp mit: „Nein.“Die Stadt als Verpächterin und auch das Ordnungsamt hätten von der Veranstaltung vorab nichts gewusst. Der Polizei waren vor, während und nach der Party keine Zwischenfälle oder Ruhestörungen gemeldet worden, so ein Polizeisprecher. Jener vermeintlich nächtliche Anruf ist aber nicht die einzige Sache, bei der die Schilderungen auseinandergehen. In einem Interview
mit einem Online-Radio behauptete Mack, dass der Inhaber eines Parkhauses „gegenüber“die Gäste habe kostenlos parken lassen, weil jener ein vermeintlicher Unterstützer der Szene sei. Die Schranken am Parkhauseingang seien dort ab 22 Uhr geöffnet, damit Autos herausfahren können, ohne bezahlen zu müssen. Gemeint sein könnte das Parkhaus am Augsburger-Tor-Platz oberhalb der Spielothek. Die Betreiberfirma, die C+S Parkhausbetriebs GmbH mit Sitz in München, teilt aber mit, dass lediglich eine technische Störung vorgelegen habe. Von einer Veranstaltung hätten sie nichts gewusst. Und von vermeintlichen Verbindungen oder gar Sympathien zur QAnon- oder Querdenker-Szene distanziert sich ein Firmensprecher im Gespräch mit unserer Redaktion.
Fake News also, um Verwirrung zu stiften, Zuhörer zu mobilisieren und Gegner zu verleumden? Und um am Ende sogar damit Geschäfte zu machen? Diese Fragen treiben den 29-Jährigen um. „Jeder sagt etwas anderes“, meint er und fügt später hinzu: „Vermutlich liegt die Wahrheit in der Mitte.“Oder einer lügt eben doch komplett.