Raus aus Mali – und das lieber heute als morgen
Droht der Bundeswehr in Westafrika ein zweites Afghanistan? Mit dem späten Abzug verlängert die Regierung das Risiko für die Einsatzkräfte
Nach dem desaströsen Ende des deutschen Afghanistan-Abenteuers will es die Bundesregierung beim Mali-Einsatz der Bundeswehr besser machen. Statt überhastet sollen die rund 1200 Kräfte geordnet aus dem westafrikanischen Krisenstaat abziehen, bis Mai 2024 bleibt dafür Zeit. Doch was nach einem überlegten, abgestuften Plan klingt, verlängert nur die Risiken für die Truppe und kann das Scheitern einer weiteren deutschen Auslandsmission nicht annähernd kaschieren.
Seit 2013 beteiligt sich die Bundesrepublik in Mali an einem Einsatz der Vereinten Nationen, der das Ziel hat, das 20-Millionen-Einwohner-Land zu stabilisieren und seine Bevölkerung vor islamistischen Milizen zu schützen. Nichts davon wurde erreicht, das Chaos nahm immer weiter zu. In zehn Jahren hat das Militär dreimal geputscht, die aktuelle Regierung behindert die Bundeswehr sogar aktiv bei der Ausübung ihrer Aufgaben, die vor allem in der Aufklärung bestehen. Was wohl daran liegt, dass die Junta mit den berüchtigten russischen WagnerSöldnern
zusammenarbeitet, dies offiziell aber nicht bestätigt.
Vor diesem Hintergrund haben wichtige Partner wie Frankreich, Großbritannien oder Dänemark zu Recht ihren Abzug angekündigt oder bereits vollzogen. So hätte auch Deutschland schon im kommenden Frühjahr, wenn das aktuelle Mandat endet, seine Soldatinnen und Soldaten nach Hause holen sollen. Nun werden sie ein Jahr länger als nötig einer Gefahr ausgesetzt, die durch exakt diese Entscheidung
sogar noch wächst. Denn auf dem Rückzug ist eine Truppe besonders verletzlich, und ein lange vorher angekündigtes Abzugsdatum, auch diese Erfahrung haben die US-geführten westlichen Verbände in Afghanistan gemacht, gibt den gegnerischen Kräften Oberwasser.
Der gestreckte Abschied aus Mali ist ein fauler Kompromiss, bei dem es um Befindlichkeiten in der Regierung geht. Außenministerin Annalena Baerbock will Deutschland gegenüber den Vereinten Nationen weiter als wichtigen Akteur internationaler Missionen positionieren. Doch im SPD-geführten Verteidigungsministerium sieht man die Mali-Mission nicht nur als Sicherheitsrisiko für die Einsatzkräfte, sondern als Klotz am Bein, der die neue Ausrichtung auf den Osten Europas erschwert. Mit dem Afghanistan-Debakel und dem russischen Überfall auf die Ukraine ist die Illusion geplatzt, die Bundeswehr könne eine Art Technisches Hilfswerk in Grün sein, das Brunnen bohrt und Schulen baut und auch am Hindukusch unsere Sicherheit verteidigt. Der UkraineSchock hat den Blick zurück nach Europa gelenkt. Wie vor dem Fall des Eisernen Vorhangs geht es nun wieder um die Kernaufgaben, die Verteidigung des eigenen Landes und des Territoriums der verbündeten Staaten in der Nato.
So ist es unverständlich, dass die Bundeswehr ein Jahr länger als nötig Kräfte in Westafrika bindet, die an der Nato-Ostgrenze dringender gebraucht werden. Selbst das vorgebliche Ziel, 2024 noch irgendetwas Substanzielles zum sicheren Ablauf der Präsidentschaftswahl in Mali beizutragen, ist völlig illusorisch. Der Blick auf die blutige jüngere Geschichte der Sahel-Region lässt erwarten, dass die Kämpfe dann wieder zunehmen. Für die verbliebenen Soldaten steigt damit die Gefahr, ohne dass ein Nutzen erkennbar wird. Denn eine Truppe, die gerade damit beschäftigt ist, die eigenen Kräfte aus dem Land zu bekommen, kann den Menschen in Mali kaum eine wirkliche Hilfe sein.
Die Soldaten werden jetzt in Europa gebraucht