Lokführer sind Mangelware
Der neue Betreiber Go-Ahead muss beim Regionalverkehr mit abgespecktem Angebot starten. Als Grund gibt das Unternehmen Personalmangel an. Doch wann werden dann alle versprochenen Züge in der Region fahren?
Augsburg Das geht ja gut los! Bahnkunden rund um Augsburg ärgern sich über diese Nachricht. Denn gleich beim Einstieg muss der neue, private Bahnbetreiber Go-Ahead zum Fahrplanwechsel am 11. Dezember in der Region mit einem reduzierten Angebot an den Start gehen. Das Unternehmen begründet dies damit, dass 40 Lokführer fehlen. Dabei hieß es noch im vergangenen Monat, das Unternehmen sei für den Start gut vorbereitet.
Es geht um die Strecken München-Augsburg-Ulm, AugsburgDonauwörth, Ansbach-Würzburg sowie Donauwörth-NördlingenAalen. 56 Elektrozüge sollen dort täglich verkehren. Probleme gibt es unter anderem bei folgenden Verbindungen: Der geplante 30-Minuten-Takt am Samstag zwischen Augsburg und Dinkelscherben, der neu eingeführt werden sollte, kommt erst später. Ein Verstärkerzug montags bis freitags von Ansbach nach Treuchtlingen wird im Schienenersatzverkehr mit Omnibus gefahren.
Zudem entfallen vorerst montags bis freitags die Verstärkerzüge, die zwischen 8.30 Uhr und 15.30 Uhr von Augsburg nach Meitingen pendeln sollten. Die Folge: Gersthofen, Gablingen, Langweid und Herbertshofen haben an diesen Tagen einen Zug pro Stunde statt zwei, Meitingen hat zwei statt drei. In der Hauptverkehrszeit, am Abend und am Wochenende ändert sich allerdings nichts.
Besser sieht es nach Informationen unserer Redaktion für die Riesbahn von Donauwörth über Nördlingen nach Aalen aus. Über einen Ersatzanbieter soll mindestens ein Zwei-Stunden-Takt auf der Schiene angeboten werden.
Schon beim Start von Strecken in Baden-Württemberg hat es 2019 Probleme gegeben. Damals fehlten nicht nur Lokführer, sondern auch Fahrzeuge. Kritikern, die nun behaupten, der Stotterstart sei absehbar gewesen, kontert ein GoAhead-Sprecher allerdings: „Wenn man dieser Logik folgen würde, hätte sich für dieses Netz überhaupt kein Unternehmen finden dürfen – der bisherige Betreiber hatte ja auch von Anfang an große Schwierigkeiten.“
Gekündigt werden die Verträge trotz der Probleme nicht. Die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) hat sich zu diesem Thema bereits geäußert: Andere Eisenbahnverkehrsunternehmen könnten die Leistungen von Go-Ahead
„nicht ohne Weiteres und nicht kurzfristig übernehmen“, heißt es da. Denn auch bei anderen Betreibern herrscht Lokführermangel, sogar beim Platzhirsch der Branche, der Deutschen Bahn. Gibt man übrigens das Wort „Lokführermangel“bei Google ein, erhält man aktuell 93.000 Ergebnisse.
Zurück zum Regioverkehr in Schwaben und Oberbayern. Vor drei Jahren hat Go-Ahead, ein englisches Unternehmen, das seit 2021 auch in Augsburg eine bayerische Tochter betreibt, den Zuschlag für die Ausschreibung von der Eisenbahngesellschaft bekommen. Insgesamt will der Anbieter etwa zehn Prozent des Regionalverkehrs auf der Schiene im Freistaat übernehmen.
Für den aktuellen Fall räumt Go-Ahead ein, es sei immer klar gewesen, dass die Übernahme „bei einem Netz in dieser Größenordnung und Komplexität immer eine enorme Herausforderung sein wird“. Hinzugekommen seien verschärfte Rahmenbedingungen: Der Personalmangel hat sich seit der Auftragsvergabe vor drei Jahren verschärft, nicht nur in der Branche, sondern generell und branchenübergreifend. „Wir haben alles Erdenkliche getan; wir bilden für unsere beiden Gesellschaften in Baden-Württemberg und Bayern kontinuierlich 220 Lokführer aus und sind damit unserer Einschätzung nach der zweitgrößte Ausbilder für diesen Beruf in Deutschland“, sagte ein Sprecher unserer Redaktion. Man hatte auch gehofft, dass vom vorherigen Betreiber, der DB-Regio, einige Lokführer wechseln würden, was nicht der Fall war. Dazu seien Krankheitswellen gekommen, sodass alle
Bemühungen nicht ausgereicht hätten. Das liegt auch an der strengen Auswahl: Obwohl es eigentlich relativ viele Bewerber gibt, schafft nur ein Prozent die Prüfung. Bleibt allerdings die Frage: Hätte man das nicht schon länger ahnen können?
Beim Fahrgastverband Pro Bahn weiß man: „Betreiberwechsel stellen öfter mal ein Risiko dar“, so Errol Yazgac von der Bezirksgruppe Schwaben. Grundsätzlich traut er Go-Ahead zu, die Startprobleme in den Griff zu bekommen: „Man muss ihnen eine Chance geben.“In absehbarer Zeit müsse der Fahrplan
aber sicher und zuverlässig gefahren werden.
Noch weniger gut auf Go-Ahead zu sprechen ist man bei der BEG. Dort war man „überrascht über den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Einschränkungen“, bestätigte ein Sprecher unserer Redaktion entsprechende Berichte. Man sehe die Einschränkungen gegenüber den vertraglich vereinbarten Leistungen sehr kritisch, da Go-Ahead noch bis vor kurzem der BEG eine vollständige Betriebsaufnahme in Aussicht gestellt habe.
Zudem hat die Eisenbahngesellschaft Go-Ahead aufgefordert, ein Ersatzkonzept darzustellen und alle Hebel in Bewegung zu setzen, um die vereinbarten Leistungen anbieten zu können. Bis zu diesem Zeitpunkt werde man Vertragsstrafen geltend machen. Genaue Zahlen nennt die Eisenbahngesellschaft allerdings nicht.
Bei Go-Ahead ist man zuversichtlich, die Vorgaben mittelfristig einzuhalten. Spätestens ab Juni 2023 soll der Betrieb auf allen Strecken planmäßig laufen, verspricht der Betreiber und fügt hinzu: „Wir haben ausreichend Lokführer in der Ausbildung. Daher sind wir guter Dinge, dass wir spätestens ab Juni in vollem Umfang fahren können.“
Nur ein Prozent der Bewerber schafft die Prüfung