Digitalisierung oje: Hilfe, lieber Weihnachtsmann
Bankfilialen gibt es immer weniger. Im Online-Banking liegt die Zukunft. In Neu-Ulm setzten sich jetzt ältere Menschen und Banker an einen Tisch, um herauszufinden, was das für Rentner bedeutet.
Neu-Ulm „Bankgeschäfte sind für mich eine Weltreise“, schreibt eine Seniorin aus Neu-Ulm an den Weihnachtsmann. Seit die Bankfiliale von Anna geschlossen hat und ihr Herr Maier in Rente ist, weiß die Ü-90-Jährige nicht mehr weiter. „Lieber Weihnachtsmann, schicke mir einen neuen Herr Maier. Ich will mich einfach um nichts mehr kümmern.“
Dieser Auszug an einen Brief an den Weihnachtsmann ist ein Ergebnis eines Projekts vieler Partner, das Lösungen für „alterssensible“Bankdienstleistungen der Zukunft finden soll. Die Hochschule Neu-Ulm (HNU) brachte im Rahmen von SITT (Senior IT Think Tank) Unternehmen, ältere Menschen und Organisationen aus den Bereichen Soziales, Medizin und Pflege zusammen. Ziel des Projekts ist es, dass gemeinsam Technologien entwickelt werden, die den Bedürfnissen älterer Nutzer entsprechen. Am Center for „Research on Service Sciences“(CROSS) der HNU wird schon seit langer Zeit am Thema der altersgerechten IT-Unterstützung geforscht. Ziel ist es, der alternden Bevölkerung die „Digitale Teilhabe“zu ermöglichen und so ein länger selbstbestimmtes Leben in der zunehmend digitalisierten Umwelt zu unterstützen.
Fast täglich hat Robert Kugelmann mit dem Thema zu tun. Der diplomierte Sozialwirt ist Seniorenberater in der Beratungsstelle im Albertinum in Neu-Ulm. Grundsätzlich seien ältere Menschen der Digitalisierung aufgeschlossen. Aber nur, wenn sie ihnen eindeutige Vorteile biete. So verschließe sich kaum ein Rentner oder eine Rentnerin gegenüber Nachrichtendiensten wie WhatsApp. „Weil sie praktisch und einfach zu bedienen sind.“Das Problem:
Bank-Apps können aufgrund rechtlicher Vorgaben wie der Zwei-Faktor-Authentifizierung nie so einfach sein.
Heiko Gewald, Professor für Kommunikationsmanagement an der HNU, spricht von einer „fruchtbaren Zusammenarbeit“von Bankern und älteren Menschen im Rahmen von SITT. In drei „Kreativwerkstätten“lernten Banker der Region die Sorgen und
Nöte der Senioren und Seniorinnen aus erster Hand kennen. Hier entstanden auch die „Briefe an den Weihnachtsmann.“Eine Erkenntnis sei gewesen, dass es den älteren Menschen weniger um technische Anforderung von Apps gehe. Vielmehr sei die Kommunikation kritisiert worden. Besonders wichtig sei den älteren Bankkunden und -kundinnen auch, dass sie immer den gleichen Bankberater haben und nicht ständige Wechsel. Dieses „Ziehen an einem Strang“, wie es Gewald ausdrückte, mündete in Flyern, die zusammen von Bankern und älteren Menschen entworfen wurden, die einen Weg zu seniorenfreundlichen Banken der Zukunft aufweisen sollen. „Alles aus einer Hand“, steht etwa auf einem der Zettel. „Der neue Alltagshelfer, der Finanzen professionell beherrscht, ein symbolisches Gesicht hat und auf Wunsch Dein Leben begleitet.“Die Banken der Zukunft sollten für Senioren und Seniorinnen mehr als ein Kreditinstitut sein, sondern „ein Begleiter in allen Angelegenheiten, die Dich betreffen. Vor Ort und online.“
Der Schirmherr, Ralph Seiffert, Dezernent bei der Stadt Neu-Ulm, präsentierte am Donnerstag gemeinsam mit Vertretern und Vertreterinnen der HNU sowie des Forschungsverbunds Inno Süd zwei Prototypen, um die es jetzt und in Zukunft bei Bankgeschäften gehen wird. Eine heißt „Ana Log“, wie für eine Seniorin steht, die dem Thema Digitalisierung grundsätzlich ablehnend gegenübersteht. Und „Bianca Bit“, die offen für Neues ist. Seiffert spricht von einer Phase des Übergangs, die in dieser neuen Kooperationsform gestaltet werden müsse. Zwar müssten digitale Angebote der Zukunft auch immer auf das entsprechende Alter der Nutzerinnen und Nutzer gemünzt sein. Doch die Alten der Zukunft kennen die Digitalisierung bereits ihr ganzes Leben.