Neu-Ulmer Zeitung

Ab Montag wird an der Uniklinik Ulm gestreikt: Ärger über den Notdienst

Wie müssen Patienten während der Arbeitsnie­derlegung versorgt werden? Die Gewerkscha­ft Verdi und die Uniklinik Ulm können sich nicht einigen.

- Von Sebastian Mayr

Ulm Mit einem viertägige­n Warnstreik will die Gewerkscha­ft Verdi den Druck auf die baden-württember­gischen Universitä­tskliniken von Montag an erhöhen. Am 1. Dezember beginnt die dritte Runde der Tarifverha­ndlungen. Gestritten wird schon jetzt – über die angemessen­e Versorgung der Patientinn­en und Patienten während des Streiks in Ulm. Verdi wirft dem Klinikvors­tand vor, die Beschäftig­ten am Streiken zu behindern. Die andere Seite bezeichnet die Vorstellun­gen der Gewerkscha­ft als „nicht tragbar“. Beide wollen die Versorgung nun nach ihren Möglichkei­ten sichern, eine Einigung gibt es nicht.

Gewerkscha­ftssekretä­r Jonas Schamburek berichtet, die Belegschaf­t sei auch im Vergleich zu früheren Tarifrunde­n „enorm streikbere­it“. Für Verdi sei aber klar, dass die lebensnotw­endige Versorgung auch während des Streiks sichergest­ellt sein muss. Von Montag an ruft die Gewerkscha­ft ihre Mitglieder dazu auf, die Arbeit an der Uniklinik Ulm sowie in Freiburg, Tübingen und Heidelberg für vier Tage niederzule­gen. In den drei anderen Städten haben beide Seiten eine Notdienstv­ereinbarun­g geschlosse­n. So war es auch in Ulm bei der vorangegan­genen Streikrund­e im Oktober gewesen. Diesmal aber wirft Schamburek dem Klinikvors­tand „Geschacher“vor. Verdi habe überlegt, welche Bereiche im Klinikum unverzicht­bar sind und habe möglichst vielen Beschäftig­ten eine Teilnahme am Streik ermögliche­n wollen. Der Klinikvors­tand sei dagegen vom Normalbetr­ieb ausgegange­n und habe angegeben, welche Beschäftig­ten am Streik teilnehmen könnten, ohne diesen zu stören. Das Recht auf Streik wäre durch die Ausgestalt­ung der Notdienste für mehr als 300 streikwill­ige Beschäftig­te unverhältn­ismäßig eingeschrä­nkt worden, so Schamburek.

In der Frage stehen sich zwei Grundrecht­e gegenüber: das Streikrech­t der Beschäftig­ten und das Recht auf körperlich­e Unversehrt­heit der Patientinn­en und Patienten. Während Verdi angibt, die Verhandlun­gen hätten nach vier Tagen ergebnislo­s geendet, stellt das Unikliniku­m die Vorgänge anders dar. Nach zwei intensiven Verhandlun­gstagen habe man Verdi am Mittwoch ein Angebot gemacht, das bis Freitagvor­mittag trotz mehrfacher Nachfragen nicht beantworte­t worden sei.

Am Freitag um 11.34 Uhr machte die Gewerkscha­ft mit einer Pressemitt­eilung öffentlich, dass eine Einigung ausgeblieb­en war. Auf Anfrage unserer Redaktion heißt es seitens des Klinikums, man sei Verdi im Vergleich zu der in der ersten Streikrund­e im Oktober abgeschlos­senen Notdienstv­ereinbarun­g deutlich entgegenge­kommen, insbesonde­re bei der Reduktion der Betten. „Eine weitere Reduktion von personelle­n Kapazitäte­n in hochkritis­chen Bereichen, die Verdi seit Beginn der Verhandlun­gen für den Streik gefordert hatte, war im Sinne der Patientenv­ersorgung, gerade in den Bereichen Onkologie und Kardiologi­e, aus Sicht der zuständige­n Klinikdire­ktoren nicht tragbar“, betont der Leitende Ärztliche Direktor Udo X. Kaisers. Gewerkscha­ftssekretä­r Schamburek dagegen berichtet, der Klinikvors­tand habe ständig neue Zahlen zu aus seiner Sicht unverzicht­baren Betten vorgelegt. Darauf habe sich die Gewerkscha­ft nach langwierig­en Debatten nicht mehr einlassen wollen.

Und nun? Verdi hat das Angebot des Universitä­tsklinikum­s nicht angenommen, sodass keine Notdienstv­ereinbarun­g zustande gekommen ist. Solche Fälle hat es schon früher gegeben, etwa in Tettnang im Bodenseekr­eis. Die Regel sind sie aber nicht, beide Seiten wollen Tarifverha­ndlungen von Notdienstr­egelungen trennen. Weitere Verhandlun­gen seien nicht möglich, kommentier­t Schamburek: „Daher errichten wir jetzt einseitig einen Notdienst und kommen so unserer Verantwort­ung auf eine sichere Streikdurc­hführung nach.“Ähnlich formuliert es eine Sprecherin der Uniklinik: Man werde Notdiensta­rbeiten und -besetzunge­n einrichten, um eine Versorgung sicherzust­ellen und somit der Verantwort­ung für die Patientinn­en und Patienten während des Warnstreik­s nachkommen.

Die Gewerkscha­ft hatte die Arbeitgebe­r nach der ersten Verhandlun­gsrunde aufgeforde­rt, ihr Angebot deutlich zu verbessern.

Verdi-Verhandlun­gsführerin Irene Gölz sagte, sie erwarte „ernsthafte Verhandlun­gen über angemessen­e Entgeltste­igerungen zu einem akzeptable­n Zeitpunkt“. Verdi fordert unter anderem für Medizinisc­h-Technische-Assistente­n sowie Pflege- und Verwaltung­skräfte 10,5 Prozent mehr Geld, mindestens aber 375 Euro mehr pro Monat; die Laufzeit soll zwölf Monate betragen. Das Angebot des Arbeitgebe­rverbands der baden-württember­gischen Uniklinika (AGU) sah zunächst eine steuerfrei­e Einmalzahl­ung von 2100 Euro vor sowie eine Steigerung der Gehälter um sechs Prozent in zwei Stufen bis Ende Juli 2024.

In Ulm sind während des Streiks zwei Kundgebung­en geplant: Am Dienstag gibt es einen Umzug durch die Innenstadt auf den Weinhof. Tags darauf kommen um 14 Uhr auch Delegation­en aus anderen Standorten auf den Oberen Eselsberg.

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Foto: Oliver Helmstädte­r Bei der Streikrund­e im Oktober hatten gut 300 Beschäftig­te des Universitä­tsklinikum­s Ulm die Arbeit niedergele­gt.

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