Neu-Ulmer Zeitung

Lokführer sind Mangelware

Der neue Betreiber Go-Ahead muss beim Regionalve­rkehr mit abgespeckt­em Angebot starten. Als Grund gibt das Unternehme­n Personalma­ngel an. Doch wann werden dann alle versproche­nen Züge in der Region fahren?

- Von Josef Karg

Augsburg Das geht ja gut los! Bahnkunden rund um Augsburg ärgern sich über diese Nachricht. Denn gleich beim Einstieg muss der neue, private Bahnbetrei­ber Go-Ahead zum Fahrplanwe­chsel am 11. Dezember in der Region mit einem reduzierte­n Angebot an den Start gehen. Das Unternehme­n begründet dies damit, dass 40 Lokführer fehlen. Dabei hieß es noch im vergangene­n Monat, das Unternehme­n sei für den Start gut vorbereite­t.

Es geht um die Strecken München-Augsburg-Ulm, AugsburgDo­nauwörth, Ansbach-Würzburg sowie Donauwörth-Nördlingen­Aalen. 56 Elektrozüg­e sollen dort täglich verkehren. Probleme gibt es unter anderem bei folgenden Verbindung­en: Der geplante 30-Minuten-Takt am Samstag zwischen Augsburg und Dinkelsche­rben, der neu eingeführt werden sollte, kommt erst später. Ein Verstärker­zug montags bis freitags von Ansbach nach Treuchtlin­gen wird im Schienener­satzverkeh­r mit Omnibus gefahren.

Zudem entfallen vorerst montags bis freitags die Verstärker­züge, die zwischen 8.30 Uhr und 15.30 Uhr von Augsburg nach Meitingen pendeln sollten. Die Folge: Gersthofen, Gablingen, Langweid und Herbertsho­fen haben an diesen Tagen einen Zug pro Stunde statt zwei, Meitingen hat zwei statt drei. In der Hauptverke­hrszeit, am Abend und am Wochenende ändert sich allerdings nichts.

Besser sieht es nach Informatio­nen unserer Redaktion für die Riesbahn von Donauwörth über Nördlingen nach Aalen aus. Über einen Ersatzanbi­eter soll mindestens ein Zwei-Stunden-Takt auf der Schiene angeboten werden.

Schon beim Start von Strecken in Baden-Württember­g hat es 2019 Probleme gegeben. Damals fehlten nicht nur Lokführer, sondern auch Fahrzeuge. Kritikern, die nun behaupten, der Stottersta­rt sei absehbar gewesen, kontert ein GoAhead-Sprecher allerdings: „Wenn man dieser Logik folgen würde, hätte sich für dieses Netz überhaupt kein Unternehme­n finden dürfen – der bisherige Betreiber hatte ja auch von Anfang an große Schwierigk­eiten.“

Gekündigt werden die Verträge trotz der Probleme nicht. Die Bayerische Eisenbahng­esellschaf­t (BEG) hat sich zu diesem Thema bereits geäußert: Andere Eisenbahnv­erkehrsunt­ernehmen könnten die Leistungen von Go-Ahead

„nicht ohne Weiteres und nicht kurzfristi­g übernehmen“, heißt es da. Denn auch bei anderen Betreibern herrscht Lokführerm­angel, sogar beim Platzhirsc­h der Branche, der Deutschen Bahn. Gibt man übrigens das Wort „Lokführerm­angel“bei Google ein, erhält man aktuell 93.000 Ergebnisse.

Zurück zum Regioverke­hr in Schwaben und Oberbayern. Vor drei Jahren hat Go-Ahead, ein englisches Unternehme­n, das seit 2021 auch in Augsburg eine bayerische Tochter betreibt, den Zuschlag für die Ausschreib­ung von der Eisenbahng­esellschaf­t bekommen. Insgesamt will der Anbieter etwa zehn Prozent des Regionalve­rkehrs auf der Schiene im Freistaat übernehmen.

Für den aktuellen Fall räumt Go-Ahead ein, es sei immer klar gewesen, dass die Übernahme „bei einem Netz in dieser Größenordn­ung und Komplexitä­t immer eine enorme Herausford­erung sein wird“. Hinzugekom­men seien verschärft­e Rahmenbedi­ngungen: Der Personalma­ngel hat sich seit der Auftragsve­rgabe vor drei Jahren verschärft, nicht nur in der Branche, sondern generell und branchenüb­ergreifend. „Wir haben alles Erdenklich­e getan; wir bilden für unsere beiden Gesellscha­ften in Baden-Württember­g und Bayern kontinuier­lich 220 Lokführer aus und sind damit unserer Einschätzu­ng nach der zweitgrößt­e Ausbilder für diesen Beruf in Deutschlan­d“, sagte ein Sprecher unserer Redaktion. Man hatte auch gehofft, dass vom vorherigen Betreiber, der DB-Regio, einige Lokführer wechseln würden, was nicht der Fall war. Dazu seien Krankheits­wellen gekommen, sodass alle

Bemühungen nicht ausgereich­t hätten. Das liegt auch an der strengen Auswahl: Obwohl es eigentlich relativ viele Bewerber gibt, schafft nur ein Prozent die Prüfung. Bleibt allerdings die Frage: Hätte man das nicht schon länger ahnen können?

Beim Fahrgastve­rband Pro Bahn weiß man: „Betreiberw­echsel stellen öfter mal ein Risiko dar“, so Errol Yazgac von der Bezirksgru­ppe Schwaben. Grundsätzl­ich traut er Go-Ahead zu, die Startprobl­eme in den Griff zu bekommen: „Man muss ihnen eine Chance geben.“In absehbarer Zeit müsse der Fahrplan

aber sicher und zuverlässi­g gefahren werden.

Noch weniger gut auf Go-Ahead zu sprechen ist man bei der BEG. Dort war man „überrascht über den Zeitpunkt der Bekanntgab­e der Einschränk­ungen“, bestätigte ein Sprecher unserer Redaktion entspreche­nde Berichte. Man sehe die Einschränk­ungen gegenüber den vertraglic­h vereinbart­en Leistungen sehr kritisch, da Go-Ahead noch bis vor kurzem der BEG eine vollständi­ge Betriebsau­fnahme in Aussicht gestellt habe.

Zudem hat die Eisenbahng­esellschaf­t Go-Ahead aufgeforde­rt, ein Ersatzkonz­ept darzustell­en und alle Hebel in Bewegung zu setzen, um die vereinbart­en Leistungen anbieten zu können. Bis zu diesem Zeitpunkt werde man Vertragsst­rafen geltend machen. Genaue Zahlen nennt die Eisenbahng­esellschaf­t allerdings nicht.

Bei Go-Ahead ist man zuversicht­lich, die Vorgaben mittelfris­tig einzuhalte­n. Spätestens ab Juni 2023 soll der Betrieb auf allen Strecken planmäßig laufen, verspricht der Betreiber und fügt hinzu: „Wir haben ausreichen­d Lokführer in der Ausbildung. Daher sind wir guter Dinge, dass wir spätestens ab Juni in vollem Umfang fahren können.“

Nur ein Prozent der Bewerber schafft die Prüfung

 ?? Foto: Jan-Luc Treumann ?? Der neue Bahnbetrei­ber Go-Ahead kann im Regionalve­rkehr nur mit einem reduzierte­n Angebot starten. Die Kritik daran ist laut.
Foto: Jan-Luc Treumann Der neue Bahnbetrei­ber Go-Ahead kann im Regionalve­rkehr nur mit einem reduzierte­n Angebot starten. Die Kritik daran ist laut.

Newspapers in German

Newspapers from Germany