CSU stellt sich gegen Einbürgerungspläne
In der Migrationspolitik will die SPD den Schalter umlegen: Ausländerinnen und Ausländer sollen einfacher an die deutsche Staatsbürgerschaft kommen. Die Union kritisiert das Vorhaben massiv – doch wird sie es auch stoppen?
Berlin Es ist eines der größten Vorhaben der Koalition – und eines der umstrittensten: SPD-Innenministerin Nancy Faeser will das Einbürgerungsrecht in Deutschland massiv reformieren. Gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz präsentierte sie am Montag ihre Pläne. Doch obwohl diese bereits im Koalitionsvertrag festgehalten sind, stoßen sie nun, da sie in die heiße Phase treten sollen, auf heftige Gegenwehr – sowohl bei der Union als auch beim eigenen Koalitionspartner FDP. Entsprechend gereizt reagierten die Sozialdemokraten auf die Kritik. Man wolle „den konservativen Muff von diesem Land abschütteln“, sagte SPDChefin Saskia Esken, deshalb sei es nur logisch, dass der größte Widerstand von dort komme.
Das Modell, für das sich Faeser einsetzt, fußt auf mehreren Säulen. Zum einen soll es künftig einfacher werden, mehrere Staatsbürgerschaften zu besitzen. „Der bisherige Grundsatz im deutschen Staatsangehörigkeitsrecht, Mehrstaatigkeit zu vermeiden, verhindert die Einbürgerung von vielen Menschen, die seit Jahrzehnten in Deutschland leben und hier zuhause sind“, so die Ministerin. Aktuell ist die doppelte Staatsbürgerschaft nur in strengen Ausnahmefällen erlaubt.
Eine zweite Säule des neuen Einbürgerungsrechts ist, dass Ausländer, die bereits fünf Jahre in Deutschland leben, die Staatsbürgerschaft erhalten können. Bisher gilt eine Frist von acht Jahren. Bei „besonderen Integrationsleistungen“soll dies sogar schon nach drei Jahren möglich werden – etwa, wenn Einwanderer besondere schulische oder berufliche Leistungen oder ehrenamtliches Engagement gezeigt haben oder über besonders gute Sprachkenntnisse verfügen. Auch die Generation der ehemaligen Gastarbeiter, die bereits seit Jahrzehnten in Deutschland lebt, soll einfacher an einen deutschen Pass kommen können. Bei allen ab 67 Jahren will Faeser auf einen schriftlichen Sprachnachweis und auf den Einbürgerungstest verzichten. „Denn sie haben für unser Land Herausragendes
geleistet und damit die Anerkennung der gesamten Gesellschaft verdient“, sagte die Ministerin. Eine weitere Säule des Plans ist, dass alle in Deutschland geborenen Kinder ausländischer Eltern künftig vorbehaltlos die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten sollen, wenn mindestens ein Elternteil seit mehr als fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland lebt.
Voraussetzung für die Einbürgerung ist jeweils ein qualifizierter Aufenthaltstitel, das heißt, Asylbewerber oder geduldete Ausländer fallen nicht in den Kreis der Berechtigten. Schwerwiegende Gründe, die gegen eine Einbürgerung sprechen, sollen auch künftig gelten: Straftaten oder frühere verfassungsfeindliche Überzeugungen zählen unter anderem dazu. Ausländer
müssen ihren Lebensunterhalt finanzieren können, ausreichend Sprachkenntnisse haben und Grundlagen der Rechts- und Gesellschaftsordnung sowie Lebensverhältnisse in Deutschland kennen. Letzteres wird durch einen Einbürgerungstest geprüft.
Trotzdem will die FDP die Themen Einbürgerung und illegale Migration miteinander verknüpfen. Zwar sei richtig, dass diejenigen, die in Deutschland lange leben und arbeiten, schneller integriert werden sollten, sagte die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann in der Sendung „Frühstart“von RTL/ntv. „Aber bevor Frau Faeser das zur Chefinnen-Sache macht, sollte sie erst mal dafür Sorge tragen, dass die, die hier illegal sind, die, die möglicherweise auch gesetzlich aufgefallen sind, dass die erst mal ordentlich zurückgeführt werden.“
Mit der Reform will die SPD der Erkenntnis Rechnung tragen, dass sich Deutschland zu einem Einwanderungsland entwickelt hat. Die Staatsbürgerschaft sei ein Bekenntnis zu den Werten und Regeln Deutschlands, so das Argument. Unter anderem Frankreich agiert heute schon nach ähnlichen Vorgaben. Ein Antrag auf Einbürgerung kann nach fünf Jahren gestellt werden, die Mehrstaatigkeit wird akzeptiert. In den USA können sich Greencard-Besitzer, also Menschen mit Aufenthaltsrecht, nach fünf Jahren auf die Staatsbürgerschaft bewerben.
Besonders heftig ist die Kritik, die aus der Union kommt. Die stellt sich klar gegen das Vorhaben des Bundesinnenministeriums. „Die Pläne des Bundesinnenministeriums, Einbürgerungen in Deutschland zu erleichtern und Doppelstaatsbürgerschaften zur Regel zu machen sind völlig inakzeptabel“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) unserer Redaktion. „Ich sehe derzeit keinen Grund, beim aktuell geltenden Staatsbürgerschaftsrecht etwas zu ändern.“Die Regelungen hätten sich bewährt, wie auch die Einbürgerungszahlen in Bayern zeigen würden.
Diese sind auch im Jahr 2021 im Vergleich zum Vorjahr wieder deutlich gestiegen, nämlich um 14,7 Prozent auf 23.158 Fälle. Jede vierte Person hatte vorher die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaates. Ein starker Anstieg bei den Einbürgerungen war bei den Syrerinnen und Syrern zu verzeichnen.
Bayern sieht keinen Grund, das Recht zu ändern
„Alle neuen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger haben Kenntnisse der deutschen Sprache erworben, sich lange in Deutschland eingelebt und wirtschaftlich integriert“, sagte Herrmann. Dies zeige, dass Integration in Deutschland funktioniere, weil die neuen Staatsbürger am Integrationsprozess mitgewirkt hätten.
Mit der Regierung geht der CSU-Mann hart ins Gericht. „Wöchentlich senden vor allem SPD und Grüne Signale einer grenzenlosen Aufnahmebereitschaft in die ganze Welt – und das in einer Zeit, in der die Zugangszahlen dramatisch steigen und unsere Landkreise und Städte zunehmend ans Limit bringen: Chancenaufenthalt, Bürgergeld, umfangreiche zusätzliche Aufnahmeprogramme, schnellere Einbürgerungen“, kritisierte Herrmann.
Wie schon bei der Reform von Hartz IV kann die Union die Pläne von Faeser blockieren und Änderungen erzwingen. Im Bundesrat haben die Regierungsparteien keine Mehrheit, doch den müssen Gesetze passieren, ehe sie in Kraft treten.