Die Nervensäge auf dem Nachbarsitz
Wie anstrengende Mitmenschen in Flieger, Bahn, Bus und Reisegruppen für erhebliche Störgefühle, aber die besten Urlaubsgeschichten sorgen.
Jeder kennt sie, jeder hasst sie und kann erschütternde Horrorgeschichten erzählen von Menschen, die man nie im Leben treffen wollte, mit denen man aber mindestens eine Flixbus-Fahrt, schlimmstenfalls einen zweiwöchigen Gruppenreise-Urlaub in Geiselhaft saß. Hier sind die markantesten Problem-Typen – ungerecht, unvollständig, aber durchaus unterhaltsam:
Da ist natürlich der EllenbogenAusfahrer: Kaum hat die Schwerkraft seine – geschätzt – 150 Kilo in den Flugzeugsitz plumpsen lassen, parkt dieser Typ seinen Ellenbogen mitsamt Arm und fleischiger Hand auf der Armlehne. Manchmal flankiert durch ein rhetorisch hingemurmeltes „Stört Sie nicht – oder?“Doch, das stört sehr, aber man ist ja höflich, sagt nichts, weil man noch nicht ahnt, dass durchs Ellenbogen-Abspreizen kurz darauf offenbar wird: Diesem Typ ist ein Deo ebenso unbekannt wie gute Manieren. Doch da ist es schon zu spät – keine Chance zum Platzwechsel, der Flieger ist voll besetzt und hebt ab, für die nächsten Stunden umwölkt von MännerUmkleidekabinen-Odeur …
Ebenfalls eine Nebensitz-Niete ist der Daddel-Nerd. Er riecht nach Pommes und Mc-Menü, dessen Verpackungsreste er ins Netz der Vordersitzlehne knüllt. Dann den Mac aufklappt, die Kopfhörer in seinen Gehörgang klinkt und ein Ballerspiel startet. Wenn man nun nicht selbst dauerhaft aus dem Fenster schaut, dann läuft das Bildschirm-Gemetzel unweigerlich immer im Augenwinkel mit. Der Daddel-Nerd lässt seine Mitmenschen darum gerne teilhaben – mithilfe eines Tonpegels am Anschlag, der Kaskaden von Maschinengewehr-Salven weit über Daddel-Nerds‘ Kopfhörer hinaus in seine Umgebung wummert.
Wer solche nervenden „FlugBegleiter“und „Bahn-Sinnigen“, ebenso überstanden hat wie notorische Schuh-Auszieher, Dauer-Telefonierer und Vor-sich-hin-Summer, der hofft am Urlaubsort auf Ruhe – leider oft vergebens, besonders in Reisegruppen. Denn hier tritt als Schlagschatten der Reiseleitung nun stets die Programm-Reformerin auf: „Ich will´s ja nicht kompliziert machen“, ist stets ihr Intro-Satz, um dann vorzuschlagen, es sei doch besser, morgens erst in die Therme zu gehen, um dann mittags schon die erst für abends vorgesehene Weinprobe zu genießen, um dann abends ... Kundenfreundlich geht die Reiseleitung am ersten Tag noch auf diesen kompliziert zu realisierenden Single-Wunsch ein und der Programm-Reformerin damit auf den Leim. Denn sie ist in Personalunion auch Programm-Schwänzerin, Zu-spät-Kommerin und notorische Treffpunkte-nicht-Finderin. Dass ihre entsprechenden DramaQueen-Auftritte in den Folgetagen von der Gruppe mit Stöhnen und Augenrollen quittiert werden, ignoriert diese Frohnatur.
Ganz anders der Besserwisser: meist Typ ergrauter Oberstudienrat mit Haarkranz, Multifunktionsweste und KlettverschlussWandersandalen, der mit aufgeschlagenem Kunstreiseführer jedem Guide und seiner Gruppe unaufgefordert Nachhilfestunden zur Geschichte korinthischer SäulenArchitektur verpasst. Der Besserwisser hat alle Besichtigungsstationen im Reiseführer mit Textmarker angestrichen. In die Seiten hat der Besserwisser gelbe Post-itZettel geklebt, schiebt schon beim Ausstieg aus dem Bus rechtzeitig vor der Sehenswürdigkeit seine am Halsband baumelnde Halb-Brille auf die Nase, um dann mit den Worten: „Sicher ist das hier auch für euch alle interessant?“, zwei komplette Seiten vorzulesen. Als sich am dritten Tag Protest aus der Gruppe regt, klappt er beleidigt seinen Reiseführer zu und sagt laut zu seiner Frau: „Siehste, Almut, wir hätten doch mit Studiosus fahren sollen!“
Ebenfalls auf einen hohen Wortanteil kommt die Dauer-Plauderin. Und zwar mit durchdringender Stimme, Typ Hella von Sinnen. Damit fräst sich diese stets wie vom Stukkateur geschminkte MitFünfzigerin zunächst in die Gehörgänge von Reisenden in ihrer Nähe, ab dem zweiten Tag dann unaufhaltsam durch die ganze Gruppe. Die erfährt zuvörderst, warum die Dauer-Plauderin sich von ihrem Rolf getrennt hat. Sie weiß ferner zu berichten, wie „die Ferres“privat so ist, und dass die den „Maschi“eigentlich gar nicht liebt. Gelingt es mal einem Mitreisenden, ein Gespräch zu eröffnen – etwa über dessen letzten Bali-Urlaub, kapert die Dauer-Plauderin es mit ihrem tödlichen „AproposEnterhaken“: „Apropos Bali – als der Rolf und ich dort mal …“
Auch wenn´s auf All-inclusiveTrips nur selten was vor Ort zu zahlen gibt – der Feilscher wird seine wenigen Chancen eiskalt nutzen: Denn ein richtiger Feilscher quengelt nicht nur im Basar den
Preis beim Gewürzhändler runter, sondern auch im Hotel („Matratze zu hart“), im Museum („wieso voller Eintritt, wenn der Monet derzeit nicht hier, sondern im Pariser Louvre ausgestellt wird?“) oder im Restaurant (Ich hatte das Steak medium-rare bestellt!“). Der Feilscher tritt auch als selbst ernannter Peter Zwegat seiner Mitreisenden auf: „Würde ich nicht kaufen, für den Preis“oder: „Was – so viel haben sie dafür ausgegeben?“, sind zwei seiner Top-Ten-Finanztipps zum Private Equity-Management in der Urlaubskasse.
Die Reihe der Reise-Nervensägen ist nur vollständig mit dem Gastro-Ignoranten, der im Michelin-Stern-Restaurant ungerührt „Zigeunerschnitzel-Pommes-undn-Pils“bestellt. Um es dann kauend mit dem Schnitzel von Manne im „Eichenkrug“bei ihm zu Hause zu vergleichen. Erwähnt werden müssen – last but not least – noch Balzer und Balzerinnen, die Gruppenreisen zum Live-Tinder-Event machen wollen und alles anbaggern, was bei drei nicht auf dem Zimmer ist. Dafür gewähren sie wahlweise einen Panoramablick auf ihren Brusthaar-Flokati oder auf mehr oder weniger gelungene Versuche von Silikon-Chirurgen, der Schwerkraft zu trotzen.