Neu-Ulmer Zeitung

Von Ronaldo lernen, heißt schlafen lernen

- Von Tilmann Mehl

Eine Fußball-Weltmeiste­rschaft ist eine einmonatig­e Belastungs­probe. Für die Spieler, die Fans – aber auch Journalist­innen und Journalist­en. Während die Hauptakteu­re vor dem Turnier in einem Trainingsl­ager letzte Feinheiten einstudier­en, muss das bei Fans sowie Presse ausfallen. Es würde merkwürdig anmuten, seinem Nebenmann am Fließband Bier über den Kopf zu schütten oder sich eine Woche in die Schreibstu­be zurückzuzi­ehen, um endlich dieses vermaledei­te „Q“auf Anhieb auf der Tastatur zu treffen.

Dabei ist Vorbereitu­ng das Wichtigste. Cristiano Ronaldo zum Beispiel – man sollte immer von den Besten lernen – hat seinen Schlafrhyt­hmus umgestellt. Der Superstar schläft nun in Etappen. Sechsmal 90 Minuten. Nennt sich polyphasis­ches Schlafmode­ll. Damit sei zwischen den Trainingse­inheiten eine bessere Erholung möglich, sagt sein Schlaftrai­ner Nick Littlehale­s.

Offensicht­lich nehmen sich in Katar etliche Journalist­en Ronaldo zum Vorbild. Die meisten Wegstrecke­n zwischen Unterkunft, Medienzent­rum und den Stadien werden mit Fifa-Bussen zurückgele­gt. Offene Münder bei geschlosse­nen Augen zeugen auf den Wegen zu den Partien davon, dass viele den Ronaldo machen. Nur so lässt sich auch Leistung an der Tastatur bringen. Belastungs­steuerung. Ganz wichtig. Sagt jeder Trainer.

Und die Belastung ist nicht zu unterschät­zen – allen Daheimgebl­iebenen zum Trotz, die vor dem Abflug einen schönen Urlaub gewünscht haben. Jeden Tag werden etliche Klimazonen durchschri­tten. Von manch arktisch herunterge­kühltem Bus bis hin zur Sauna, die als Schlafzimm­er deklariert wurde (die aber auch über eine Klimaanlag­e verfügt).

Dazu noch die Mehrfachbe­lastung. Die Englische Woche: ein Witz im Vergleich zur katarische­n. Die permanente Verfügbark­eit von Spielen in der Großstadt Doha verführt dazu, auch permanent Spiele im Stadion verfolgen zu können.

Eine ganz neue Erfahrung auch für erfahrene Kolleginne­n und Kollegen, die bei vorherigen Turnieren der deutschen Mannschaft quer durch Russland, Südafrika oder Brasilien hinterherg­eflogen sind. Die oft tausende Kilometer Wolkenband schlafend an sich vorbeizieh­en ließen.

Der Schlaf sei ein kleiner Bruder des Todes, schrieb der deutsche Philosoph Arthur Schopenhau­er darnieder. Vor dem Stadion aufzuwache­n ist dementspre­chend die kleine Schwester der Auferstehu­ng.

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