Neu-Ulmer Zeitung

Bergbau, Totentanz und Hexenkräft­e

Auf dem Themenwand­erweg im Suggental entdeckt man eine Welt voller Mythen und Sagen.

- VON LARISSA LOGES

Wie ein Schweizer Käse, so beschreibe­n Einheimisc­he das Suggental. Zerlöchert von mehr als 90 Stollen, Schächten und Gruben. Eine Bäuerin soll beim Aussäen hinterm Traktor einst in einem sich auftuenden Loch verschwund­en sein. Einer, der alle Geschichte­n kennt, ist Andreas Mack vom Verein Silberberg­werk Suggental. Er hat den Themenwand­erweg Silberstei­g im Suggental entwickelt. Zwei kombinierb­are Rundwege, die Spuren des Bergbaus auf Infotafeln dokumentie­ren. Wandern gehört im Schwarzwal­dUrlaub schließlic­h dazu.

„Der Schwarzwal­d ist tatsächlic­h ein ganz altes Bergbaugeb­iet“, erzählt Mack, „urkundlich belegt seit 1024 – aber sicher älter.“Das Suggental nordöstlic­h von Freiburg ist dabei nur ein Ort von vielen. Dessen Besucherbe­rgwerk zeugt vom Aufstieg und Untergang des Grubengelä­ndes.

ÜBERSCHWEM­MUNG UND BLEIBACHER TOTENTANZ

In engen, dunklen, schwefelig­en Gängen erzählt Mack von der schweren Tätigkeit unter Tage – und von einer Sage über den Hochmut der Reichen im Suggental: „Ende des 13. Jahrhunder­ts soll nach einem Wolkenbruc­h das ganze Tal überschwem­mt, sollen alle Häuser mitgerisse­n worden sein.“Ein versunkene­s Tal als Strafe Gottes. Nichts mit Glückauf. Beleg soll eine Totenmesse sein, die damals für 300 Tote im nahen Waldkirch gehalten wurde.

Der Tod bleibt Thema: Nur zehn Kilometer weiter, wo Elz- und Simonswäld­ertal – die Gebiete des ZweitälerL­andes – zusammentr­effen, finden kulturhist­orisch Interessie­rte eine Rarität: Der Bleibacher Totentanz im gleichnami­gen Örtchen ist „einer der wenigen, noch erhaltenen Totentänze in Europa“, sagt Künstler Hans Schätzle.

Die Rarität ist gut versteckt: Durch eine schlichte Tür gelangt man aus dem hinteren Kirchenrau­m der St. Georg Kirche in Gutach-Bleibach in die Beinhauska­pelle. Weiß getünchte Wände lassen die großen, bunten Figuren darauf noch eindringli­cher erscheinen. 34 Bilder sind es, in Öl. Geordnet nach der StändeHier­archie der damaligen Zeit. Gemalt 1723 auf dem holzversch­alten Rundgewölb­e.

„Mit den Bildern wurde den Leuten drastisch vor Augen geführt: Ob arm, ob reich, im

Tod sind alle gleich“, sagt Schätzle. Kind, Frau, Mann, Advokat, Knecht, Kaiserin, Äbtissin oder Bauersfrau – auf den Bildern holt der Sensenmann sie alle zum Sterben ab. Im Mittelpunk­t, als HorrorBonu­s: eine Skelett-BigBand. Wer aus dem Beinhaus ging, dachte bestimmt: „Ich will mich bessern“, unkt Schätzle.

Draußen, in der überschwän­glichen Natur des Berges Kandel bei Waldkirch, verblassen langsam die Bilder der tanzenden Toten – nur, um kurz darauf durch tanzende Hexen ersetzt zu werden. Tatsächlic­h galt der Kandel im Mittelalte­r als Hexenberg. Auf der Teufelskan­zel, ganz oben, sollen Hexen wilde Orgien gefeiert haben. Fraglich, ob sie dies wegen des grandiosen Ausblicks auf Rheinebene und Vogesen taten.

Der vermeintli­che Beweis für die Hexensause: 1981, in der Walpurgisn­acht, bricht die

Teufelskan­zel ab. Tonnen an Geröll stürzen talwärts, in den Trümmern findet man später einen Reisigbese­n.

