Neu-Ulmer Zeitung

Digitalisi­erung oje: Hilfe, lieber Weihnachts­mann

Bankfilial­en gibt es immer weniger. Im Online-Banking liegt die Zukunft. In Neu-Ulm setzten sich jetzt ältere Menschen und Banker an einen Tisch, um herauszufi­nden, was das für Rentner bedeutet.

- Von Oliver Helmstädte­r

Neu-Ulm „Bankgeschä­fte sind für mich eine Weltreise“, schreibt eine Seniorin aus Neu-Ulm an den Weihnachts­mann. Seit die Bankfilial­e von Anna geschlosse­n hat und ihr Herr Maier in Rente ist, weiß die Ü-90-Jährige nicht mehr weiter. „Lieber Weihnachts­mann, schicke mir einen neuen Herr Maier. Ich will mich einfach um nichts mehr kümmern.“

Dieser Auszug an einen Brief an den Weihnachts­mann ist ein Ergebnis eines Projekts vieler Partner, das Lösungen für „alterssens­ible“Bankdienst­leistungen der Zukunft finden soll. Die Hochschule Neu-Ulm (HNU) brachte im Rahmen von SITT (Senior IT Think Tank) Unternehme­n, ältere Menschen und Organisati­onen aus den Bereichen Soziales, Medizin und Pflege zusammen. Ziel des Projekts ist es, dass gemeinsam Technologi­en entwickelt werden, die den Bedürfniss­en älterer Nutzer entspreche­n. Am Center for „Research on Service Sciences“(CROSS) der HNU wird schon seit langer Zeit am Thema der altersgere­chten IT-Unterstütz­ung geforscht. Ziel ist es, der alternden Bevölkerun­g die „Digitale Teilhabe“zu ermögliche­n und so ein länger selbstbest­immtes Leben in der zunehmend digitalisi­erten Umwelt zu unterstütz­en.

Fast täglich hat Robert Kugelmann mit dem Thema zu tun. Der diplomiert­e Sozialwirt ist Seniorenbe­rater in der Beratungss­telle im Albertinum in Neu-Ulm. Grundsätzl­ich seien ältere Menschen der Digitalisi­erung aufgeschlo­ssen. Aber nur, wenn sie ihnen eindeutige Vorteile biete. So verschließ­e sich kaum ein Rentner oder eine Rentnerin gegenüber Nachrichte­ndiensten wie WhatsApp. „Weil sie praktisch und einfach zu bedienen sind.“Das Problem:

Bank-Apps können aufgrund rechtliche­r Vorgaben wie der Zwei-Faktor-Authentifi­zierung nie so einfach sein.

Heiko Gewald, Professor für Kommunikat­ionsmanage­ment an der HNU, spricht von einer „fruchtbare­n Zusammenar­beit“von Bankern und älteren Menschen im Rahmen von SITT. In drei „Kreativwer­kstätten“lernten Banker der Region die Sorgen und

Nöte der Senioren und Seniorinne­n aus erster Hand kennen. Hier entstanden auch die „Briefe an den Weihnachts­mann.“Eine Erkenntnis sei gewesen, dass es den älteren Menschen weniger um technische Anforderun­g von Apps gehe. Vielmehr sei die Kommunikat­ion kritisiert worden. Besonders wichtig sei den älteren Bankkunden und -kundinnen auch, dass sie immer den gleichen Bankberate­r haben und nicht ständige Wechsel. Dieses „Ziehen an einem Strang“, wie es Gewald ausdrückte, mündete in Flyern, die zusammen von Bankern und älteren Menschen entworfen wurden, die einen Weg zu seniorenfr­eundlichen Banken der Zukunft aufweisen sollen. „Alles aus einer Hand“, steht etwa auf einem der Zettel. „Der neue Alltagshel­fer, der Finanzen profession­ell beherrscht, ein symbolisch­es Gesicht hat und auf Wunsch Dein Leben begleitet.“Die Banken der Zukunft sollten für Senioren und Seniorinne­n mehr als ein Kreditinst­itut sein, sondern „ein Begleiter in allen Angelegenh­eiten, die Dich betreffen. Vor Ort und online.“

Der Schirmherr, Ralph Seiffert, Dezernent bei der Stadt Neu-Ulm, präsentier­te am Donnerstag gemeinsam mit Vertretern und Vertreteri­nnen der HNU sowie des Forschungs­verbunds Inno Süd zwei Prototypen, um die es jetzt und in Zukunft bei Bankgeschä­ften gehen wird. Eine heißt „Ana Log“, wie für eine Seniorin steht, die dem Thema Digitalisi­erung grundsätzl­ich ablehnend gegenübers­teht. Und „Bianca Bit“, die offen für Neues ist. Seiffert spricht von einer Phase des Übergangs, die in dieser neuen Kooperatio­nsform gestaltet werden müsse. Zwar müssten digitale Angebote der Zukunft auch immer auf das entspreche­nde Alter der Nutzerinne­n und Nutzer gemünzt sein. Doch die Alten der Zukunft kennen die Digitalisi­erung bereits ihr ganzes Leben.

 ?? Foto: Moritz Frankenber­g, dpa (Symbolbild) ?? Der Weihnachts­mann - die Kommerzvar­iante des heiligen Nikolaus - wurde als Hilfestell­ung benutzt, um die Anforderun­gen von älteren Menschen in Neu-Ulm ans (Online-)Banking herauszufi­nden.
Foto: Moritz Frankenber­g, dpa (Symbolbild) Der Weihnachts­mann - die Kommerzvar­iante des heiligen Nikolaus - wurde als Hilfestell­ung benutzt, um die Anforderun­gen von älteren Menschen in Neu-Ulm ans (Online-)Banking herauszufi­nden.

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