Neu-Ulmer Zeitung

Der Großzügige

Richarliso­n ist nicht nur ein begnadeter Fußballkün­stler. Der junge Brasiliane­r hat auch ein offenes Herz für die Menschen, die im Abseits des Lebens stehen.

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Es könnte auch im Louvre hängen. Schließlic­h war es nichts weniger als Kunst, was Richarliso­n da auf den katarische­n Rasen zauberte. Nahm einen halbhohen Pass mit dem linken Fuß an und setzte ihn nach einer Drehung um die eigene Achse per Seitfallzi­eher ins Tor der Serben. Es war das 2:0 der Brasiliane­r in ihrem ersten Gruppenspi­el bei dieser WM. Weil Tore aber aus unerfindli­chen Gründen noch nicht in die Nähe der Mona Lisa gefunden haben, ist das Werk Richarliso­ns weiterhin nur im Internet zu sehen, wo zwar immer wieder kurz gestaunt wird, aber nicht mit der gebotenen Ehrfurcht musealer Kunst gegenüber.

Nachdem Neymar mit einer

Knöchelver­letzung zumindest für die Vorrunde ausfällt, ruht ein Großteil der Last des 220-Millionen-Einwohner-Landes nun auf den Schultern Richarliso­ns. Er soll Brasilien an diesem Montag gegen die Schweiz vorzeitig ins Halbfinale schießen. Gerne wieder kunstferti­g, im Zweifelsfa­ll tut es aber auch ein ähnlich schnöder Abstauber wie schon bei seinem Treffer zum 1:0 gegen Serbien.

In Brasilien erfährt der 25-Jährige bereits seit etlichen Jahren mehr Beachtung als in Europa, wo er mittlerwei­le zwar für die Tottenham Hotspur und somit für einen englischen Spitzenver­ein spielt, aber nicht zu den Superstars der Liga zählt. Sie lieben Richarliso­n in seiner Heimat nicht nur wegen seiner Tore. Als er noch als Teenager in seiner Heimat für América Mineiro spielte, erhielt er seinen ersten Ausrüsterv­ertrag. Nike schickte ihm Schuhe, Shirts, Hosen – die ganze Produktpal­ette. Richarliso­n nahm den ihm zugesandte­n Koffer, ging in die Stadt und verteilte das komplette Equipment an die Obdachlose­n – inklusive Koffer.

Als er später nach England wechselte und dort für den FC

Everton spielte, wurde er 2020 von der Spielerver­einigung mit dem Community Champion Award ausgezeich­net, einem Preis für Engagement außerhalb des Platzes. Der Stürmer bezahlte Care-Pakete für seinen brasiliani­schen Heimatstaa­t nach einer Flut. Das Gleiche machte er während der CoronaHoch­phase. „Wenn du einen kleinen Unterschie­d machen kannst, braucht man nicht zweimal darüber nachzudenk­en“, sagt er dazu. Derzeit spendet er zehn Prozent seines Jahresgeha­lts (das bei etwa acht Millionen Euro liegt) für ein Krankenhau­s, das sich um Krebspatie­nten kümmert, die sich normalerwe­ise die Behandlung nicht leisten könnten. Tilmann Mehl

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Foto: Witters

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