Da hat die Stadt Neu-Ulm überreagiert
Der Vorwurf wiegt schwer: Die Stadt Neu-Ulm habe sich der Zensur schuldig gemacht. Das meint der Blausteiner Vortragsreisende Carsten Schmidt. Er wollte eigentlich am kommenden Freitag im Edwin-Scharff-Haus Bilder von seinen Russlandreisen zeigen und etwas über Land und Leute berichten. Das hat ihm die Stadt NeuUlm als Eigentümerin des Gebäudes untersagt. Erst war die Rede davon, dass sich im Rathaus eine Frau wegen des geplanten Vortrags beschwert habe. In einer offiziellen Stellungnahme von Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger hieß es am Dienstag sinngemäß, diese Veranstaltung berge Konfliktpotenzial und könnte das Zusammenleben zwischen der ukrainischen Gemeinde in der Stadt und den russischstämmigen Bewohnerinnen
Es gibt immer jemanden, der nicht einverstanden ist
und Bewohnern stören.
Genügt eigentlich schon ein empörter Anruf im Rathaus, um eine Veranstaltung zu kippen? Das wäre ein schlechtes Omen für die Zukunft, denn es gibt schließlich immer jemanden, der oder die mit etwas nicht einverstanden ist, noch dazu in unserer hyperempfindlich gewordenen Gesellschaft. Damit ließe sich der regionale Veranstaltungskalender gehörig ausdünnen. Interessant ist, dass es offenbar bisher keine weiteren Proteste gegen den Vortrag gegeben hatte, obwohl er schon seit vielen Wochen im Programm des EdwinScharff-Hauses zu lesen stand.
Der Ärger des Autors Carsten Schmidt ist verständlich, denn er wollte nach eigener Darstellung nur einen schön bebilderten Reisebericht präsentieren, der natürlich auch Grundsätzliches über Geschichte und Kultur des Landes vermittelt. Geht so etwas in diesen bewegten Krisenzeiten schon zu weit? Nein, es muss trotzdem möglich sein, einen Reisebericht vorzutragen, auch wenn Russland auf nicht absehbare Zeit von der touristischen Landkarte verschwunden ist. So etwas sollte eine demokratische Gesellschaft, in der die Meinungsfreiheit in die Verfassung eingemeißelt ist, schon aushalten können. Mit ihrer Absage hat die Stadt NeuUlm überreagiert.