Die Hilfe währt nicht ewig
Bund und Freistaat verhindern in der Energiekrise mit gigantischen Summen das Schlimmste für die Bevölkerung. Davon sollte sich aber niemand blenden lassen.
Das ungewöhnlich milde Herbstwetter hat sich verabschiedet, langsam dreht Deutschland die Heizung auf. Viele Menschen nicht mit reinem Gewissen, denn so genau weiß niemand, wie hoch die Rechnung am Ende ausfallen wird. Nicht viele, deren Zentralheizungskessel mit Gas befeuert werden, scheinen sich im Klaren darüber zu sein, wie viel ein strammer Wintermonat an Heizungskosten zu Buche schlägt. Denn das meiste, was an Abschlägen übers Jahr in Raten abgestottert wird, rauscht in Summe in wenigen Monaten durch den Kamin. Jede Woche mit heruntergeregeltem Thermostat spart deshalb bares Geld.
Die Bundesregierung hat viel dafür getan, dass die Deutschen nicht voller Angst auf die dunklen kalten Wintermonate blicken müssen. Bei aller berechtigten Kritik im Detail kann die Koalition beachtliche Erfolge bei ihren Nothilfemaßnahmen gegen einen Energiekollaps vorweisen: Die Gasspeicher sind gefüllt, Flüssiggasterminals betriebsbereit und Hilfspakete gegen eine völlige Überlastung von Wirtschaft und Bevölkerung vorbereitet.
Bundeskanzler Olaf Scholz gilt nicht unbedingt als Freund klarer
Worte, zu oft verschwinden sie in einer Wolke des Unkonkreten. Umso mehr bleibt sein schelmischer „Doppelwumms“in breiter Erinnerung, mit dem er das 200Milliarden-Euro-Hilfsprogramm des Bundes umschrieb. Die Chancen stehen gut, dass die Hilfen unter dem Strich das Land ähnlich sicher über die Krise bringen werden, wie dies beim Scholzschen Finanzminister-„Wumms“bei den Verwerfungen auf dem Höhepunkt der Corona-Depression gelang. Auch wenn es damals wie heute viele Härten und auch Verlierer gab und geben wird. Verdienstvollerweise schnürt auch die bayerische Staatsregierung ein Milliardenhilfspaket für jene, die bei den Bundeshilfen zu kurz kommen.
Doch sollten sich die Deutschen in mehrfacher Hinsicht nicht von der 200-Milliarden-Summe blenden lassen. Der Staat verdient bestens trotz – und wegen – der Energiekrise: Im Oktober lagen die Steuereinnahmen des Bundes um satte 17 Prozent über dem entsprechenden Vorjahreswert. Vieles, was die Regierung für die linke Tasche verspricht, hat sie längst aus der rechten Tasche kassiert – etwa bei der Mehrwert- und der Spritsteuer. Doch das Geld ist gut investiert – auch psychologisch.
Die Bevölkerung sollte sich allerdings gerade von der angekündigten Strom- und Gaspreisbremse nicht blenden lassen. Sie gelten nur für 80 Prozent des bisherigen Verbrauchs. Das restliche Fünftel kann gewaltig teuer werden. Zudem versteckt sich für viele unter dem Strompreisdeckel von 40 Cent pro Kilowattstunde eine über zehnprozentige Preiserhöhung.
Vor allem sollte sich niemand, auch die Regierung nicht, davon blenden lassen, dass es sich bei all dem lediglich um Sofortmaßnahmen handelt: Die Nothilfe steht, doch die eigentlichen Probleme für Deutschland kommen erst noch.
Dieser grauen kalten Tage werden 50 bis weit über 60 Prozent des Stroms aus Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken produziert, obschon positiverweise klimafreundlicher Windstrom inzwischen der größte einzelne Energieträger ist. Doch 90 Prozent der Endenergie, die von den Haushalten verbraucht wird, entfällt eben auf die Wärme: Und hier liegt der Anteil von Gas und Erdöl weit über 80 Prozent.
All diese Zahlen zeigen: Selbst wenn die optimistischsten Pläne des Ausbaus der erneuerbaren Energien wider allen Erfahrungen der Vergangenheit wahr werden, drohen Deutschland noch gewaltige Belastungen, da das Land noch lange auf teures Flüssiggas und Erdöl angewiesen bleiben wird.
Die eigentlichen Probleme werden erst noch kommen