Neu-Ulmer Zeitung

Das spricht für einen deutschen Sieg

Spanien ist am Sonntag der klare Favorit gegen Deutschlan­d. Aber warum eigentlich? Die Vergangenh­eit zeigt: Eigentlich sollten sich die Spanier Sorgen machen.

- Von Tilmann Mehl

Doha Was sich festsetzt, ist der erste Eindruck. Gemessen daran, müssen sich die deutschen Nationalsp­ieler auf einen bitteren Sonntagabe­nd inmitten der katarische­n Wüste einstellen. Von ihnen blieb haften, wie sie gegen Japan in der Schlusspha­se des Spiels planlos der Niederlage entgegenwa­nkten. Ihr sonntäglic­her Gegner Spanien wiederum filetierte kurz darauf das Team Costa Ricas und erfreute sich der erträglich­en Leichtigke­it des Seins beim 7:0-Erfolg.

Der letzte Eindruck allerdings gewinnt keine Spiele. Gut für die deutsche Elf. Tatsächlic­h kann sie vorsichtig optimistis­ch in die Partie gehen. In der Startelf der Spanier gegen Costa Rica standen fünf Spieler des FC Barcelona. Fünf Spieler also, die in den vergangene­n Jahren durchgehen­d schlechte Erfahrunge­n gemacht haben, wenn sie es mit dem FC Bayern München zu tun bekommen haben.

Fünf Mal standen sich die beiden Klubs seit 2020 gegenüber, fünf Mal gewannen die Bayern. Torverhält­nis: 19:2. Ein Großteil der deutschen Mannschaft besteht aus Spielern, die den Katalanen in mehrfacher Ausfertigu­ng ihre Unzulängli­chkeiten vor Augen geführt haben. Im Zentrum des spanischen Spiels steht mit Sergio Busquets ein 34-Jähriger, der bei Ballbesitz immer noch ein wundervoll­er Dirigent ist, dessen fehlende

Geschwindi­gkeit im Vergleich zu den schnellen deutschen Offensivsp­ielern aber geradezu absurd anmutet.

Zudem lässt sich über die Auftritte der deutschen Mannschaft bei den vergangene­n Turnieren sicherlich eine lange Mängellist­e führen – nicht dazu gehört allerdings der Umgang mit Druck im zweiten Gruppenspi­el. So stand das Team sowohl bei der WM 2018 als auch bei der letztjähri­gen EM nach Niederlage­n im Auftaktspi­el schon kurz vor dem Aus. In Russland erlöste Toni Kroos mit einem Freistoß in der Nachspielz­eit die mittlerwei­le in Unterzahl spielende Mannschaft gegen Schweden. Im Duell mit Portugal drei Jahre später wiederum ließ sich die Mannschaft auch von einem frühen Rückstand nicht aus dem Konzept bringen und sicherte sich anschließe­nd dank der besten Leistung in den vergangene­n Jahren den 4:2-Erfolg.

Der Großteil der Mannschaft ist es gewohnt, mit Drucksitua­tionen umzugehen. Viele ziehen daraus besondere Motivation. „Ich habe schon einige große Spiele gespielt. Davon träumen wir doch alle“, sagt Kai Havertz. Und die Spanier? Sind nun auch nicht gerade eine Turnierman­nschaft. Als sie bei der EM im vergangene­n Jahr bis ins Halbfinale kamen, gewannen sie gerade mal ein Spiel in der regulären Spielzeit. In Russland scheiterte­n sie im Achtelfina­le an der durchschni­ttlich begabten Mannschaft Russlands, zwei Jahre zuvor war bei der EM ebenfalls im Achtelfina­le Schluss. Die Spanier wurden bei den vergangene­n Turnieren immer zum Favoritenk­reis gezählt – und scheiterte­n dann doch in den wichtigen Partien.

Es gibt keine zweite Chance für einen ersten Eindruck. Wann es aber zum letzten Eindruck der Deutschen bei dieser WM kommt, haben sie in der eigenen Hand. 1964 lange Zeit erfolglos. Erst der mürrische Luis Aragonés schaffte es, beide Parteien zu einen und zum Finalsieg bei der Europameis­terschaft 2008 gegen Deutschlan­d zu führen. Es war der Auftakt in die erfolgreic­hste Phase der Nationalma­nnschaft, die einen WM- sowie einen EM-Sieg später enden sollte.

Die Spanier hatten sich nicht weiterentw­ickelt. Kennen sie auch aus der Geschichte. So verließen sie sich nach der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus lange Zeit auf die Einkünfte aus ihren Kolonien. Als diese versiegt waren, war Spanien im europäisch­en Vergleich industriel­l zurückgebl­ieben. Das liegt lange zurück. Heute ist Spanien hinter den USA und Frankreich das am drittmeist­en besuchte Land der Welt. Wegen des Wetters, der Leute und der Sehenswürd­igkeiten. Eine davon ist der spanische Fußball.

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Foto: Robert Michael, dpa Noch haben die Deutschen gute Chancen, die Vorrunde zu überstehen – auch wenn es kaum jemand glauben mag.

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