Neu-Ulmer Zeitung

Ende der Vorstellun­g?

Ob Stierkämpf­e grausame Tierquäler­ei oder eine bewahrensw­erte Tradition sind, wird in Frankreich gerade heftig diskutiert. Ein Verbot ist nun gescheiter­t – vorerst.

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– Unverständ­nis einer Pariser Elite für regionale Bräuche und Gepflogenh­eiten.

Doch durch alle Parteien ziehen sich Risse. Dass Patrick Vignal zum Beispiel, ein Abgeordnet­er von Präsident Emmanuel Macrons Partei Renaissanc­e, bei einer ProStierka­mpf-Demonstrat­ion an der Seite mehrerer Politiker des rechtsextr­emen Rassemblem­ent National (RN) auftrat, brachte ihm heftige Kritik ein. Vignal verteidigt­e sich, bei etlichen Themen sei er anderer Meinung als die RN-Kollegen, aber sie alle seien sich einig, „dass wir dazu da sind, um unsere Kultur zu verteidige­n“.

Renaissanc­e-Fraktionsc­hefin Aurore Bergé wiederum hat einen offenen Brief für das Verbot des Stierkampf­s unterschri­eben, in dem der berühmte Schriftste­ller Émile Zola zitiert wird: Es handele sich „weder um eine Kunst noch um eine Kultur, sondern um die Quälerei eines ausgewiese­nen Opfers“. Sie stellte sich damit gegen ihren Chef, Macron, der erklärte, ein Corrida-Verbot sei „im Moment keine Priorität“. Man müsse auf das Tierwohl achten, aber auch die eigene Kultur respektier­en. In einer kürzlich veröffentl­ichten Umfrage sprachen sich 74 Prozent der Französinn­en und Franzosen gegen Stierkämpf­e aus. Doch deren Befürworte­r sind lauter.

Laut Gesetz sind grausame Handlungen an Tieren verboten, doch es gibt für rund 50 Städte in Südfrankre­ich Ausnahmege­nehmigunge­n aufgrund der „lokalen Tradition“. Und so richten Städte von Arles bis Perpignan Volksfeste mit Stierkämpf­en aus. Dem Bürgermeis­ter von Nîmes, Jean-Paul Fournier, zufolge bringen diese „Ferias“der Stadt jährlich 60 Millionen Euro ein. 2022 kamen fast 100.000 Zuschauer.

Wie unversöhnl­ich Befürworte­r und Gegner eines Verbots einander gegenübers­tehen, offenbarte sich am vergangene­n Wochenende, als beide Lager innerhalb weniger Stunden in Bayonne demonstrie­rten. Melvin Josse, Vorsitzend­er einer Plattform für Tierschutz-Organisati­onen, sieht die aktuelle Debatte positiv: „Es geht darum, überhaupt einmal eine Debatte zu führen.“Auch wenn diese noch nicht bis ins Parlament gelangt sei.

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