Auf der Jagd nach dem Steinewerfer
Die Serie von gefährlichen Steinwürfen auf der B2 im Raum Augsburg besorgt viele Autofahrer und beschäftigt die Polizei. Diese tappt offenbar noch im Dunkeln.
Nordendorf/Memmingen Bei voller Fahrt ist plötzlich ein lauter Knall zu hören. Ein mehrere Zentimeter großer Stein durchschlägt die Windschutzscheibe des BMW. Am Steuer sitzt eine 60 Jahre alte Frau, die durch die herumfliegenden Glassplitter leicht verletzt wird. Es ist wohl nur Glück, dass nicht noch mehr passiert.
Mutmaßlich wurde der Stein von einer Brücke auf die B2 im Landkreis Augsburg geworfen. Wer für den lebensgefährlichen Anschlag am Montagmorgen verantwortlich ist? Diese Frage beschäftigt die Polizei – eigentlich schon seit Wochen. Denn mittlerweile zählen die Ermittler mindestens 20 solcher Fälle auf der autobahnähnlichen Bundesstraße. Und die Frequenz der Steinwürfe nimmt zu. Inzwischen vergeht kaum ein Tag, an dem keine neuen Fälle bekannt werden. Allein in den vergangenen fünf Tagen kamen sechs neue dazu.
Begonnen hat die Anschlagsserie im Oktober. Zwei Frauen wurden seither leicht verletzt. Von Zufall gehen die Ermittler schon lange nicht mehr aus. Ein Steinschlag, also eine Beschädigung durch aufgewirbelte Steine, sei auszuschließen.
Auffällig ist, dass sich die gefährlichen Steinwürfe bislang fast ausschließlich im nördlichen Landkreis Augsburg abspielen. Zwischen Gersthofen (Kreis Augsburg) und Mertingen (Kreis Donau-Ries)
liegen etwa 30 Kilometer. Auf der Strecke finden sich 16 Brücken über die B2. Darunter etliche, die in den vergangenen Wochen zum Tatort wurden. Die Polizei ist in erhöhter Alarmbereitschaft, spricht von „umfangreichen Ermittlungen und Maßnahmen“. Zuletzt waren entlang der B2 auffällig viele Streifenwagen zu sehen, darunter auch zivile Fahrzeuge. Mehrfach kreiste ein Hubschrauber über den Tatorten, es gab etliche Zeugenaufrufe. Einige Hinweise seien seither zwar eingegangen, berichtet Polizeisprecher Markus Trieb. Doch zum Durchbruch führten auch sie bislang nicht. Trieb drückt es so aus: „Fakt ist, dass wir trotz laufender polizeilicher Ermittlungen weiterhin auf die Mithilfe der Bevölkerung angewiesen sind.“
Darüber hinaus hält sich die Polizei mit Details bedeckt. Auch zur Frage, ob Videokameras an der Strecke und den Brücken sinnvoll sein könnten oder gar angedacht sind, will sich Sprecher Trieb nicht äußern. „Was Inhalt der derzeitigen Ermittlungen beziehungsweise Maßnahmen ist, können wir nicht offenlegen. Hier lassen wir uns nicht in die Karten schauen, um einen Ermittlungserfolg nicht zu gefährden“, sagt er.
Schon vor der aktuellen Anschlagsserie erschütterten Steinwürfe die Region. Im Sommer schlugen immer wieder Steine auf Autos im Stadtgebiet Augsburg ein, die vermutlich von Brücken über der B17 geworfen wurden. Ein Täter konnte auch in diesen Fällen nicht ermittelt werden. Laut Polizei
gibt es aktuell keine Hinweise, dass die Taten im Stadtgebiet in Zusammenhang mit der aktuellen Anschlagsserie im Landkreis Augsburg stehen. Ausgeschlossen werden könne das aber auch nicht.
Generell kann gesagt werden, dass ein großer Teil der Täter unentdeckt bleibt. Meist sind sie längst verschwunden, sobald die Polizei am Tatort ankommt. In den vergangenen zwei Jahren habe die Polizei in Nordschwaben etwa die Hälfte aller bekannten Fälle aufklären können, teilt die Polizei mit. Meist handle es sich bei den Tätern um erwachsene Männer.
Was Steinewerfern droht, wenn sie erwischt werden, zeigte der Fall eines Mannes aus dem Allgäu. Der 42-Jährige hat nach Ansicht des Memminger Landgerichtes vor zwei Jahren einen 1,5 Kilo schweren Stein auf die A96 bei Memmingerberg geworfen. Dieser schlug in einem Auto ein, und nur durch viel Glück wurde niemand verletzt. Der Steinwerfer wurde dennoch zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt, weil er den Tod zweier Menschen „billigend in Kauf“genommen habe.
Polizei will sich „nicht in die Karten schauen“lassen