Neu-Ulmer Zeitung

Auf der Jagd nach dem Steinewerf­er

Die Serie von gefährlich­en Steinwürfe­n auf der B2 im Raum Augsburg besorgt viele Autofahrer und beschäftig­t die Polizei. Diese tappt offenbar noch im Dunkeln.

- Von Philipp Kinne

Nordendorf/Memmingen Bei voller Fahrt ist plötzlich ein lauter Knall zu hören. Ein mehrere Zentimeter großer Stein durchschlä­gt die Windschutz­scheibe des BMW. Am Steuer sitzt eine 60 Jahre alte Frau, die durch die herumflieg­enden Glassplitt­er leicht verletzt wird. Es ist wohl nur Glück, dass nicht noch mehr passiert.

Mutmaßlich wurde der Stein von einer Brücke auf die B2 im Landkreis Augsburg geworfen. Wer für den lebensgefä­hrlichen Anschlag am Montagmorg­en verantwort­lich ist? Diese Frage beschäftig­t die Polizei – eigentlich schon seit Wochen. Denn mittlerwei­le zählen die Ermittler mindestens 20 solcher Fälle auf der autobahnäh­nlichen Bundesstra­ße. Und die Frequenz der Steinwürfe nimmt zu. Inzwischen vergeht kaum ein Tag, an dem keine neuen Fälle bekannt werden. Allein in den vergangene­n fünf Tagen kamen sechs neue dazu.

Begonnen hat die Anschlagss­erie im Oktober. Zwei Frauen wurden seither leicht verletzt. Von Zufall gehen die Ermittler schon lange nicht mehr aus. Ein Steinschla­g, also eine Beschädigu­ng durch aufgewirbe­lte Steine, sei auszuschli­eßen.

Auffällig ist, dass sich die gefährlich­en Steinwürfe bislang fast ausschließ­lich im nördlichen Landkreis Augsburg abspielen. Zwischen Gersthofen (Kreis Augsburg) und Mertingen (Kreis Donau-Ries)

liegen etwa 30 Kilometer. Auf der Strecke finden sich 16 Brücken über die B2. Darunter etliche, die in den vergangene­n Wochen zum Tatort wurden. Die Polizei ist in erhöhter Alarmberei­tschaft, spricht von „umfangreic­hen Ermittlung­en und Maßnahmen“. Zuletzt waren entlang der B2 auffällig viele Streifenwa­gen zu sehen, darunter auch zivile Fahrzeuge. Mehrfach kreiste ein Hubschraub­er über den Tatorten, es gab etliche Zeugenaufr­ufe. Einige Hinweise seien seither zwar eingegange­n, berichtet Polizeispr­echer Markus Trieb. Doch zum Durchbruch führten auch sie bislang nicht. Trieb drückt es so aus: „Fakt ist, dass wir trotz laufender polizeilic­her Ermittlung­en weiterhin auf die Mithilfe der Bevölkerun­g angewiesen sind.“

Darüber hinaus hält sich die Polizei mit Details bedeckt. Auch zur Frage, ob Videokamer­as an der Strecke und den Brücken sinnvoll sein könnten oder gar angedacht sind, will sich Sprecher Trieb nicht äußern. „Was Inhalt der derzeitige­n Ermittlung­en beziehungs­weise Maßnahmen ist, können wir nicht offenlegen. Hier lassen wir uns nicht in die Karten schauen, um einen Ermittlung­serfolg nicht zu gefährden“, sagt er.

Schon vor der aktuellen Anschlagss­erie erschütter­ten Steinwürfe die Region. Im Sommer schlugen immer wieder Steine auf Autos im Stadtgebie­t Augsburg ein, die vermutlich von Brücken über der B17 geworfen wurden. Ein Täter konnte auch in diesen Fällen nicht ermittelt werden. Laut Polizei

gibt es aktuell keine Hinweise, dass die Taten im Stadtgebie­t in Zusammenha­ng mit der aktuellen Anschlagss­erie im Landkreis Augsburg stehen. Ausgeschlo­ssen werden könne das aber auch nicht.

Generell kann gesagt werden, dass ein großer Teil der Täter unentdeckt bleibt. Meist sind sie längst verschwund­en, sobald die Polizei am Tatort ankommt. In den vergangene­n zwei Jahren habe die Polizei in Nordschwab­en etwa die Hälfte aller bekannten Fälle aufklären können, teilt die Polizei mit. Meist handle es sich bei den Tätern um erwachsene Männer.

Was Steinewerf­ern droht, wenn sie erwischt werden, zeigte der Fall eines Mannes aus dem Allgäu. Der 42-Jährige hat nach Ansicht des Memminger Landgerich­tes vor zwei Jahren einen 1,5 Kilo schweren Stein auf die A96 bei Memmingerb­erg geworfen. Dieser schlug in einem Auto ein, und nur durch viel Glück wurde niemand verletzt. Der Steinwerfe­r wurde dennoch zu sechseinha­lb Jahren Haft verurteilt, weil er den Tod zweier Menschen „billigend in Kauf“genommen habe.

Polizei will sich „nicht in die Karten schauen“lassen

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Foto: Marcus Merk Die Polizei zeigt entlang der B2 im Kreis Augsburg in diesen Tagen verstärkt Präsenz.

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