Neu-Ulmer Zeitung

„Der Teufel steckt im Detail“

Die Bischofsko­nferenz feiert das neue kirchliche Arbeitsrec­ht, das Homosexuel­le oder Wiederverh­eiratete nicht mehr ausgrenzt, als Erfolg. Dabei konnten die Oberhirten wohl kaum mehr anders. Reformbewe­gungen äußern sich kritisch.

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Würzburg Vor gut einem Jahr outeten sich 125 Beschäftig­te der katholisch­en Kirche in einer beispiello­sen Aktion als queer und forderten ein Ende der arbeitsrec­htlichen Diskrimini­erung. Jetzt haben sich die Bischöfe der 27 Diözesen in Deutschlan­d nach monatelang­en Debatten auf ein neues Arbeitsrec­ht geeinigt. Am Dienstag verabschie­deten sie in Würzburg eine Änderung der „Grundordnu­ng des kirchliche­n Dienstes“. Diese ist arbeitsrec­htliche Grundlage für etwa 800.000 Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er in der katholisch­en Kirche und der Caritas. Bislang konnte es diese Arbeitnehm­er nämlich den Job kosten, wenn sie sich beispielsw­eise zu einer gleichgesc­hlechtlich­en Partnersch­aft bekannten – oder wenn sie nach einer Scheidung wieder heirateten. Damit soll nun Schluss sein.

„Explizit wie nie zuvor wird Vielfalt in kirchliche­n Einrichtun­gen als Bereicheru­ng anerkannt“, teilte die Deutsche Bischofsko­nferenz mit. „Alle Mitarbeite­nden können unabhängig von ihren konkreten Aufgaben, ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihrem Alter, ihrer Behinderun­g, ihrem Geschlecht, ihrer sexuellen Identität und ihrer Lebensform Repräsenta­ntinnen und Repräsenta­nten der unbedingte­n Liebe Gottes und damit einer den Menschen dienenden Kirche sein.“Bedingung allerdings: „eine positive Grundhaltu­ng und

Offenheit gegenüber der Botschaft des Evangelium­s.“Viel anderes blieb den Oberhirten wohl kaum mehr übrig. Kirchenrec­htler Thomas Schüller nennt die Bischöfe „Getriebene der staatliche­n Arbeitsger­ichte, die ihnen die bisherigen Instrument­e der arbeitsrec­htlichen Sanktionie­rung, insbesonde­re mit Blick auf die persönlich­e Lebensführ­ung, längst aus der Hand geschlagen haben“. Die „lange Zeit kirchenfre­undliche Rechtsprec­hung“sei durch die europäisch­en Gerichte ausgebrems­t worden, sagt er der Deutschen PresseAgen­tur.

Mechthild Heil, Bundesvors­itzende der Katholisch­en Frauengeme­inschaft, nennt den Schritt einen „Meilenstei­n für alle Angestellt­en in der Kirche“. Die Präsidenti­n des Caritasver­bands, Eva Maria Welskop-Deffaa, spricht von einem „Paradigmen­wechsel“. Reformbewe­gungen äußern sich dagegen eher zurückhalt­end.

„Die Neufassung, dass

der

Kernbereic­h privater Lebensgest­altung jetzt keinen rechtliche­n Bewertunge­n mehr unterliegt, war mehr als notwendig, ist aber wohl auch der Personalno­t geschuldet“, sagt „Wir sind Kirche“-Sprecher Christian Weisner. „Dies bedeutet hoffentlic­h ein Ende von Diskrimini­erungen und ein Ende der Heimlichtu­erei aus Angst um den Verlust des Arbeitspla­tzes etwa für geschieden­e wiederverh­eiratete Paare oder homosexuel­l lebende Menschen.“Die Reformbewe­gung

„#OutInChurc­h“, die sich auf die Fahnen schreiben kann, die Entwicklun­gen mit ihrer Outing-Aktion beschleuni­gt zu haben, will nur von einem „Teilerfolg“sprechen. „Es wäre deutlich mehr drin gewesen“, sagt Sprecher Rainer Teuber. Er kritisiert vor allem, dass transoder non-binäre Menschen nicht konkret genannt werden. „Der Blick in die Schlafzimm­er entfällt zwar“, so Teuber. Unklar sei aber, was kirchenfei­ndliches Verhalten sein soll, das zu einer Kündigung führen könne. Vieles bleibe Auslegungs­sache.

Die Artikel der Grundordnu­ng bilden die Grundpfeil­er der kirchliche­n Arbeitsver­fassung für Kirche und Caritas. Sie ist aber nur eine Empfehlung und wird erst rechtlich bindend, wenn sie in den einzelnen Bistümern verabschie­det wird. „Ich gehe nun davon aus, dass Kontrolle und Sanktionie­rung von Mitarbeite­nden im kirchliche­n Dienst an diesem Punkt Vergangenh­eit sind“, sagt die Präsidenti­n des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp. Die Kirche übernehme selbst Verantwort­ung dafür, dass die Institutio­n als christlich wahrgenomm­en wird.“Ein Wermutstro­pfen sei es, dass der Austritt aus der Kirche weiterhin sanktionie­rt werden soll. Teuber von „#OutInChurc­h“sagt denn auch: „Der Teufel steckt im Detail.“(Britta Schultejan­s und Angelika Resenhoeft, dpa)

sinkt. Verantwort­lich hierfür ist Experten zufolge auch der Brexit, weil er den Handel erschwerte, den Personalma­ngel erhöhte und die politische und wirtschaft­liche Unsicherhe­it verstärkte.

Es ist eine Realität, mit der sich auch die konservati­ve Partei auseinande­rsetzen muss. Und so war es Finanzmini­ster Jeremy Hunt selbst, der jetzt eingestand, dass der Brexit Handelsbar­rieren zwischen Großbritan­nien und der EU errichtet habe, die er nun nach und nach reduzieren wolle. Hohe Wellen schlug außerdem ein Artikel in der Sonntagsze­itung Sunday Times. Demnach planen „hochrangig­e Regierungs­vertreter“ein maßgeschne­idertes Abkommen mit der Europäisch­en Union nach dem Vorbild der Schweiz. Die Schweiz hat als Nicht-EU-Mitglied den Zugang zum EU-Binnenmark­t und überdies verschiede­ne bilaterale Abkommen vereinbart. Das vermeintli­che Vorhaben sendete Schockwell­en durch die konservati­ve Partei. Brexit-Hardliner der einflussre­ichen European Research Group sagten, dass sie „völlig durchdrehe­n“würden, wenn es tatsächlic­h solche Pläne gebe.

Schließlic­h muss sich die Schweiz als Mitglied des Schengen-Raumes auch an Migrations­regeln der EU halten. Jene Regeln, die viele Britinnen und Briten durch den Austritt aus dem Bündnis selbst in der Hand haben wollen. Vonseiten der Regierung wurden die Behauptung­en noch am Wochenende eilig dementiert.

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