Schlammlawine rollt über Ischia hinweg
Es ist noch dunkel, als die Feuerwehr am Samstag auf der italienischen Insel ausrückt. Bei Tag wird klar: Der Erdrutsch hat Häuser weggespült und Menschen in den Tod gerissen. Es ist nicht die erste Katastrophe dieser Art.
Casamicciola Im Sommer lassen sich hier tausende Touristen in mediterraner Atmosphäre durch die Straßen treiben. Am Sonntag glich Casamicciola auf der italienischen Insel Ischia einem Ort der Zerstörung. Das Fernsehen zeigte Bilder einer Katastrophe: Matsch und Geröll lagen auf den Straßen, auf den Bürgersteigen türmte sich Schlamm. Ein Bagger versuchte die Straßen in dem kleinen Ort für die Rettungsfahrzeuge befahrbar zu machen. Immer noch fließt braunes Regenwasser in Strömen Richtung Meer. Fernsehbilder zeigen wie zwei Touristenbusse am Strand im Matsch feststecken.
Am Samstag hatte eine gewaltige Schlammlawine Häuser zerstört und Fahrzeuge ins Meer gespült. Von sieben Todesopfern war am Sonntagabend die Rede. Bereits am Samstag bargen die Rettungskräfte
den Körper einer 31-Jährigen, die von dem Erdrutsch mitgerissen worden war. Am Sonntag wurden fünf Menschen geborgen, darunter zwei Kinder sowie ein 21 Monate alter Säugling. Die Suche nach Überlebenden sollte auch in der Nacht zum Montag fortgesetzt werden. 167 Personen wurden von den Rettungskräften aus ihren Wohnungen gerettet, viele hätten durch die Lawine ihr Zuhause verloren, teilte die Polizei Neapels mit.
Die Lawine, die in den Morgenstunden am Samstag vom Monte Epomeo abgegangen war, hatte rund 20 Häuser zerstört. „Es ist eine Tragödie“, sagte Enzo Ferrandino, Bürgermeister von Ischia. Auch der Gemeindepfarrer Don Gino Bellarmino war Zeuge des Desasters: „Es war wirklich schrecklich, der Erdrutsch hat Häuser mit Menschen drinnen fortgespült.“
Dramatisch ist auch das in den sozialen Netzwerken kursierende Video eines über und über mit Schlamm bedeckten Mannes, der sich mit letzter Kraft in einer überfluteten Garage über Wasser hält. Nach Angaben von Augenzeugen soll es sich bei ihm um einen bekannten örtlichen Klempner namens Giuseppe handeln. Er konnte sich offenbar im letzten Moment aus seinem Auto retten, das zu Tal gespült wurde. Er wurde mit schweren Verletzungen in ein Krankenhaus in Neapel geflogen.
Auf Ischia hatte es in der Vergangenheit an selber Stelle bereits schwere, von starken Regenfällen ausgelöste Schlammlawinen gegeben. 2006 starben dabei ein Vater und seine drei Töchter, 2009 kam ein 15-jähriges Mädchen ums Leben. 2017 zerstörte ein Erdbeben in Casamicciola zahlreiche Häuser, zwei Menschen starben. Nach Angaben
des italienischen Instituts für Umweltschutz und Umweltforschung sind Ischia und Casamicciola besonders von Erdrutschen gefährdet. Auf 60 Prozent des Gemeindegebiets bestehe hohe oder sehr hohe Erdrutsch-Gefahr.
Experten zufolge liegen die Gründe dafür in einer Kombination aus natürlichen Bedingungen sowie menschlichem Versagen. „Der Zement ist schuld“, sagt etwa die Geologin Micla Pennetta. Die vulkanische Erde der Insel sauge sich bei Regenfällen voll und werde instabil. Das Abholzen vieler Bäume habe zusätzlich Instabilität gebracht. „Ein so empfindliches Territorium darf nicht blind bebaut werden“, forderte der ehemalige Staatsanwalt Aldo De Chiara, der sich jahrelang für die Zerstörung illegaler Bauten auf Ischia eingesetzt hattes. „Wenn es dann zu solchen Wetterphänomene wie am Samstag kommt, gibt es Katastrophen.“