Neu-Ulmer Zeitung

Weißenhorn Klassik: Marianne Schroeder gibt den Tönen Raum

Die Grande Dame der Avantgarde widmet sich ganz der Neuen Musik. Beim Konzert im Fuggerschl­oss stellt sie spontan das Programm um.

- Von Dagmar Hub

Weißenhorn Manchmal kann man komplizier­te Dinge ganz einfach erklären: „Er wollte nicht so furchtbar viele Töne“, sagt die Pianistin und Komponisti­n Marianne Schroeder über Arnold Schönberg, den Vater der Zwölftonmu­sik. Schroeder, eine der weltweit führenden Interpreti­nnen Neuer Musik, gab im Rahmen des Weißenhorn-Klassik-Festivals ein Konzert im Fuggerschl­oss – und erklärte Hintergrün­de der aufgeführt­en Kompositio­nen zudem enthusiast­isch und mit leuchtende­n Augen.

Das Programm – Giacinto Scelsi (bei dem Marianne Schroeder in Rom studierte), Alban Berg, Anton Webern und John Cage – mag manchen von einem Besuch jenes Konzerts abgehalten haben. Aber schlicht resümiert: Wer nicht dort war, hat einen großen Abend versäumt. Und Marianne Schroeder, auch mit 77 die Grande Dame der Avantgarde, empathisch in der Musik und sympathisc­h, fast scheu im Auftreten, hatte die Souveränit­ät, das Programm des

Abends spontan umzustelle­n, weil es für ihr Empfinden so besser in die Weltlage und in ihre Stimmung passte.

Die Schweizeri­n, aufgewachs­en auf dem elterliche­n Bauernhof in einem Dorf im Kanton Luzern, ist eine absolute Ausnahmeer­scheinung,

Die Schweizeri­n widmet sich der Neuen Musik

die den Tönen Raum gibt – und dem Zuhörer Zeit zum Hören und Einfühlen. Ihr letztes Beethoven-Konzert gab Schroeder übrigens vor vier Jahrzehnte­n, seitdem widmet sie sich ausschließ­lich der Neuen Musik.

Vier Schönberg-Schüler im ersten Teil des Konzerts, von denen die Künstlerin zwei selbst noch gut kannte: Marianne Schroeder begann mit einer tragischen Hommage ihres Lehrers Giacinto Scelsi für den verstorben­en Alban Berg, um dann mit zwei 1974 überarbeit­eten Stücken des amerikanis­chen Neue Musik-Künstlers John Cage aus dem Jahr 1935 fortzufahr­en. Anton Webern, dessen Musik der jungen Marianne Schroeder einst tiefes Verständni­s für die Neue Musik gegeben hatte, klang in seinen Klavier-Variatione­n von 1936 fast noch harmonisch, und ungewohnt heiter wirkte Alban Bergs erste Sonate aus den Jahren 1907/08.

Nach der Pause durfte das Publikum Marianne Schroeder, die

Mitglied der Komponiste­ngruppe Groupe Lacroix ist, als Komponisti­n und Interpreti­n ihres eigenen Werkes „Von der Macht des Schicksals“erleben – hingegeben in die Klänge. An den Abschluss des Abends setzte sie die neunte und neunsätzig­e Suite Scelsis, für dessen Musik sie als Spezialist­in gilt.

Giacinto Scelsi hielt sich von Modeströmu­ngen generell fern, und die 1953 entstanden­e Suite „Ttai“ist ein musikalisc­her Monolith, eine mystisch verdichtet­e Klavierwel­t für sich, aus der Marianne Schroeder jene sieben Sätze, die sie spielte, dem Publikum zugänglich machte. Die Suite, zitierte die Künstlerin den Komponiste­n, sei in größtmögli­cher innerer Ruhe zu spielen und zu hören – was der Künstlerin und vermutlich auch dem begeistert­en Publikum im Raum gelang.

Weißenhorn Klassik geht am 25. November mit einem Konzert des Trios Daniel Ottensamer, Stephan Koncz und Christoph Traxler weiter. Auf dem Programm stehen dann Werke unter anderem von Max Bruch, Arvo Pärt und Alexander von Zemlinsky.

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Foto: Dagmar Hub Im Fuggerschl­oss in Weißenhorn interpreti­erte Marianne Schroeder Werke der Neuen Musik.

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