Eine Kerze für jede tote Kuh
Im Zuge des Allgäuer Tierskandals ist das erste Urteil gefallen. Im Gericht nehmen die Landwirte regungslos ihre Strafe zur Kenntnis, draußen demonstrieren Tierschützer.
Memmingen/Bad Grönenbach Als Richter Christian Liebhart sagt, dass der junge Landwirt für fast drei Jahre ins Gefängnis muss, bleibt der 25-jährige Angeklagte regungslos. Auch dessen Vater, der zwei Stühle weiter sitzt, verzieht keine Miene. Er hat eine Haftstrafe von zwei Jahren bekommen, muss aber nicht ins Gefängnis. Seine Strafe ist zur Bewährung ausgesetzt. Beide wurden wegen „quälerischer Misshandlung von Wirbeltieren durch Unterlassung“verurteilt. So endete am Dienstag der Prozess gegen zwei Landwirte aus Bad Grönenbach, der am 20. September am Landgericht Memmingen begonnen hatte. Es ist das erste Urteil im Zuge der juristischen Aufarbeitung des Allgäuer Tierskandals.
Die Strafkammer sah unter anderem den Vorwurf als erwiesen an, dass die beiden Landwirte 2019 etliche Rinder längere Zeit nicht ausreichend versorgt hatten, sodass die Tiere teils erheblich und deutlich erkennbar litten. Einige mussten wegen schlechter Verfassung eingeschläfert werden. Die Ställe der insgesamt drei Hofstellen seien überfüllt gewesen, teilweise habe der Kot einen halben Meter hoch gestanden.
Die beiden Landwirte seien überfordert gewesen, hatten sie während der mehrwöchigen Verhandlung zugegeben. Das bezog sich auf das Jahr 2019, als der Tierskandal an die Öffentlichkeit kam. Doch das Gericht ließ das nicht gelten: Sie hätten nicht nur aus Überforderung falsch gehandelt. Denn es wäre ihnen möglich gewesen, kranke Tiere versorgen zu lassen und auf Anweisungen von Behörden zu reagieren. Dass sie das nicht taten, sei Ignoranz gegenüber tierschutzrechtlichen und landwirtschaftlichen Vorgaben.
Ob einzelne Tiere tatsächlich längere Zeit und unter starken Schmerzen gelitten haben, stellten die beiden Verteidiger während des Prozesses infrage. Wie könne belegt werden, wie stark die
Schmerzen waren? Und wie lange eine Krankheit schon bestehe? Doch in der Urteilsbegründung machte der Richter klar, dass an den Aussagen der Sachverständigen und an teils erschütternden Bildern und Videos aus dem Stall nicht zu rütteln ist. Als Beispiel nannte er eine Kuh, die während einer Kontrolle im September 2019 aufgefallen war. Sie hatte zwei große Abszesse am Hinterteil. Der 25-Jährige wurde aufgefordert, sie behandeln zu lassen. Dem kam er einmal nach. Doch das sei nicht ausreichend gewesen. Zwei Monate später wurde die Kuh bei einer weiteren Kontrolle begutachtet. Die Abszesse waren noch größer, aufgeplatzt, der Eiter lief heraus. Das Tier litt länger unter erheblichen Schmerzen. In einem Fall habe der 25-Jährige sogar versucht, einen Missstand zu vertuschen: Während einer Kontrolle holte er ein krankes Kalb aus seinem Stall, brachte es in ein Maisfeld und tötete es. In den Stall stellte er ein gesundes Kalb.
Mit der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten für den jungen Landwirt kam das Gericht der Forderung der Staatsanwaltschaft nach. Damit blieb es nur knapp unter der in solchen Fällen erlaubten höchsten Freiheitsstrafe von drei Jahren. Bei der Haftstrafe von zwei Jahren für den Vater blieb das Gericht allerdings unter der Forderung des Staatsanwalts von zwei Jahren und sechs Monaten. Haftstrafen von maximal zwei Jahren können zur Bewährung ausgesetzt werden, was das Gericht hier nutzte. Vor allem das Alter des Angeklagten, der bereits wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz vorbestraft ist, und dessen schlechter Gesundheitszustand sprechen laut Gericht gegen einen Gefängnisaufenthalt. Er muss 12.000 Euro an einen Gnadenhof zahlen. Zudem dürfen er und sein Sohn fünf Jahre lang keine Tiere halten und betreuen.
Zwei Prozesse ähnlicher Art gegen weitere Allgäuer Landwirte sollen im kommenden Jahr folgen. Auch sie waren Teil des bundesweit Schlagzeilen machenden Allgäuer Tierskandals.