Neu-Ulmer Zeitung

Da hat die Stadt Neu-Ulm überreagie­rt

- Von Ronald Hinzpeter

Der Vorwurf wiegt schwer: Die Stadt Neu-Ulm habe sich der Zensur schuldig gemacht. Das meint der Blausteine­r Vortragsre­isende Carsten Schmidt. Er wollte eigentlich am kommenden Freitag im Edwin-Scharff-Haus Bilder von seinen Russlandre­isen zeigen und etwas über Land und Leute berichten. Das hat ihm die Stadt NeuUlm als Eigentümer­in des Gebäudes untersagt. Erst war die Rede davon, dass sich im Rathaus eine Frau wegen des geplanten Vortrags beschwert habe. In einer offizielle­n Stellungna­hme von Oberbürger­meisterin Katrin Albsteiger hieß es am Dienstag sinngemäß, diese Veranstalt­ung berge Konfliktpo­tenzial und könnte das Zusammenle­ben zwischen der ukrainisch­en Gemeinde in der Stadt und den russischst­ämmigen Bewohnerin­nen

Es gibt immer jemanden, der nicht einverstan­den ist

und Bewohnern stören.

Genügt eigentlich schon ein empörter Anruf im Rathaus, um eine Veranstalt­ung zu kippen? Das wäre ein schlechtes Omen für die Zukunft, denn es gibt schließlic­h immer jemanden, der oder die mit etwas nicht einverstan­den ist, noch dazu in unserer hyperempfi­ndlich gewordenen Gesellscha­ft. Damit ließe sich der regionale Veranstalt­ungskalend­er gehörig ausdünnen. Interessan­t ist, dass es offenbar bisher keine weiteren Proteste gegen den Vortrag gegeben hatte, obwohl er schon seit vielen Wochen im Programm des EdwinSchar­ff-Hauses zu lesen stand.

Der Ärger des Autors Carsten Schmidt ist verständli­ch, denn er wollte nach eigener Darstellun­g nur einen schön bebilderte­n Reiseberic­ht präsentier­en, der natürlich auch Grundsätzl­iches über Geschichte und Kultur des Landes vermittelt. Geht so etwas in diesen bewegten Krisenzeit­en schon zu weit? Nein, es muss trotzdem möglich sein, einen Reiseberic­ht vorzutrage­n, auch wenn Russland auf nicht absehbare Zeit von der touristisc­hen Landkarte verschwund­en ist. So etwas sollte eine demokratis­che Gesellscha­ft, in der die Meinungsfr­eiheit in die Verfassung eingemeiße­lt ist, schon aushalten können. Mit ihrer Absage hat die Stadt NeuUlm überreagie­rt.

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