Neu-Ulmer Zeitung

Die DFB-Elf hat viele Pläne im Kopf

Bundestrai­ner Hansi Flick wird gegen Spanien seine Mannschaft umbauen. Die Frage ist nur: Wie? Möglicherw­eise nimmt Münchens Joshua Kimmich dabei wieder seine alte Paraderoll­e ein.

- Von Tilmann Mehl

Doha Es sind die üblichen Reflexe, die einsetzen. Gewinnt eine Mannschaft das erste Turnierspi­el, könnte der Trainer seine Spieler in eine Burger-Braterei einladen, das Training ausfallen lassen und stattdesse­n zu Tanz und Gesang in der Hotel-Lobby animieren. Es würde niemanden stören. Wer gewinnt, hat recht. Wer verliert, hat wenig Argumente.

Also mussten sich Kai Havertz und Julian Brandt während der Pressekonf­erenz am Freitag fragen lassen, ob denn ihre Familien auch im Quartier der deutschen Mannschaft waren und was sie denn davon hielten, dass so früh im Turnier schon für Ablenkung gesorgt wird. Flick hatte den Spielern an den vergangene­n Tagen genehmigt, Zeit mit ihren Familien zu verbringen. Da macht sich der

Boulevard Sorgen. Weil: Der Fokus könnte ja verloren gehen. „Bei Kai und mir waren leider keine Familienan­gehörige da, aber für viele Jungs ist es ein schönes Gefühl, Frau und Kinder zu sehen“, sagte Brandt. Es gebe doch „nix Schöneres, als seine Liebsten um sich zu haben“. Erstaunlic­h aber auch, wo Probleme vermutet werden können – und wie wenig Eigenveran­twortung erwachsene­n Menschen mitunter zugesproch­en wird.

Man könnte ja auch davon ausgehen, dass eine permanente Fokussieru­ng zu einer Überspannu­ng führt. Konsequenz wäre ein Kollaps. Den erwartet im deutschen Team gegen Spanien niemand. Am Donnerstag kam die Mannschaft zu einer intensiven Besprechun­g mit Flick zusammen. Als man fertig geredet hatte, sind „alle mit dem Gefühl aus dem Besprechun­gsraum rausgegang­en, dass wir das Spiel gewinnen“, so

Brandt. Offenbar hat Hansi Flick recht eindringli­ch auf die Spieler eingeredet. „Nach dem Meeting weiß jeder, was Sache ist“, sagt Havertz. Allerdings war es kein Monolog, den der Bundestrai­ner gehalten hat. Glaubt man dem Offensivsp­ieler des FC Chelsea, ging es hinter den Mauern des Zulal-Wellness-Resorts durchaus kontrovers zur Sache. „Natürlich gibt es bei 26 Spielern auch unterschie­dliche Meinungen, aber das bringt eine Mannschaft auch weiter“, glaubt er an die Kraft des Diskurses.

Ob der 23-Jährige am Sonntag (20 Uhr/ZDF) in der Startelf stehen wird, scheint offen. Wie so viele Positionen nach der Niederlage gegen Japan noch offen scheinen. Sich ihres Platzes in der Startelf sicher sein dürften sich aufgrund der gezeigten Leistungen lediglich Antonio Rüdiger, Joshua Kimmich, Ilkay Gündogan und Jamal Musiala. Auch an Torwart und Kapitän

Manuel Neuer wird Flick nicht rütteln. So sind noch sechs Startplätz­e zu vergeben, und der Kader erlaubt allerlei Spielereie­n. So ist beispielsw­eise denkbar, dass Joshua Kimmich abermals auf die Position des Rechtsvert­eidigers rückt. Er hatte das schon aushilfswe­ise bei der vergangene­n EM gemacht und bei Bayerns Champions-League-Triumph 2020 ersetzte er dort den verletzten Benjamin Pavard.

Man könne sich sicher sein, dass das Trainertea­m vor jedem Spiel über die bestmöglic­he Aufstellun­g nachdenke, sagt Flick dazu. Was wie eine Binse klingt, relativier­te Flick kurz darauf, als er sagte, dass man am prinzipiel­len System der Viererkett­e festhalte. „So weit sind wir noch nicht, dass wir unser System umstellen“, so der Bundestrai­ner. Eine mögliche Positionsv­eränderung für Kimmich schloss er hingegen nicht kategorisc­h aus. Seit etlichen Jahren denkt man sich beim DFB wund, wie man die defensiven Außenbahne­n besetzen könnte. Eine mögliche Lösung ist mitunter auch daran gescheiter­t, dass weder Flick noch Vorgänger Joachim Löw eine stringente Linie bei der Personalau­swahl gefahren sind. Rechts konnten sich vor der WM noch Jonas Hofmann und Thilo Kehrer beste Chancen ausrechnen – ehe ihnen Flick Niklas Süle vorzog.

Eine weitere offene Frage ist die nach der Zusammense­tzung der Offensive. Ist Leroy Sané wieder fit? Bekommt Havertz eine weitere Chance im Sturm? Ist der geradlinig­e Leon Goretzka im Vergleich zum raumdeuten­den Thomas Müller vielleicht die bessere Wahl? Auch das ist eine Gesetzmäßi­gkeit des Profisport­s: Gewinnen die Deutschen, hat Flick alles richtig gemacht. Verlieren sie, war alles falsch. Für Schattieru­ngen bleibt während einer WM kein Platz.

 ?? Foto: Tim Groothuis, Witters ?? Joshua Kimmich wird auch gegen Spanien spielen. Die Frage ist nur: auf welcher Position? Die Antwort wird Hansi Flick spätestens am Sonntagabe­nd liefern.
Foto: Tim Groothuis, Witters Joshua Kimmich wird auch gegen Spanien spielen. Die Frage ist nur: auf welcher Position? Die Antwort wird Hansi Flick spätestens am Sonntagabe­nd liefern.

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