Ab Montag wird an der Uniklinik Ulm gestreikt: Ärger über den Notdienst
Wie müssen Patienten während der Arbeitsniederlegung versorgt werden? Die Gewerkschaft Verdi und die Uniklinik Ulm können sich nicht einigen.
Ulm Mit einem viertägigen Warnstreik will die Gewerkschaft Verdi den Druck auf die baden-württembergischen Universitätskliniken von Montag an erhöhen. Am 1. Dezember beginnt die dritte Runde der Tarifverhandlungen. Gestritten wird schon jetzt – über die angemessene Versorgung der Patientinnen und Patienten während des Streiks in Ulm. Verdi wirft dem Klinikvorstand vor, die Beschäftigten am Streiken zu behindern. Die andere Seite bezeichnet die Vorstellungen der Gewerkschaft als „nicht tragbar“. Beide wollen die Versorgung nun nach ihren Möglichkeiten sichern, eine Einigung gibt es nicht.
Gewerkschaftssekretär Jonas Schamburek berichtet, die Belegschaft sei auch im Vergleich zu früheren Tarifrunden „enorm streikbereit“. Für Verdi sei aber klar, dass die lebensnotwendige Versorgung auch während des Streiks sichergestellt sein muss. Von Montag an ruft die Gewerkschaft ihre Mitglieder dazu auf, die Arbeit an der Uniklinik Ulm sowie in Freiburg, Tübingen und Heidelberg für vier Tage niederzulegen. In den drei anderen Städten haben beide Seiten eine Notdienstvereinbarung geschlossen. So war es auch in Ulm bei der vorangegangenen Streikrunde im Oktober gewesen. Diesmal aber wirft Schamburek dem Klinikvorstand „Geschacher“vor. Verdi habe überlegt, welche Bereiche im Klinikum unverzichtbar sind und habe möglichst vielen Beschäftigten eine Teilnahme am Streik ermöglichen wollen. Der Klinikvorstand sei dagegen vom Normalbetrieb ausgegangen und habe angegeben, welche Beschäftigten am Streik teilnehmen könnten, ohne diesen zu stören. Das Recht auf Streik wäre durch die Ausgestaltung der Notdienste für mehr als 300 streikwillige Beschäftigte unverhältnismäßig eingeschränkt worden, so Schamburek.
In der Frage stehen sich zwei Grundrechte gegenüber: das Streikrecht der Beschäftigten und das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Patientinnen und Patienten. Während Verdi angibt, die Verhandlungen hätten nach vier Tagen ergebnislos geendet, stellt das Uniklinikum die Vorgänge anders dar. Nach zwei intensiven Verhandlungstagen habe man Verdi am Mittwoch ein Angebot gemacht, das bis Freitagvormittag trotz mehrfacher Nachfragen nicht beantwortet worden sei.
Am Freitag um 11.34 Uhr machte die Gewerkschaft mit einer Pressemitteilung öffentlich, dass eine Einigung ausgeblieben war. Auf Anfrage unserer Redaktion heißt es seitens des Klinikums, man sei Verdi im Vergleich zu der in der ersten Streikrunde im Oktober abgeschlossenen Notdienstvereinbarung deutlich entgegengekommen, insbesondere bei der Reduktion der Betten. „Eine weitere Reduktion von personellen Kapazitäten in hochkritischen Bereichen, die Verdi seit Beginn der Verhandlungen für den Streik gefordert hatte, war im Sinne der Patientenversorgung, gerade in den Bereichen Onkologie und Kardiologie, aus Sicht der zuständigen Klinikdirektoren nicht tragbar“, betont der Leitende Ärztliche Direktor Udo X. Kaisers. Gewerkschaftssekretär Schamburek dagegen berichtet, der Klinikvorstand habe ständig neue Zahlen zu aus seiner Sicht unverzichtbaren Betten vorgelegt. Darauf habe sich die Gewerkschaft nach langwierigen Debatten nicht mehr einlassen wollen.
Und nun? Verdi hat das Angebot des Universitätsklinikums nicht angenommen, sodass keine Notdienstvereinbarung zustande gekommen ist. Solche Fälle hat es schon früher gegeben, etwa in Tettnang im Bodenseekreis. Die Regel sind sie aber nicht, beide Seiten wollen Tarifverhandlungen von Notdienstregelungen trennen. Weitere Verhandlungen seien nicht möglich, kommentiert Schamburek: „Daher errichten wir jetzt einseitig einen Notdienst und kommen so unserer Verantwortung auf eine sichere Streikdurchführung nach.“Ähnlich formuliert es eine Sprecherin der Uniklinik: Man werde Notdienstarbeiten und -besetzungen einrichten, um eine Versorgung sicherzustellen und somit der Verantwortung für die Patientinnen und Patienten während des Warnstreiks nachkommen.
Die Gewerkschaft hatte die Arbeitgeber nach der ersten Verhandlungsrunde aufgefordert, ihr Angebot deutlich zu verbessern.
Verdi-Verhandlungsführerin Irene Gölz sagte, sie erwarte „ernsthafte Verhandlungen über angemessene Entgeltsteigerungen zu einem akzeptablen Zeitpunkt“. Verdi fordert unter anderem für Medizinisch-Technische-Assistenten sowie Pflege- und Verwaltungskräfte 10,5 Prozent mehr Geld, mindestens aber 375 Euro mehr pro Monat; die Laufzeit soll zwölf Monate betragen. Das Angebot des Arbeitgeberverbands der baden-württembergischen Uniklinika (AGU) sah zunächst eine steuerfreie Einmalzahlung von 2100 Euro vor sowie eine Steigerung der Gehälter um sechs Prozent in zwei Stufen bis Ende Juli 2024.
In Ulm sind während des Streiks zwei Kundgebungen geplant: Am Dienstag gibt es einen Umzug durch die Innenstadt auf den Weinhof. Tags darauf kommen um 14 Uhr auch Delegationen aus anderen Standorten auf den Oberen Eselsberg.