Ausgangsbeschränkung war unverhältnismäßig
Zu Beginn der Corona-Pandemie durften die Menschen in Bayern ihre Wohnung nicht ohne triftigen Grund verlassen. Nun ist juristisch endgültig geklärt: Damit ist die Staatsregierung übers Ziel hinausgeschossen.
München Es ist eine empfindliche juristische Niederlage für die bayerische Staatsregierung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU): Bayerns Corona-Regeln aus dem März 2020 waren unverhältnismäßig scharf. Das geht aus einer am Dienstag veröffentlichten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig hervor. Die damalige Ausgangsbeschränkung sei mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar, hieß es.
Die Richter wiesen damit eine Revision der Staatsregierung gegen ein vorheriges Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zurück. Der hatte die Corona-Verordnung der Staatsregierung aus dem Frühjahr 2020 nachträglich für unwirksam erklärt.
Konkret ging es um die bayerische Corona-Verordnung vom 31.
März 2020, die bis Mitte April in Kraft war. Andere Bundesländer erließen damals lediglich Kontaktbeschränkungen. Die Staatsregierung griff dagegen zum deutlich schärferen Mittel von Ausgangsbeschränkungen: Das Verlassen der eigenen Wohnung war nur bei Vorliegen triftiger Gründe erlaubt. Dazu zählten etwa die Berufsausübung, Einkäufe oder Sport im Freien. Für Schlagzeilen sorgte damals, dass anfangs schon das bloße Sitzen oder Lesen auf einer Parkbank nicht erlaubt war. Das Bundesverwaltungsgericht urteilte nun – wie schon der Bayerische Verwaltungsgerichtshof – dass Kontaktbeschränkungen als „mildere Maßnahme“in Betracht gekommen wären. Das ganztägige Verbot, die eigene Wohnung zum Verweilen im Freien zu verlassen, sei „ein schwerer Eingriff in die
Grundrechte“gewesen. Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte in seinem Urteil festgestellt, dass die erste Ausgangsbeschränkung zwar „grundsätzlich geeignet“gewesen sei, die CoronaÜbertragung zu hemmen. In ihrer strengen Ausgestaltung sei es aber „keine notwendige Maßnahme“gewesen. Zudem sei die Regel zu „eng gefasst“und somit unverhältnismäßig gewesen, hieß es im Beschluss der Richter. Das Bundesverwaltungsgericht stellte sich nun hinter die Argumentation.
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) verwies am Dienstag darauf, dass in der ersten Pandemie-Welle rasch zum Schutz der Menschen hätte gehandelt werden müssen. „Im Frühjahr 2020 gab es nur begrenzte Erkenntnisse über das neuartige und hochansteckende Coronavirus, keine Medikamente und keinen Impfstoff. Klar war, dass angesichts der vielen schweren Krankheitsverläufe und einer hohen Sterblichkeit ein konsequentes Vorgehen notwendig war – und genau das haben wir in Bayern getan“, erklärte er. Der Schutz der Menschen sei „Maßstab und Ziel unseres Handelns“gewesen. Holetschek betonte, die Staatsregierung sei überzeugt davon, dass die Ausgangsbeschränkungen „zum Wohl und zur Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger Bayerns aus damaliger Sicht ein wirksames und richtiges Mittel waren“. „Daran ändert sich auch nichts, wenn jetzt rückblickend Gerichte zu einer anderen Einschätzung kommen.“Man respektiere die Entscheidung, werde die Urteilsgründe sorgfältig analysieren und die erforderlichen Konsequenzen ziehen. „Aber klar ist auch: Bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie mussten wir auch juristisch oft Neuland betreten. Dass dann die Gerichte manche Streitfragen auch gegen uns entscheiden, wird nicht ausbleiben.“(dpa) Kommentar