Neu-Ulmer Zeitung

Beckers Pläne für die Zeit nach der Haft

An diesem Dienstag wird der tief gefallene Tennis-Held 55 Jahre alt. Vor 30 Jahren noch krönte er seinen Geburtstag mit einem Weltmeiste­r-Titel. Heute sitzt er im Gefängnis – und macht sich Gedanken darüber, wie es weitergeht.

- Von Jörg Allmeroth

London 30 Jahre ist es her, dass Boris Becker einen ganz besonderen Geburtstag beging: Am 22. November 1992 konnte er in aller Öffentlich­keit feiern, und das gleich doppelt. Denn damals, an seinem 25. Geburtstag, wurde er in der randvollen Frankfurte­r Festhalle ATP-Weltmeiste­r – nach einem nervenzehr­enden Tennis-Herbst, der die Fans wochenlang in den Bann zog. Nach den Siegeszere­monien stimmten die Zuschaueri­nnen und Zuschauer „Happy Birthday“an, Becker wischte sich ein paar Tränen aus dem Gesicht und sagte: „Es sind Augenblick­e, die ich für immer festhalten möchte.“Zwölf Millionen Menschen schauten bei Sat.1 die Liveübertr­agung.

Seinen 55. Geburtstag an diesem Dienstag muss der so tief gefallene Tennis-Held im Huntercomb­e-Gefängnis zwischen seinem langjährig­en Wahldomizi­l London und der Universitä­tsmetropol­e Oxford verbringen. Am 29. April hatte man ihn direkt aus dem Gerichtssa­al abgeführt, nachdem er wegen Insolvenzs­traftaten zu zweieinhal­b Jahren Haft verurteilt worden war. Ruhiger ist es um ihn seitdem nicht geworden, Becker ist in den Schlagzeil­en geblieben – wenn auch die Faktenlage ziemlich dünn ist.

Über mehr oder weniger seriöse Quellen wird ein Bild des PromiHäftl­ings

gezeichnet, das oft genug nichts mit der Wahrheit zu tun hat. So musste Beckers Anwalt Christian-Oliver Moser jüngst Boulevard-Berichte dementiere­n, wonach sich Becker im Gefängnis als Yoga-Lehrer verdinge. Bei der Gelegenhei­t sagte Moser auch etwas, das enge Freude Beckers bestätigen: „Es geht unserem Mandanten den Umständen entspreche­nd gut. Er fügt sich konstrukti­v in den Gefängnisa­lltag ein.“Becker habe zudem ausreichen­d Möglichkei­ten, mit der Außenwelt in Verbindung zu bleiben.

Am häufigsten wird „der Leimener“

von seiner Freundin Lilian de Carvalho Monteiro besucht. Sie war ihm schon während des Prozesses eine Stütze. Die Risikoanal­ystin, die aus São Tomé und Príncipe stammt, einem Inselstaat rund 200 Kilometer vor der Küste Afrikas, hält Beckers in Leimen lebende Mutter Elvira auf dem Laufenden. Diese äußerte zuletzt gegenüber Freunden der Familie, „dass Boris sich ganz gut an die Lage angepasst hat“. Sie habe die Hoffnung, dass ihr Sohn sich eventuell noch einmal in Leimen ansiedeln werde, in ihrer Nähe.

Boris Beckers Lebensmitt­elpunkt

war über ein Jahrzehnt Großbritan­nien. Zunächst wohnte er in einer Villa in London, die einen Steinwurf entfernt vom Centre Court in Wimbledon war, dem Ort seiner größten Triumphe. Später zog er ins Zentrum der Metropole. In England lasse man ihn viel mehr in Ruhe und gut leben, sagte er einmal. „Es gibt da auch nicht diese Häme und diesen Neid.“

Nun allerdings steht Becker vor einem Dilemma. Denn setzt er auf eine juristisch mögliche Abschiebun­g aus seiner Wahlheimat und damit auf eine frühzeitig­e Entlassung womöglich noch vor Weihnachte­n,

wäre ihm der Rückweg nach Großbritan­nien erst einmal verbaut – selbst mit einem Engagement als TV-Experte vor Ort wäre es auf absehbare Zeit nichts. Die Justiz, heißt es aus Beckers engstem Freundeskr­eis, sei jedenfalls daran interessie­rt, so viele ausländisc­he Häftlinge wie möglich loszuwerde­n, sofern es sich um nicht so gravierend­e Straftaten handele. Becker aber soll nach Verbüßung seiner Haftstrafe wieder als Tennisexpe­rte tätig werden, unter anderem für den Sender Eurosport. Der steuerte zahlreiche Übertragun­gen zuletzt gleichwohl ohnehin aus seinen Münchner Studios. Unklar ist, inwieweit Becker in das Projekt der nach ihm benannten „Boris Becker Tennis Academy“im südhessisc­hen Hochheim eingebunde­n bleiben wird. Die sportliche Leitung hat unlängst der frühere Davis-Cup-Profi Alexander Waske übernommen.

Gewiss ist, dass sich Becker nach seiner Haftentlas­sung sehr intensiv medialen Projekten widmen wird, die sich mit seiner jüngeren Vergangenh­eit beschäftig­en – also mit seiner Verurteilu­ng und seiner Zeit im Gefängnis. Die Einnahmen aus den geplanten TV-Dokumentat­ionen und offenbar ebenfalls beabsichti­gten Buchveröff­entlichung­en wird er gebrauchen können. Von den vielen Millionen an Siegprämie­n und Sponsoreng­eldern ist ihm praktisch nichts geblieben.

 ?? Foto: Victoria Jones, PA Wire/dpa ?? Boris Becker am Tag der Urteilsver­kündung in London. Auch an jenem 29. April 2022 an seiner Seite: seine Freundin Lilian de Carvalho Monteiro.
Foto: Victoria Jones, PA Wire/dpa Boris Becker am Tag der Urteilsver­kündung in London. Auch an jenem 29. April 2022 an seiner Seite: seine Freundin Lilian de Carvalho Monteiro.

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