Neu-Ulmer Zeitung

WM-Boykott per Fernbedien­ung

In Frankreich ziehen Aktivisten durch Bars und stoppen mit kleinen Schaltern die Fußballübe­rtragungen. Ein Vorbild sehen sie im Film „Die fabelhafte Welt der Amélie“.

- Von Birgit Holzer

Ziehung vom 26.11.2022

Lotto:

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Klasse 1: unbesetzt

(Jackpot 1.908.527,20 Euro)

Paris In der Bar gibt es einen kollektive­n Aufschrei. Ein paar Fußballfan­s vor dem Fernsehbil­dschirm, die ein WM-Spiel ihrer Nationalma­nnschaft verfolgen, springen empört auf. Ein Tor ist nicht gefallen, es gab auch keine umstritten­e Schiedsric­hter-Entscheidu­ng. Doch der Bildschirm ist plötzlich schwarz. „Das kann doch nicht wahr sein“, ruft ein Mann mit einem Glas Bier vor sich. Was, wenn gerade jetzt einer der „Bleus“ein Tor schießt?

Es handelt sich nicht um einen technische­n Defekt – sondern eine Sabotage-Aktion von Dan Geiselhart, Klima-Aktivist in Paris und Gründer des Magazins Climax. „Man fühlt sich total stark, man kann plötzlich alles ausschalte­n“, sagt er einer Video-Journalist­in, die ihn für eine Reportage auf der

Internetse­ite der Zeitung Le Parisien in die Bar im 18. Bezirk von Paris begleitet hat, in der Geiselhart kurzzeitig die Stimmung in den Keller fallen lässt. In der Hand hat der junge Mann einen kleinen Schalter mit etlichen Ösen.

Es handelt sich um ein sogenannte­s TV-B-Gone, das der USamerikan­ische Hacker Mitch Altman in den 2000er Jahren erfunden hat. Es erkennt die Signale von bis zu 160 verschiede­nen Fernsehanb­ietern und kann die Geräte über eine Entfernung von bis zu 45 Metern ausschalte­n. Für Geiselhart handelt es sich um „friedliche­n Widerstand“gegen die Weltmeiste­rschaft in Katar, die in seinen Augen mit etlichen Grundsätze­n bricht – ob hinsichtli­ch von Menschenre­chten oder des Klimaschut­zes. Damit seine Idee weitere Kreise zieht, hat der Aktivist einen Workshop organisier­t, bei dem Interessie­rte ebenfalls ihre eigenen

Ausschalte­r herstellen konnten. „Es geht nicht darum, den Leuten den Spaß zu nehmen.“

Er sei einfach eine Art männliche Amélie Poulain aus dem Film „Die fabelhafte Welt der Amélie“, die sich in einer Szene an ihrem Nachbarn rächt, indem sie mitten in einem Fußball-Match an seiner Antenne zieht und es unterbrich­t. Kabarettfa­ns hierzuland­e fühlen sich wohl eher an ein Stück namens „Toleranz“von Gerhard Polt erinnert, in dem der durchtrieb­ene Sohn eines Nachbarn den TV-Moderator Karl Moik mit einem Knopfdruck ins Spiel des FC Bayern befördert: „Vor mein Haus hat er sich hingestell­t (...), sieht, dass ich das Fußballspi­el sehe – und jed’s Mal, wenn eine Torchance war, hat der mir von außerhalb mit einer Fernbedien­ung in den Strafraum reingemoik­t“, ruft Polt darin.

In Frankreich ist die Aktion mehr als ein Streich. Teilnehmer­innen und Teilnehmer des Workshops sagten, sie wollten gegen die Bedingunge­n dieser WM in Katar protestier­en – ohne anderen zu schaden. „Ich werde es vielleicht einmal ausprobier­en, um zu sehen, ob es funktionie­rt, aber es ist nicht sehr cool für den Barbesitze­r, der nicht für all das verantwort­lich ist“, sagte einer der Journalist­in.

Es gebe auch die Möglichkei­t, sich bei den Fußballfan­s erkennen zu geben und die Diskussion mit ihnen zu suchen, sagt Dan Geiselhart. „Und wer das Gerät ausschalte­n kann, kann es auch wieder einschalte­n. Das ist alles nicht dramatisch.“Wer wolle, könne auch erst einmal in der Werbung anfangen. Die wolle eh keiner sehen.

Kenner fühlen sich an Gerhard Polt erinnert

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Foto: Peter Kneffel, dpa (Archivbild) Aus bis zu 45 Metern Entfernung können die französisc­hen Aktivisten die Fernseher der Bars ausschalte­n.

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