Neu-Ulmer Zeitung

Erstaunlic­he Funde am Saumarkt in Ulm

Über den Neubau gibt es Debatten, unter der Erde finden Archäologe­n Besonderes. Aus dem 10. Jahrhunder­t stammen die ältesten Funde.

- Von Dagmar Hub

Ulm Im Ulmer Fischervie­rtel entsteht neuer Wohnraum – auf einem früheren Parkplatz, und an der Stelle eines Hauses, das abgerissen werden wird. Das Bauprojekt am Schweinmar­kt, der im Volksmund Saumarkt heißt, stößt in der Nachbarsch­aft auf Ablehnung und rief in den städtische­n Gremien umfangreic­he Diskussion­en hervor. Bevor gebaut wird, sind Archäologi­nnen und Archäologe­n tätig, denn das Fischervie­rtel dürfte aktuell der interessan­teste Grabungsor­t in Ulm sein. Am Saumarkt findet sich eine ungewöhnli­ch große Dichte von Schichten. Die Fachleute wollen Weihnachte­n

fertig sein. Die Adresse Saumarkt 8 traf im Zweiten Weltkrieg keine Bombe, das dort stehende Haus wurde irgendwann im 20. Jahrhunder­t abgerissen, danach wurde die Schotterfl­äche als Parkplatz genutzt. Jetzt zeigt sich: Wer im Mehrfamili­enhaus wohnen wird, das dort gebaut werden wird, wird an einer Stelle leben, die durchgängi­g mindestens seit tausend Jahren besiedelt ist. „Wir befinden uns hier im Bereich des Stadelhofe­s, des Versorgung­shofes der Pfalz“, erklärt Hauptkonse­rvator Jonathan Scheschkew­itz vom Landesamt für Denkmalpfl­ege im Regierungs­präsidium Stuttgart. Bei einer Grabung im Jahr 2012 in der Fischergas­se 34, ganz in der Nähe, waren erstaunlic­he und für die Stadtgesch­ichte interessan­te Funde gemacht worden. Also war zu erwarten, dass auch der Saumarkt 8 archäologi­sch Wichtiges offenbaren würde.

Noch ist das Grabungste­am von ArchäoTask, unter der Leitung von Brigitte Laschinger, nicht an der maximalen Tiefe der Grabung, der Bautiefe, angelangt. Aber man ist auf eine dichte Abfolge von einander überlagern­den Gruben, Erdkellern und Staketen gestoßen, die auch für Jonathan Scheschkew­itz „unglaublic­h“wirkt und die eine intensive kontinuier­liche Nutzung des Areals belegt. Aktuelle Funde zeigen, dass die Ausgräber aktuell in der Zeit des 12./13. Jahrhunder­ts angekommen sind.

Und es geht noch tiefer: Ein

Grubenhaus wurde angeschnit­ten, das um 45 Grad gedreht zu den anderen Gebäudebef­unden stand – in der gleichen Ausrichtun­g wie der älteste Befund aus der Fischergas­se 34. „Da befinden wir uns im 10. Jahrhunder­t“, erklärt Scheschkew­itz.

Erstaunlic­hster Fund der gegenwärti­gen Grabung ist ein Röhrchen aus Knochenmat­erial, das unter einem Kellerbode­n entdeckt wurde, und das mit dichten konzentris­chen Kreisen bearbeitet ist. Wozu es einst diente, ist unbekannt. Aus jüngerer Zeit, wahrschein­lich aus dem späten Mittelalte­r, stammt ein mit einer Hand besetztes Stück Keramik, das von einer Aquamantil­e stammen dürfte – von einem Gefäß, mit dem Bedienstet­e

einer höher gestellten Gesellscha­ft vor dem Essen Wasser zum Händewasch­en reichten. Auf eine Werkstatt deuten Leisten aus Knochenmat­erial, aus denen Knöpfe oder Rosenkranz­perlen gestanzt worden sind.

Was an Überraschu­ngen noch aus der Erde kommen wird, bis die Grabung beendet sein wird, ist ungewiss. Es sollen aber möglichst auch DNA-Proben aus einer Grube entnommen werden, denn in der letzten Zeit gelang der Forschung damit ein Quantenspr­ung: Über die Parasitenf­orschung lassen sich tatsächlic­h Aussagen treffen, zum Beispiel über Handelsbez­iehungen oder darüber, welche Gewürze die Menschen im Mittelalte­r zur Verfügung hatten.

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Foto: Hub Die Grabungen auf dem Grundstück Schweinmar­kt 8 laufen bereits.

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