„Die Situation verschlimmert sich“
Zwei Expertinnen berichten über die Arbeit der Wohnungslosenhilfe und eine zunehmende Zahl von Obdachlosen in Senden. Sie können aber auch Erfolge vermelden.
Senden 61 von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen hat die ökumenische Wohnungslosenhilfe in Senden in den vergangenen zwölf Monaten betreut. Von ihrer Tätigkeit haben die zuständigen Fachfrauen dem städtischen Schul-, Kultur- und Bildungsausschuss berichtet. Beide rechnen in der nächsten Zeit mit einem Anstieg der Hilfsbedürftigen.
Menschen vor Obdachlosigkeit zu bewahren und nach Möglichkeit ihre Lebenssituation zu stabilisieren, ist das Ziel von Kerstin Fateh von der Fachstelle zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit. Betroffene aus ihrer prekären Lage zu befreien, sei im vergangenen Jahr 13 Mal gelungen, sagte Fateh am Dienstagabend, sieben Fälle laufen derzeit noch. Der Verlust der eigenen Wohnung drohe häufig Alleinerziehenden, Rentnerinnen und Rentnern mit wenig Einkommen, ebenso Menschen, die verschuldet oder erkrankt sind. Auch Suchtprobleme gehören zu den Risikofaktoren. Immer häufiger seien in der letzten Zeit auch Angehörige des Mittelstands betroffen, sagte die Expertin. Ansteigend sei auch die Zahl derer, die wegen Trennung oder Scheidung ihre Wohnung kaum mehr halten können.
Fateh kann eingreifen, wenn Menschen wegen Mietschulden, Wohnungskündigung, Räumungsklage oder Zwangsräumung Gefahr laufen, ihre Wohnung zu verlieren. Zu den Maßnahmen gehört Beratung, aber auch Hilfe beim Beantragen von Sozialleistungen oder Begleitung bei Behördengängen.
Auch Sozialarbeiterin Kathrin Vögele, zuständig für die Betreuung von Wohnungslosen in Senden,
geht in Zukunft von steigenden Betroffenen-Zahlen aus. Ihre Klienten litten häufig unter Perspektivlosigkeit, sozialer Ausgrenzung, vielfach auch unter Altersarmut, am Ende drohe die Verwahrlosung, berichtete sie. Oft fehle den Menschen jede soziale Absicherung, viele seien etwa nicht krankenversichert. Bei ihrer Arbeit versuche sie, die Lebenslage der Klientinnen und Klienten zu stabilisieren, auch, indem sie mit anderen Hilfsstellen zusammenarbeite. Derzeit betreue sie in Senden neun Personen, im vergangenen Jahr waren es 16. Drei davon konnten Wohnungen vermittelt werden, berichtete Vögele, die für die Bewohnerinnen und Bewohner der städtischen Obdachlosenunterkunft einmal wöchentlich Sprechstunden anbietet.
Weil es immer weniger günstigen Wohnraum gibt, werde es künftig noch seltener gelingen, die Menschen in eigene Wohnungen zu bringen, vermutet die Fachfrau, gleichzeitig steige die Zahl der Obdachlosen, „die Situation verschlimmert sich immer mehr“. Für den in Senden geplanten Neubau einer Obdachlosenunterkunft an der St.-Florian-Straße sei zu wünschen, dass den Bewohnerinnen und Bewohnern dort Einzelzimmer zur Verfügung stünden und auch ein Raum zur Beratung vorhanden sei, sagte Vögele. So sei die Unterkunft auch geplant, sagte Bürgermeisterin Claudia SchäferRudolf, der Bauantrag für das
Heim werde im nächsten Bauausschuss Thema sein.
Rege Nachfrage herrscht auch in einer neu eingerichteten Institution, die im April in der Kita St. Lucia eröffnete: der Familienstützpunkt. Im September ist das Programm für Eltern und Kinder voll angelaufen, Sozialfachwirtin Inka Mast bietet dort Beratung an, organisiert Workshops und Vorträge zu Erziehungsthemen sowie Treffs zum Austausch. Zu Letzteren gehören etwa das Babycafé und die Krabbelgruppe, die beide in der alten katholischen Schule stattfinden. „Die Leute nehmen es stark an“, berichtete sie über den Zulauf, gerade nach der Pandemie-Zeit gebe es großen Bedarf an persönlichem Austausch unter jungen
Müttern. Bei den Beratungen gehe es unter anderem um Unterstützung bei der Erziehung, Verhaltensauffälligkeiten von Kindern, mehr Entlastung bei der Kinderbetreuung oder Ratsuche bei der Wahl der passenden Schule.
Auch Aktionen für Familien, etwa Spieltreffs im Freien oder gemeinsames Kochen, wurden bereits ausgerichtet. Mehrere Referate, etwa zu Pubertät und Schreibabys, fanden im Herbst statt. Geplant ist in diesem Jahr noch ein Vortrag zum Thema „Grenzen setzen“und „Eltern-Kind-Kochen“. Außerdem finden in den Räumen in der Dillmannstraße Vorträge der Schwangerenberatung Donum Vitae und der Frühförderstelle der Lebenshilfe Donau-Iller statt.