Sind die langen Nachspielzeiten sinnvoll?
Die Hoffnung hält immer länger und weit über die 90. Minute hinaus. Wer zurückliegt, darf zumindest bei dieser Weltmeisterschaft deutlich länger daran arbeiten, diesen Rückstand noch auszugleichen. Sieben Minuten zum Beispiel hatte die deutsche Mannschaft am Mittwoch noch einmal als Aufschlag in der zweiten Halbzeit gegen Japan bekommen. Zwar ohne Erfolg, das aber ist ein Versäumnis der Mannschaft und kann ausnahmsweise nicht der Fifa angelastet werden.
Jede Unterbrechung, jedes Anhalten der Uhr werden bei dieser WM genauestens notiert und entsprechend nachgespielt. So kann es sein, dass manche Begegnungen 15 oder noch mehr Minuten länger dauern als die ursprünglich gedachten 90. Das kann für mehr Gerechtigkeit sorgen, soll doch so Zeitspiel, das manche Teams bis zur Perfektion einstudiert haben, bestraft werden. Ein ehrenwerter Ansatz, den die Schiedsrichter rigoros verfolgen. Nun muss es aber noch gelingen, den Spielern genau das auszutreiben, was in Katar verstärkt zu sehen ist. Dass jede Ausführung eines Einwurfs, eines Abstoßes oder eines Freistoßes mittlerweile noch deutlich länger dauert als gewohnt und nötig.
Dennoch bleibt festzuhalten, dass zurückliegende Teams durch die neue Regelung mehr Optionen und Chancen bekommen, die Partie noch zu drehen. Und da kann doch eigentlich keiner etwas dagegen haben.
Das Ansinnen, mehr Netto vom Brutto zu haben, ist eigentlich immer eine gute Sache. Insofern ist es zur Abwechslung mal ein ehrenwerter Ansatz der Fifa, die Nettospielzeit bei dieser WM zu erhöhen. Wie das jedoch geschieht, ist aber total Banane: Bei der Partie zwischen dem Iran und England wurde fast eine halbe Stunde nachgespielt, in der Regel sind es pro Halbzeit sieben bis acht Minuten.
Das Problem daran: Auch hier ist brutto ja längst nicht gleich netto. Eine Mannschaft, die vorne liegt, lässt sich nach Ablauf der regulären Spieldauer erst recht Zeit bei der Ausführung eines Einwurfs. Jeder Torwart prüft in dieser Phase besonders genau, wo das Ventil des Balls ist, den er kurz danach über den Platz treten wird. Das gilt erst recht dann, wenn statt drei acht sieben oder acht Minuten auf der Anzeigetafel stehen. Weil die Regelhüter der Fifa aber jede Verzögerung weiter protokollieren, verzögert sich aber auch die ohnehin schon zähe Nachspielzeit noch weiter. Das Ergebnis ist nicht kein Gewinn an Spielzeit, sondern ein zäher Nachspielbrei.
Eines der Erfolgsgeheimnisse des Fußballs ist, dass seit jeher – im Gegensatz zu anderen Sportarten – recht wenig Eingriffe ins Regelwerk erfolgt sind. Spätestens nach der Einführung des Videoassistenten ist die Nachfrage nach Änderungen gesättigt. Diese Reform bringt nur Ärger und sollte bald wieder verschwinden.