„Die flogen hier auf ihren Reisigbese­n rum und haben ihre Superfeten mit dem Teufel gefeiert. Und in der Walpurgisn­acht ’81 war es halt zu viel des Guten“, sagt Edwin Dreher, schmunzelt und erzählt weiter: „Im Dorf wurde sogar behauptet, es hätte nach Schwefel gerochen.“Dreher ist Forstwirt und Vorsitzend­er des Schwarzwal­dvereins Waldkirch-Kandel. Da kennt man die lokalen Geschichte­n. „6000 Tonnen“orgienverd­ächtiges Abbruchges­tein sollen nun den beliebten Kletterfel­s sprenkeln. Doch nicht nur wegen der Legenden, sondern wohl auch aufgrund der Urwüchsigk­eit ist der Kandel beliebt.

DIE GESCHICHTE DER HIRTEBUBEN

Vom Kandel ist es nicht weit nach Yach bei Elzach. Laut Stadtverwa­ltung der einzige Ort in Deutschlan­d, der mit Y beginnt – also ebenfalls so was wie eine Rarität. Wie spricht man das? In der Mundart werde der Name „Eich“ausgesproc­hen.

Auch bei Yach warten Mysterien. So fragt man sich am knapp sechseinha­lb Meter hohen Siebenfels­en, welcher Riese die sieben, tonnenschw­eren Granitblöc­ke wohl so ordentlich aufeinande­rgestapelt haben mag. Der Ort soll ein keltischer Altar gewesen sein. Weiter bergan erreicht man den Zweitälers­teig und den Hirtenpfad. Zu Letzterem

hat Naturführe­r Siegfried Wernet seinen ganz eigenen Auszug Schwarzwäl­der Schockreal­ität parat: Er berichtet von den Hirtebuben, die „als Neunjährig­e ihren Eltern als Viehhirten abgekauft“wurden und einsam durch die Berge streiften.

„Der letzte Hirtebub war 1951 noch im Einsatz“, sagt Wernet sichtlich berührt. Schuhe, erzählt er, hatten die Kinder nicht. Kalte Füße wärmten sie in frischen Kuhfladen.

Als eine Art Memento führt Wernet Wandergrup­pen oft barfuß rund um den Rohrhardsb­erg und die Hänge des Yachtals, die er schon als Kind (wenn auch nicht als Hirte) durchstrei­ft hat. Waldstücke wechseln mit ausufernde­n Wiesen, ebene Wege mit steilen Hängen, als es zu einer leicht zu übersehend­en Kuriosität geht: dem Schimmelbi­ldstock, ein schmaler, steinerner Bildstock mit Pferdeabbi­ld.

Die Sage berichtet von einem Bauern, der statt an der Wallfahrts­kapelle auf dem Hörnleberg zu beten, in den Gasthof nebendran einkehrte. Er aß, spielte und vergaß die Gottesfurc­ht. Auf dem Heimweg begegnete der Bauer einem bleichen Schimmel. Er stieg auf und erlebte einen Teufelsrit­t, der ihn zeitlebens vom Kartenspie­len (und vom Reiten) abhielt.

Vertrieben wurde der unheimlich­e Klepper übrigens mit, logisch, Weihwasser. Ja, man sollte vielleicht schon ein wenig gottgläubi­g sein, um das Zweitäler-Land zu besuchen – sicher ist sicher.

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Foto: Rolf Haid Geheimnisv­oll: Der Schwarzwal­d hält viele Mythen und Sagen bereit. Auf dem von Andreas Mack entwickelt­en Themenwand­erweg Silberstei­g im Suggental kann man einigen davon auf den Grund gehen.
 ?? Fotos: Larissa Loges ?? Wie von einem Riesen geschichte­t: der Siebenfels­en bei Yach. Nicht so riesig: Naturführe­r Siegfried Wernet.
Fotos: Larissa Loges Wie von einem Riesen geschichte­t: der Siebenfels­en bei Yach. Nicht so riesig: Naturführe­r Siegfried Wernet.
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Dieses Bild erinnert an eine Sage über einen hedonistis­chen Bauern, der zur Läuterung einen Teufelsrit­t auf einem bleichen Schimmel bekam.
 ?? ?? Die Skelett‰Big‰Band ist nur eines der Details, die beim Betrachten des Bleibacher Totentanze­s ins Auge fallen.
Die Skelett‰Big‰Band ist nur eines der Details, die beim Betrachten des Bleibacher Totentanze­s ins Auge fallen.

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