Die politische WM
Das Turnier in Katar ist schon mit dem Auftakt an vielen Stellen so überladen, dass die Spieler Hilferufe der Verzweiflung aussenden. Immerhin droht Irans Kickern vorerst keine Strafe.
Abdalasis bin Turki al-Faisal auf Twitter. Zum Oberheld einer beherzt-disziplinierten Mannschaft wurde Torwart Mohammed Alowais, ausgezeichnet auch als „Man of the Match“. Auch Messi konnte ihn nicht mehr überwinden. Für Argentinien unter Scaloni war es die erste Niederlage nach 36 Spielen, zuletzt hatten sie bei der Copa America 2019 verloren. Bei 37 ungeschlagenen Spielen steht der Rekord, weiterhin allein gehalten von Nicht-WM-Teilnehmer Italien. Und auf einmal wurden wieder die Zweifel an WM-Trainerdebütant Scaloni laut. Der mittlerweile 44 Jahre alte Ex-Profi hatte die Mannschaft zunächst als Notlösung ohne große Trainererfahrung 2018 übernommen. (dpa) Argentinien E. Martínez - Molina, Romero (59. L. Martinez), Otamendi, Tagliafico (71. Acuna) - de Paul, Paredes (59. Fernández), Gomez (59. Alvarez) - Messi, Martínez, di María
Saudi-Arabien Alowais - Abdulhamid, AlTambakti, Al-Bulaihi, Al-Shahrani (90.+9 AlBuraik) - Kanno, Al-Faradsch (45.+4 AlAbed (89. Al-Amri)), Al-Malki - Al-Buraikan (89. Asiri), Al-Dausari, Al-Shehri (78. AlGhannam)
Tore 1:0 Messi (10./Foulelfmeter), 1:1 AlShehri (48.), 1:2 Al-Dausari (53.)
Doha Ein junges Paar, beide vielleicht so um die 30, hatte sich fest an die Hände genommen. Sie hatte ihr Gesicht dezent geschminkt. In den iranischen Landesfarben. Er trug auch die grün-weiß-roten Erkennungszeichen an seinem T-Shirt. Kopfnickend bestätigen beide, aus Teheran angereist zu sein. Es war noch mehr als drei Stunden bis zum Anpfiff des WMSpiels zwischen England und Iran (6:2), als die beiden an der gesperrten Hauptstraße Al Waab mehrfach von Medienvertretern gefragt worden sind. Zu der WM. Und der Lage in ihrer Heimat. Seine Antwort: „Das eine ist Fußball, das andere ist Politik. Wir wollen ein schönes Spiel sehen.“Sie lächelte verlegen; spürbar, dass er nicht die Wahrheit sagen wollte. Und erst recht wollten sie nicht ihr Gesicht in Fernsehkameras zeigen oder in Zeitungsartikeln mit Namen vorkommen. Das iranische Regime hat Augen und Ohren auch in Katar. Es sind Begebenheiten wie diese, die bei einer an vielen Stellen hochpolitischen Weltmeisterschaft beklemmend, bedrückend wirken. So befreiend es später wirkte, dass die iranischen Nationalspieler beim Abspielen der Hymne der Islamischen Republik eisern geschwiegen haben.
Doch in welchem Spannungsfeld sich diejenigen bewegen, die eigentlich die Hauptrolle spielen sollen, gefiel Irans Nationaltrainer Carlos Queiroz nicht. Viele haben den portugiesischen Weltenbummler noch nie so wütend erlebt, wie in dem Zeltbau des Khalifa International Stadium. Die Reporter aus aller Welt trugen Masken, als sich ein Fußballlehrer Luft verschaffte. „Moralisten und Lehrer, lasst die Kids das Spiel spielen. Nehmt ihnen nicht den Spaß und die Fröhlichkeit.“Mit Kids hatte der 69-Jährige seine Kicker gemeint, die wirklich seine Kinder sein könnten. „Sie wollen einfach für ihr Land Fußball spielen, wie es alle anderen Spieler auch können. Es ist nicht korrekt, sie Dinge zu fragen, für die sie nichts können.“
Tatsächlich scheint auf seinen Protagonisten riesiger Druck zu lasten. Jede Geste, jedes Statement wird politisch interpretiert. Seine Spieler ducken sich nicht weg, ganz im Gegenteil. Immerhin scheinen sie zunächst keine Konsequenzen befürchten zu müssen. Dies werde während des Turniers nicht passieren, da nicht alle Spieler der Mannschaft gesperrt werden könnten, schrieben iranische Sportjournalisten. Aber eine temporäre Sperre oder Gehaltskürzungen für die Spieler, die in der iranischen Liga beschäftigt sind, wären nach der WM durchaus denkbar.
Wenn Fußballer dermaßen beladen werden, ist das einem Spiel nicht dienlich, das von Intuitionen und Emotionen lebt. Wie soll sich das entfalten? Eigentlich soll die erste WM in einem arabischen Land eine des Austausches verschiedener Kulturen, Religionen und Anschauungen sein. Vielleicht kommen solche Begegnungen rund ums bunte Fan-Festival noch zustande, doch der Fehlstart ist ein Lehrbeispiel, wie interkulturelle Verständigung nicht geht.
Die WM am Mittwoch
Vorrunde, Gruppe F:
ARD, 11 Uhr Marokko – Kroatien ARD, 20 Uhr Belgien – Kanada Vorrunde, Gruppe E:
ARD, 14 Uhr Deutschland – Japan ARD, 17 Uhr Spanien – Costa Rica WM-Sendungen
ARD, 10.05/13.10/16.30/19.30 Uhr
Weitere TV-Tipps
CURLING EM in Östersund/SWE Eurosport, 19 Uhr
VOLLEYBALL Bundesliga Frauen Sport1, 19 Wiesbaden – Straubing
EISHOCKEY Champions League Sport1, 21.15 Uhr (Liveeinstieg), Achtelfinal-Rückspiel: EV Zug - München