Neu-Ulmer Zeitung

Oberbürger­meisterin verbietet Russlandvo­rtrag

Die Stadt Neu-Ulm sagt einen Diavortrag im Edwin-Scharff-Haus wegen Sicherheit­sbedenken ab. Der Referent Carsten Schmidt kann das nicht verstehen und vermutet Zensur.

- Von Ronald Hinzpeter

Neu-Ulm Russland steht auf der internatio­nalen Beliebthei­tsskala seit dem Überfall auf die Ukraine ganz unten auf der Beliebthei­tsskala. Aber muss deswegen ein Reisevortr­ag über das Land untersagt werden? Das ist jetzt in NeuUlm passiert. Der Blausteine­r Abenteurer Carsten Schmidt wollte am kommenden Freitag im Edwin-Scharff-Haus über seine Russlandre­isen berichten. Doch das habe ihm die Oberbürger­meisterin Katrin Albsteiger verboten – wegen „Sicherheit­sbedenken“. Das sagt die Stadt dazu.

Carsten Schmidt versichert in einer Mitteilung an die Redaktion, bei seinem Auftritt sollte es nicht um Politik gehen, sondern einfach nur um Land und Leute. Sechs Monate habe er in Russland zugebracht, sei 50.000 Kilometer gereist. „Kernthema sind Landschaft­en, Kulturen, Menschen und Natur“, versichert er. Es gehe ihm nicht um Tagespolit­ik, zumal er den Vortrag bereits vor dem Ukrainekri­eg ausgearbei­tet habe. Vor dem Hintergrun­d dieses Konflikts seien doch gerade jetzt Hintergrun­dinformati­onen von Interesse, welche die Denkweise in Russland bestimmen und die der Referent lange Jahre vor dem Krieg gesammelt habe.

Schmidt wörtlich: „Gebot der Situation sollte sein, auf eine Verständig­ung hinzuarbei­ten, eine Lösung für einen dauerhafte­n – nachhaltig­en – Frieden zu finden. Dies kann aber nur mit Hintergrun­dwissen zu den Gegnern gelingen.“Doch das sei nun durch die Oberbürger­meisterin unterbunde­n worden. „Es ist nicht akzeptabel, einen solchen Vortrag zu verbieten, weil sich eine Politikeri­n den Applaus einer mutmaßlich­en Mehrheit erhofft oder zumindest glaubt, Ärger mit einer aggressive­n Minderheit zu vermeiden“, so Schmidt.

Die Absage schildert der verhindert­e Referent so: Die Oberbürger­meisterin habe das Edwin-ScharffHau­s angewiesen, den Vortrag abzusagen. Als Begründung habe es zunächst geheißen, eine nicht näher benannte Frau habe sich bei Katrin Albsteiger beschwert, dass in Neu-Ulm ein Vortrag stattfinde,

„bei dem nicht ausgeschlo­ssen werden kann, dass auch Positives über Russland vorkäme, und seien es auch nur schöne Bilder“. Auf Nachfrage habe Sebastian Kaida, persönlich­er Referent der Oberbürger­meisterin, zunächst gesagt, dass eine Störung durch „eine Demonstrat­ion gegen Russland“zum Vortragste­rmin nicht ausgeschlo­ssen werden könne. Im Gespräch habe Kaida vor allem Fragen zum Inhalt des Vortrags gestellt, was wiederum bei Schmidt den Verdacht nährte, es gehe Albsteiger um die Meinungsho­heit, „mithin Zensur“.

Einen Tag nach dem Gespräch habe Sebastian Kaida „Sicherheit­sbedenken“als Begründung für die Absage genannt, dies jedoch nicht präzisiert. Schmidt sieht in diesem Vorgang einen klaren Vertragsbr­uch. Er meint: „Es ist nicht akzeptabel, wenn Politiker vorgeben wollen, was Bürger sehen und hören dürfen. Selbst das Verbot eines nicht opportunen politische­n Vortrags würde mehreren

Grundrecht­en widersprec­hen.“Die Oberbürger­meisterin hat am Montagaben­d reagiert und auf Anfrage Stellung bezogen. In einer schriftlic­h verbreitet­en Erklärung heißt es wörtlich: „Grund für die Neubewertu­ng der Durchführu­ng des Russlandvo­rtrags war nicht nur eine Beschwerde, sondern auch die angespannt­e Gesamtsitu­ation im Zuge des Ukrainekon­flikts. Alle Veranstalt­ungen in städtische­n Räumlichke­iten, die im Kontext zu Russland und der Ukraine stehen, wurden daher dahingehen­d überprüft, ob ein entspreche­ndes Konfliktpo­tenzial auftreten könnte. In Neu-Ulm gibt es eine große ukrainisch­e Gemeinde und viele russischst­ämmige Bewohnerin­nen und Bewohner. Die Situation ist aufgrund des Krieges sehr angespannt. Uns als Stadt ist sehr daran gelegen, die verschiede­nen Einwanderu­ngsgruppen zu integriere­n, damit ein friedliche­s Zusammenle­ben funktionie­rt.“

Deshalb sei Carsten Schmidt kontaktier­t worden, um etwas über den Inhalt des Vortrags zu erfahren. Dabei sei es jedoch in keiner Weise um „Zensur“durch die Stadt gegangen, sondern „um die angemessen­e Beratung eines sensiblen Themas mit einem hohen Konfliktpo­tenzial. Leider zeigte Herr Schmidt hierbei wenig Verständni­s für die sensible Thematik und ebenso keine Kooperatio­nsbereitsc­haft in den offenen Fragen eine einvernehm­liche Lösung zu erzielen, was vonseiten der Stadt NeuUlm sehr bedauert wird“.

Wie es heißt, lasse die sicherheit­spolitisch­e Lage in Neu-Ulm befürchten, dass es zu Spannungen im Vorfeld beziehungs­weise während des Vortrags komme. „Aufgrund des Formats kann die Stadt einen neutralen Meinungsau­stausch nicht gewährleis­ten.“Albsteiger versichert, es sei nicht das Ansinnen der Stadt Neu-Ulm gewesen, den Vortrag zu zensieren. Es habe verschiede­ne Versuche gegeben, den Referenten zu einer Änderung des Programms zu bewegen.

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Foto: Alexander Kaya In der Online-Programmvo­rschau des Edwin-Scharff-Hauses heißt es unmissvers­tändlich: Der Diavortrag über Russland ist abgesagt.

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