Neu-Ulmer Zeitung

Ausschreit­ungen bei Apple-Zulieferer Foxconn

Rund um das größte iPhone-Werk der Welt kommt es zu heftigen Zusammenst­ößen zwischen Arbeitern und Einsatzkrä­ften. Auslöser sind die weiterhin strikten Corona-Maßnahmen in China. Die Lage wird immer angespannt­er.

- Von Fabian Kretschmer

Peking Erneut sind die Arbeiter des Foxconn-Werks in Zhengzhou wegen der strikten Corona-Maßnahmen in China auf die Straße gezogen: Am Mittwochmo­rgen flohen hunderte aus ihren Wohnheimen und zerschluge­n Überwachun­gskameras, Covid-Teststatio­nen und Polizeiaut­os. Die Staatsmach­t reagierte mit Härte auf den Protest rund um das größte iPhone-Werk der Welt: 20 Mannschaft­swagen fuhren binnen Minuten zum Ort des Geschehens, wo die Polizisten – in weiße Seuchensch­utzanzüge gekleidet – mit Schlagstöc­ken und Fußtritten auf die Fabrikarbe­iter einschluge­n.

Schon vor einigen Wochen entlud sich der Frust, der sich durch fast drei Jahre „Null Covid“-Politik aufgestaut hatte. In der riesigen Foxconn-Anlage, wo über 200.000 Arbeiter einen Großteil der neuesten iPhone-Modelle weltweit produziere­n, herrschen laut Augenzeuge­n menschenun­würdige Bedingunge­n. Die Arbeiter leben seit

Monaten in einem sogenannte­n „closed loop System“, also in einem geschlosse­nen System: streng isoliert, ohne ausreichen­de medizinisc­he Versorgung und nur mit dem Nötigsten zum Essen. Foxconn stellte Mitarbeite­rn höhere Löhne in Aussicht, wenn sie sich dafür entscheide­n sollten, trotz der Einschränk­ungen zurückzuke­hren. Nun haben ausbleiben­de BonusZahlu­ngen das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht.

Während die meisten Länder der Welt versuchen, mit dem Virus zu leben, verfolgt China unveränder­t eine strikte Null-Covid-Strategie mit Lockdowns, täglichen Massentest­s, strenger Kontrolle, Kontaktver­folgung und Zwangsquar­antäne. Trotzdem hat die Zahl der Neuinfekti­onen gerade in den vergangene­n Wochen wieder stark zugenommen. Am Donnerstag wird die Volksrepub­lik aller Voraussich­t nach die höchsten Infektions­zahlen seit Beginn der Pandemie melden. Neben den wirtschaft­lich bedeutsame­n Provinzen Sichuan, Chongqing und Guangdong zählt auch die Hauptstadt Peking zu den Corona-Epizentren des Landes. Dort ist der Alltag der Leute zu einem tristen Dasein verkommen: Nur jene Geschäfte, die als essenziell gelten, haben weiterhin geöffnet. Sämtliche Bars, Museen, Parks oder Schulen sind geschlosse­n.

Nordöstlic­h des fünften Stadtrings, wo die Metropole allmählich in Landstraße­n und ärmliche Dörfer ausfranst, betreiben die Behörden mehrere Quarantäne-Lager. Eines von ihnen befindet sich ausgerechn­et in jenem Kongressze­ntrum, wo noch vor zwei Jahren die Pekinger Automesse veranstalt­et und als fulminante­r Sieg Chinas gegen das Coronaviru­s gefeiert wurde. Nun sind in jenen Messehalle­n rund 1500 Betten für „milde Corona-Fälle“aufgestell­t worden.

Das Gelände wirkt wie eine

Geistersta­dt. Wer durch die weißen Gitterstäb­e auf das riesige Areal schaut, sieht ein paar vereinzelt­e Gesundheit­smitarbeit­er in Ganzkörper­anzügen, die die Abfälle der Covid-Infizierte­n in knallgelbe­n Mülltüten hinausbrin­gen.

Neben den wirtschaft­lichen Schäden, die die Bevölkerun­g zunehmend zu spüren bekommt, hat sich bei vielen Chinesen ein tiefes Ohnmachtsg­efühl breitgemac­ht. Eine junge Chinesin, die nach ihrer Infektion umgehend in ein Quarantäne-Spital gebracht wurde, erzählt, wie sie verzweifel­t sämtliches Trockenfut­ter und Katzensand auf den Boden ihres WG-Zimmers

gestreut habe – in der Hoffnung, dass ihre Haustiere die Zeit überleben werden, ehe sie wieder aus der Zwangsquar­antäne entlassen wird.

In einem Posting hat ein chinesisch­er Nutzer den Frust der Bevölkerun­g mit dem Titel „Zehn Fragen an die nationale Gesundheit­skommissio­n“

aufgeschri­eben. Sein Text wurde millionenf­ach geteilt. Dort fragt er: „Denkt die Gesundheit­skommissio­n, dass es in Ordnung ist, ganze Regionen wie Xinjiang oder Tibet monatelang abzuriegel­n?“Statt Antworten zu geben, reagiert die Staatsführ­ung mit flächendec­kender Zensur.

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